Prominentes Produktionsteam

Knockin' on Heaven's Door: Neues Musical im Fürther Stadttheater

22.10.2021, 12:00 Uhr
Knockin' on Heaven's Door: Neues Musical im Fürther Stadttheater

Das Meer sehen, einmal nur. Bevor es zu spät ist. "Das muss die Abnippelabteilung sein hier. So ’ne Art Besenkammer." Martin und Rudi, Krankenbett an Krankenbett, Hirntumor neben Knochenmarkkrebs. Und eine gute Idee: Aufbrechen, losfahren, zu verlieren gibt’s eh nichts mehr. Raus hier, schnell. Ans Meer.

"Es war die richtige Zeit für eine Buddy-Komödie aus Deutschland", sagt Gil Mehmert über einen Spielfilm, der vor bald 25 Jahren dreieinhalb Millionen Kinogänger elektrisierte und der, man kann es nicht beschönigen, irrsinnig schlecht gealtert ist. "Knockin’ On Heaven’s Door" machte Til Schweiger – an seiner Seite der ungleich schüchternere Jan Josef Liefers – zum coolen Schnuckelboy des eher leicht- als tiefsinnigen deutschen Kinos und Moritz Bleibtreu, er knallchargiert als Türkengangster Abdul ("Ist geiler Anzug, den er anträgt"), zum gefeierten Ethno-Comedian wider Willen.

Der pubertäre Humor, die Ganoven-Klischees, das Frauenbild: geht 2021 gar nicht mehr. Schön, dass auch Gil Mehmert das so sieht, der 56-Jährige inszeniert "Knockin’ On Heaven’s Door" als Musical, Uraufführung war am Donnerstagabend, im Stadttheater Fürth. Liegt nicht am Meer, aber "als Produktionsstätte für Musicals gehört das Haus zu den wenigen Theatern in Deutschland, die das können, noch dazu mit hervorragendem Ruf".

Ein "Rock’n’Road Musical" auf den rauchenden Trümmern eines längst archivierten Kinoschlagers – mutig. Den Film, sagt Mehmert, müsse man nicht kennen, vielmehr gehe es um die "Variation eines Grundplots", der so vielen Road Movies zu eigen ist; letzter Abzweig Richtung Freiheit, die einzige, oft allerletzte Chance, die Sau rauszulassen, man kennt es aus "Thelma & Louise", aus "Into The Wild", "Wild At Heart", "Easy Rider". Und so weiter.

Bob Dylan sagte Ja

Die "Grundmauern" des Schweiger-Films, so nennt es der Regisseur, der auch am Buch mitschrieb, habe das Team stehen lassen; Ergebnis der mehrjährigen Bauarbeiten ist "eine zeitlose Fassung mit modernem Frauenbild" und ohne Blasentee-Gags. Großes kleines Beispiel: Der Obergangster ist hier und jetzt eine Frau (Sidonie Smith). Auch habe das Team das "Comic Relief" der Finstermänner Henk und Abdul zwar geschärft, doch ersetzt nun Ruhrpott-Sound jene Türkencomedy-Babbelei, die "allein schon wegen der politischen Entwicklung nicht mehr ins Heute übertragbar ist", so Mehmert.

Eine leichte Geburt, sagt der mit ellenlanger Referenzliste ausgestattete Tausendsassa, der hierzulande Erfolge wie "Das Wunder von Bern" in Hamburg wuppte und in Essen als Musical-Professor lehrt, war es nicht. Wie so oft in der wuseligen Entertainment-Branche rührten mehrere Köche am "Heaven’s Door"-Brei, was nicht immer bekömmlich geriet, auch nicht zeitsparend. Allein die Mühsal des Filmrechte-Erwerbs wäre ein eigenes Theaterstück wert. Und auch ein gewisser Bob Dylan rückt nicht zwischen Kaffee und Abendbrot die Rechte an jenem titelgebenden Song heraus, der im Film wie im Musical zu trauriger Letzt erklingt.

The Voice of Germany

Am Ende des kurvenreichen Kreativprozesses standen und stehen jedenfalls eine eigens gegründete Produktionsfirma (in bocca al lupo heißt übersetzt "viel Glück"), zwei Texter (Mehmert und Christoph Silber, Drehbuchschreiber von "Ich bin dann mal weg" und "Good Bye, Lenin!"), ein "zusätzlicher Songtexter" sowie zwei Komponisten, die 20 Titel im Rock-Pop-Geschmacksspektrum ertüftelten: Alex Geringas schrieb unter anderem für die No Angels und Christina Stürmer, Joachim Schlüter schuf die Musik zu "Käpt’n Blaubär – Der Film". In der Rolle des Martin gibt’s für die Fürther ein Wiedersehen mit Dominik Hees ("next to normal"), als Rudi ist Jonas Hein im Einsatz; er spielte in "Hair" und "Sunset Boulevard", 2012 nahm er teil an "The Voice of Germany".

Einen nicht zu kleinen Anteil an der Produktion nimmt die Choreografie (Simon Eichenberger) ein, so viel sei vorab gespoilert: Da Autos auf Theaterbrettern ausgesprochen schlecht manövrieren können, braucht es ein ganz eigenes Alternativ-Arsenal an Bewegungs- und Einfallsreichtum. Denn hier liegt für Mehmert eine der großen Herausforderungen, die Bühne mit ihrer vierten Wand gegen den Film mit seinen grenzenlosen Möglichkeiten, Freiheit in überbordenden Bildern zu beschwören. "Wir mussten eine Erzählweise finden, die nicht ins große Ausdekorieren ausartet." Vor allem seien es keine Bilderorgien, sondern die Songs, die ins Innenleben der Figuren schauen lassen. "Pack das Glück ein" heißt einer, "Wo kann nur der Himmel sein" ein anderer.

Ja, wo. Gil Mehmert über die Botschaft des Abends: "Man sollte das Leben feiern und sich seiner Sterblichkeit bewusst sein. Irgendwann klopfen wir alle an die Himmelstür."

"Knockin’ On Heaven’s Door", Stadttheater. Termine: Freitag bis Sonntag und 26. bis 30. Oktober (19.30 Uhr), 23./24./30. Oktober 15 Uhr. Karten in der FN-Geschäftsstelle (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77) und an der Theaterkasse.

Verwandte Themen


Keine Kommentare