"Normaler" Infekt oder Corona? Das müssen Sie wissen

16.8.2020, 04:00 Uhr

© Archivfoto: Ralf Rödel

Wie laufen Corona-Tests momentan in den Arztpraxen des Landkreises ab?

Dr. Beate Reinhardt, Fachärztin für Allgemeinmedizin in Effeltrich und regionale Vorstandsbeauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern (KVB): „Jede Praxis versucht das je nach ihren räumlichen und organisatorischen Gegebenheiten zu regeln. Wichtig ist, dass sich alle Patienten, die sich auf Corona testen lassen wollen, egal ob sie Symptome haben oder nicht, vorher telefonisch voranmelden. In unserer Praxis haben wir es zum Beispiel so organisiert: Verdachtsfälle, also Patienten mit Symptomen, testen wir in der letzten Stunde vor Praxisschließung. Für sie haben wir ein eigenes Isolierzimmer, das nicht über die normalen Praxisräume betreten wird, sondern einen separaten Eingang hat. Dort hinein dürfen die Patienten auch nur nach Aufforderung per Telefon. Für symptomfreie Patienten bieten wir zwei Tage an: Montagnachmittag und Mittwochmorgen. Dann können diese sich testen lassen. Über die Corona-App haben wir noch keine Patienten in der Praxis gehabt.“

Sabine Kramp, Geschäftsführerin des Ärztenetzes Ugef in Forchheim und, Bärbel Matiaske Geschäftsstellenleitung Gesundheitsregion-Plus am Landratsamt Forchheim: „Je nach Praxisgegebenheiten organisieren es die Ärzte unterschiedlich. Nicht alle Ärzte streichen ab, da sie selbst zur Risikogruppe gehören. Dazu sind sie auch nicht verpflichtet. Dann arrangieren sie sich aber mit Kollegen, zu denen sie ihre Patienten für einen Abstrich schicken können. Weil eine Trennung von Verdachtsfällen und Wunschabstrichen erforderlich ist, gibt es zusätzlich zu den Infektsprechstunden weitere Zeitfenster für Wunschabstriche.“

Kann sich wirklich jeder testen lassen oder fragen die Ärzte vorher bestimmte Dinge ab?

Martin Eulitz, Pressesprecher der KVB: „Gemäß des von Ministerpräsident Markus Söder verkündeten Bayerischen Testkonzeptes kann sich jeder bayerische Bürger testen lassen – unabhängig von Symptomatik oder einem Aufenthalt in einem Risikogebiet. Viele Ärzte fragen jedoch vor dem Test kurz die Motivation ab, da beispielsweise einigen Menschen nicht bekannt ist, dass ein solcher Test immer nur eine Momentaufnahme darstellt und auch keine Sicherheit gibt, ob jemand schon mit dem Coronavirus infiziert war.“

Sabine Kramp: „Ja, es gibt vorab Abfragen. Diese sind grundsätzlich aber zur Sicherheit der Praxis erforderlich, da zwischen Verdachtsfällen und Wunsch-Abstrichen unterschieden wird. Das Hauptproblem ist derzeit woanders: es gibt steigende Fallzahlen und eine begrenzte Menge an Teströhrchen, daher gibt es im Zweifelsfall eine Präferenz für Verdachtsabstriche.“

Wie hoch ist derzeit die Nachfrage nach Corona-Tests?

Sabine Kramp: „Wir haben steigende Fallzahlen positiver Verdachtsfälle, insbesondere aufgrund von Reiserückkehrern, und zusätzlich die Wunschabstriche. Die Praxen, die testen, machen aktuell drei bis 20 Tests pro Tag. Es gab jedoch eine deutliche Steigerung von letzter Woche zu dieser Woche um 50 Prozent laut Dr. Anne Mörsdorf, Ärztin in der Praxis Dr. Mörsdorf und Herschel in Pretzfeld. Die Zahl der Urlaubsreiserückkehrer steigt dazu.“

Beate Reinhardt: „Die Tests finden natürlich in Zeitfenstern statt, die normalerweise mit Kranken besetzt werden. Das bedeutet, dass wir momentan stellenweise mehr mit Nicht-Kranken beschäftigt sind, als mit Kranken. Insgesamt ist es für alle Praxen ein Kraftakt. Wir hatten zuletzt ein deutlich höheres Patienten-Aufkommen als im letzten Winter. Und die Erkältungssaison hat noch nicht einmal begonnen.“

Was ist mit der Teststrecke am Forchheimer Ehrenbürg-Gymnasium?

Bärbel Matiaske: „Die Teststrecke ist derzeit für die Öffentlichkeit geschlossen, kann bei Bedarf aber jederzeit wieder hochgefahren werden. Das Gesundheitsamt macht dort momentan die Abstriche der Kontaktpersonen. Nachdem die Infektionen im Landkreis wieder aufflammen, sind es momentan in etwa 40 Abstriche am Tag. Zusätzlich soll die Teststrecke für Reihentestungen genutzt werden, etwa wenn zum Schulstart Lehrer getestet werden sollen. Wir diskutieren derzeit aber auch, wann und wie die Teststrecke wieder für die Öffentlichkeit genutzt werden kann, um Ärzte und Praxen zu entlasten.“

Beate Reinhardt: „Wir brauchen die Teststrecke. Durch die Ausrufung des Katastrophenfalls konnte die Teststrecke für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nach Beendigung des Katastrophenfalls durch die gesunkenen Fallzahlen wurden die Tests in die Praxen verlagert. Wenn nun die Fallzahlen wieder steigen, brauchen wir aber wieder die Logistik der Teststrecke und die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt, um die ambulante Versorgung der anderen Patienten auch in den Herbst- und Wintermonaten sicherzustellen. Das hat in den ersten Monaten der Pandemie gut geklappt und ich bin sicher, dass wir da wieder anknüpfen können.“

Was ist, wenn man am Wochenende erkrankt und nicht sicher ist, ob es sich um Covid-19 handelt?

Sabine Kramp: „Die Ugef ist der Betreiber der Notfallpraxis in Forchheim. Unsere Empfehlung ist es, keine Tests am Wochenende zu machen. Es gibt dafür eigentlich keine Notwendigkeit, da in der Woche zügig mit den Ergebnissen zu rechnen ist. Am Wochenende dagegen besteht keine schnelle Transportlogistik zu den Laboren über Fahrdienste. Es ist also ratsam bis Montag zu warten. Der PCR-Test kann Viren bis zu drei Tage vor Symptombeginn und bis zu 20 Tage nach Symptombeginn, teilweise auch noch später nachweisen.“

Wie sollten Reiserückkehrer vorgehen?

Sabine Kramp: „Unbedingt beim Hausarzt vorher telefonisch melden, eine mögliche Verdachtssituation – sofern es eine gab – schildern und einen Termin vereinbaren.“

Befürchten Sie weitere Schwierigkeiten, wenn im Winter zusätzlich die Grippe-Saison beginnt?

Beate Reinhardt: „Ja. Und deshalb wollen wir am 7. Oktober einen landkreisweiten Impftag organisieren. Dazu wollen wir viele Ärzte ins Boot holen. Ziel ist es, möglichst viele Menschen gegen Grippe zu impfen, um wenigstens bei dieser Erkrankung Sicherheiten zu haben.“

Kann man davon ausgehen, dass die jetzt bestehenden Regelungen längerfristig gelten?

Beate Reinhardt: „Man muss wissen: Die ganze Situation ist in Bewegung. Ärzte, Behörden, Politiker, aber auch die Patienten haben aus den vergangenen Monaten gelernt. Das ist gut so und das wird auch so bleiben. Die Maßnahmen werden daher immer wieder angepasst. Wir müssen uns damit arrangieren. Dazu gehört, dass jeder eine gewisse Selbstverantwortung hat – sich zu informieren, aber auch, die allgemeinen Schutzregeln (Abstand, Mundschutz, Hygiene) anzuwenden.“

Wie ist es mit denen, die die Krankheit grundsätzlich in Frage stellen?

Beate Reinhardt: „Die handeln extrem leichtfertig und auf Kosten der Allgemeinheit. Diese Krankheit ist unberechenbar. Sie kann ohne Symptome verlaufen, aber im schlimmsten Fall tödlich enden. Und diejenigen, die genesen sind, haben oft mit Spätfolgen zu kämpfen, von denen wir erst nach und nach erfahren. Ich finde daher, dass die Strafen zum Beispiel für Maskenverweigerer noch viel zu niedrig sind. Wer Ansteckung riskiert, ist meiner Meinung nach im weitesten Sinne für fahrlässige Tötung verantwortlich.“

JANA SCHNEEBERG

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