Prozess um Raubüberfall auf Fürther Juwelier

8.2.2021, 16:17 Uhr
Polizeikräfte vor dem Juwelier Kuhnlein in Fürth, der am 13.07.2020 überfallen wurde.

© ToMa Polizeikräfte vor dem Juwelier Kuhnlein in Fürth, der am 13.07.2020 überfallen wurde.

Die Bedingungen für einen Raubüberfall waren ideal: Im Sommer 2020 waren in Läden Mund-Nasen-Bedeckungen bereits Pflicht - ein Räuber hätte das Risiko, ins Visier einer Überwachungskamera zu geraten, erheblich einschränken können. Doch der 50-Jährige, der am 13. Juli 2020 gegen 10.40 Uhr bei Juwelier Kuhnle in Fürth klingelte, fiel den dortigen Angestellten schon deshalb auf, weil er keine Maske trug.

Ein Überfall mit Pannen

Sieben Monate später wird auf einer Leinwand im Landgericht Nürnberg-Fürth die Aufnahme der Kamera gezeigt, und das Gesicht des Angeklagten lässt sich in Großaufnahme betrachten. Im Eingangsbereich des edlen Juwelier-Geschäfts in der Königstraße kramte er damals in einer Plastiktüte, zog eine Waffe hervor, genauer eine CO2-Pistole, und ließ sie fallen. Das Magazin löste sich aus dem Gehäuse, beides lag auf dem Fußboden. "Ich dachte, die Waffe sei kaputt, kurz habe ich überlegt, ob es eine Spielzeugpistole sein könnte, aber man weiß es ja nicht. Jedenfalls hat er dann gerufen, das ist ein Überfall", erinnert sich eine Mitarbeiterin des Juweliergeschäfts im Zeugenstand.

Eine slapstick-artige Szene wie aus einer Filmkomödie, kommentiert Michael Löwe, der Strafverteidiger des Angeklagten Horst V. (Name geändert), zu Beginn der Hauptverhandlung. "Ja, ja. das stimmt schon alles", sagt Horst V. zu den Vorwürfen, dann überlässt er weitere Erklärungen seinem Rechtsanwalt. Sein knappes Geständnis wirkt überzeugend, zerknirscht sitzt er neben seinem Verteidiger, immer wieder nickt Horst V. als die Verkäuferinnen aussagen.

Als Filmkomödie konnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Juweliergeschäfts die Szenen nicht empfinden, denn gerade weil Horst V. so tolpatschig agierte, hatten sie Angst. Juwelier Kuhnle wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach beraubt, einmal ging der Überfall binnen weniger Sekunden über die Bühne. Doch ein Täter, der mit sich selbst nicht zurecht kommt - vielleicht wirkt dies noch besorgniserregender. "Wir waren danach alle überzeugt, dass dieser Mann wohl psychisch krank ist", schildert eine Verkäuferin, und auch diese Vermutung trifft zu.

Drogen und psychische Probleme

Es war der Suchtdruck, der Horst V. zu der Tat trieb. Herr V., so beschreibt es sein Anwalt, leide an einer paranoiden Schizophrenie, immer wieder höre er Stimmen. Eine Drogenproblematik kommt hinzu. V. konsumierte seit etwa 2018 aufputschende Drogen, dazu Kräutermischungen. Und als der Konsum massiv wurde, kam es auch zu Problemen in der Familie, bis sich seine Frau von ihm trennte und ihn aus der Wohnung warf.

Im April 2020 wurde Horst V. ins Bezirkskrankenhaus eingewiesen, und als er im Juni wieder entlassen wurde, kam er nur in der Obdachlosenunterkunft in der Fürther Oststraße unter. Er war einsam, lebte von Sozialleistungen und sein Suchtdruck wuchs.

Eine Woche lang schmiedete er an seinem Plan, den Juwelier zu überfallen. Er erwarb die Gaspistole für 80 Euro und kaufte im gleichen Geschäft noch ein Outdoor-Messer mit einer Klingenlänge von 12 Zentimetern für 30 Euro.

Mit der Pistole kann ich euch "schöne Löcher in die Köpfe machen", schrie er im Geschäft, von einer Verkäuferin forderte er Geld und Schmuck. Sie steckte ihm 2570 Euro in seine mitgebrachte Plastiktüte, dazu eine Armbanduhr der Marke Rolex im Wert von 13 550 Euro.

Was Horst V. nicht ahnte: Die Mitarbeiter hatten den stillen Alarm aktiviert, mehrere Polizeistreifen waren bereits auf dem Weg zu dem Juwelier. V. forderte die Angestellten auf, sich auf den Boden zu legen, und als er durch die Fenster sah, dass Polizeibeamte auf der Straße standen, kündigte er erst eine Geiselnahme an, dann lief er unruhig im Laden hin und her.

"Er fragte laut, ob er jetzt besser aufgeben soll", erinnert sich eine Mitarbeiterin im Zeugenstand. Zu diesem Zeitpunkt lag sie am Boden. "Und ich überlegte mir wirklich gerade, wie sich so ein Kopfschuss wohl anfühlt", sagt sie. Doch nun gab Horst V. auf.

Eine Angestellte brachte ihn zur Tür und öffnete. Er ging auf die Knie, hob seine Arme und ließ sich von den Polizisten überwältigen.

Die Erinnerungen bleiben

Und heute? Eine der Mitarbeiterinnen ringt im Zeugenstand um ihre Fassung. Sie sei bereits am Tag nach dem Überfall gleich ins Geschäft gegangen, sagt sie. Sie sei überzeugt, dass es auch richtig war, die Angst nach dem Überfall auf diese Weise zu überwinden. Doch die Hauptverhandlung - und dies schildern Geschädigte und Zeugen immer wieder - ließ die Szenen des Überfalls wieder sehr lebendig werden. Sie hoffe, sie könne nun abschließen. Eine Kollegin warf die Kleidung, die sie an jenem Tag trug, einfach auf den Müll - mit dieser Geste, so erklärt sie, habe sie versucht, die Erinnerung an den Tag schlicht zu entsorgen.

Und Horst V.? Er nennt seine Tat heute "dumm, nichts anderes"; er sitzt in U-Haft und wünscht sich nun, dass er nach seiner Verurteilung auch die Chance auf eine psychiatrische Behandlung erhält. Auch sein Drogenproblem wolle er in den Griff bekommen. Das Gericht kalkuliert derzeit mit drei Verhandlungstagen.