Fürths langfristiges Ziel: Weniger Autos in der City

24.4.2020, 09:00 Uhr
Fürths langfristiges Ziel: Weniger Autos in der City

© Foto: Wolfgang Händel

Herr Hartl, Sie haben lange Zeit in Stuttgart, aber auch in Roth gelebt. Kannten Sie Fürth, bevor Sie die Bewerbung schrieben?

Hartl: Nur ein bisschen. Zum Beispiel von einem Besuch der Comödie oder vom Einkaufen. Aber weil es wegen Corona im Büro gerade etwas ruhiger zugeht, nutze ich die Zeit auch dazu, die Stadt besser kennenzulernen.

Und welches Urteil fällt der ehemalige Wahl-Schwabe?

Hartl: In Stuttgart ging viel Bausubstanz im Krieg verloren und wurde durch Beton ersetzt. In Fürth schaffen Sandstein- und Fachwerkfassaden ein sehr schönes Innenstadt-Flair. Mit dem Wiesengrund ist viel Grün in Laufweite. Das gefällt mir.

Haben die neuen Kollegen Ihnen schon davon erzählt, dass Stadtplaner vor Jahrzehnten vorhatten, mehrspurige Straßen durch die Talauen zu bauen?

Hartl: Ja, das habe ich gehört. Man darf froh sein, dass es anders kam. Aber wer die Natur schützt, muss damit leben, dass es dann an manchen Stellen verkehrstechnisch knirscht, etwa am Stadelner Fischerberg.

Aha. Sie haben sich schon eingearbeitet . . .

Hartl: Noch genieße ich Welpenschutz. Es gibt hier eine Vielzahl an Projekten, die mir noch nicht bekannt sind.

Was ist das größte Rad, das Sie in den nächsten Jahren drehen werden?

Hartl: Der Verkehrsentwicklungsplan VEP, den mein Vorgänger initiiert hat. Er sollte bis 2023 stehen.

Warum ist er so wichtig?

Hartl: Weil es ohne ein konkretes Ziel vor Augen schwierig wird, einzelne Maßnahmen umzusetzen. Diese Ziele muss die Stadt definieren. Wo will ich Verkehr rausnehmen? Welche Achsen will ich stärken? Wo brauche ich Umgehungsstraßen? Wie bewirtschafte ich künftig den Parkraum in der Innenstadt? Wie baue ich den ÖPNV aus? Wie sieht das Radfahrkonzept der Zukunft aus?

Gute Frage, wie sieht es denn aus?

Hartl: In Fürth ist schon viel für Radfahrer passiert. Wir müssen aber noch die Lücken im Radwegenetz schließen und Projekte über die Stadtgrenzen vorantreiben. Wir brauchen Radstraßen, auf denen Radler Vorrang haben, aber auch reine Schnellstraßen für den Radverkehr.

Fahren Sie selbst Rad?

Fürths langfristiges Ziel: Weniger Autos in der City

© Foto: Johannes Alles

Hartl: Im Dienst nutze ich gerne die städtischen Pedelecs, außerdem fahre ich täglich mit dem Rad ins Büro: von Stein über den Hainberg und die Rednitz entlang. Gerade für die kurzen Wege in der Stadt sind Räder ideal. Trotzdem bin ich beileibe kein Autofeind.

Haben Sie denn eins?

Hartl: Als Eltern von zwei kleinen Kindern kommen wir da fast nicht drum herum, obwohl wir auch einen Fahrradanhänger haben. Aber fürs Einkaufen oder weitere Fahrten greifen wir aufs Auto zurück.

Ist die autofreie Innenstadt ein realistisches Ziel oder reine Utopie?

Hartl: Wir müssen die Zahl der Autos in der City nicht krampfhaft auf Null setzen. Das Auto war bei uns lange das Verkehrsmittel, das ändert sich nicht von heute auf morgen. Aber wenn wir eine echte Verkehrswende wollen, müssen wir Pkw-Fahrten in der Innenstadt massiv reduzieren.

Wie?

Hartl: Nicht mit der Brechstange. Es ist ein Prozess, der sich über Generationen hinwegziehen wird. Autos sollten aber schon in naher Zukunft vor allem auf Hauptverkehrsachsen unterwegs sein. In anderen Bereichen müssen wir den ÖPNV, Radler und Fußgänger stärken. Ich finde, man kann nicht nur sagen, nein, das darfst du nicht. Man muss auch attraktive Alternativen aufzeigen.


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Wie realitätsfern ist es, als Innenstadtbewohner immer noch auf einem Parkplatz vor der Haustür zu pochen?

Hartl: Wir werden den knappen Platz in der Stadt neu aufteilen müssen. Das beste Beispiel ist die Hornschuchpromenade. Wir wollen diese Ecke, gerade auch die Grünanlage, aufwerten. Wir müssen die Bäume schützen und brauchen mehr Raum für Feuerwehreinsätze. Da fallen zwangsläufig Parkplätze weg. Dafür bauen wir in der Gebhardtstraße eine Quartiersgarage mit Stellplätzen für die Anwohner, und in der Hornschuchpromenade und der Königswarterstraße wird es Kurzzeitparkplätze geben sowie Zonen, wo man schnell sein Auto be- oder entladen kann. Wir wollen nicht nur wegnehmen, es geht um einen Ausgleich.


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Was denken Sie über Tempo 30 in der ganzen Stadt?

Hartl: Das würde den Verkehr verflüssigen, die Sicherheit im Mischverkehr erhöhen sowie Lärm und Schadstoffe reduzieren. Ich würde das begrüßen, auf Ausfallstraßen könnte man ja weiterhin 50 km/h erlauben. Leider gibt die Straßenverkehrsordnung kein flächendeckendes Tempo 30 her. Da müsste der Gesetzgeber handeln.

Ihr Vorgänger, Matthias Bohlinger, hat für die Stadt Fürth vor Gericht einen Sieg gegen den S-Bahn-Schwenk der Deutschen Bahn errungen. Wie geht es in diesem Fall weiter?

Hartl: Das Urteil steht. Die Bahn will aber noch einmal beide Trassenvarianten prüfen. Wir warten ab.

Zurück zum Anfang. Sie lernen Fürth im Ausnahmezustand kennen. Erschwert das Ihre Arbeit?

Hartl: Als schwierig empfinde ich, dass die Pandemie gerade das gute Image des ÖPNV torpediert, Stichwort "Virenschleuder". Das wird wohl so schnell nicht aus den Köpfen gehen. Noch arbeiten viele daheim, aber wenn sich das wieder ändert, könnte die Verkehrsbelastung auf den Straßen um 30 bis 40 Prozent über der Zeit vor der Krise liegen. Diese Überlastung wird dann hoffentlich viele wieder in Busse und Bahnen zurückholen. Positiv ist, dass jetzt mehr Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. Das darf ruhig so bleiben.

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