Gastwirte begegnen Lockdown mit unterschiedlichen Konzepten

10.11.2020, 17:24 Uhr
 Eine Kundin übergibt Wirtin Sandra Hetzner aus Unterwurmbach das Geld für ihr bestelltes Essen.

© Gerald Ellinger  Eine Kundin übergibt Wirtin Sandra Hetzner aus Unterwurmbach das Geld für ihr bestelltes Essen.

"Wir sind mit dem Lockdown in den vollen Winterschlaf verfallen und haben alles eingestellt", erzählt Berta Jäger vom Jägerhof in Absberg. Der November sei unabhängig von Corona ein umsatzschwacher Monat, weil die Urlaubsgäste weg sind. Hinzu käme ein starkes Stadt-Land-Gefälle, weshalb sie derzeit auf ein To-Go-Angebot verzichtet. Erst zum ersten Advents-Wochenende möchte Jäger wieder loslegen. Sie weiß, dass der Teil-Lockdown viele ihrer Kollegen hart trifft. Denn Jäger ist auch die Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) für Weißenburg-Gunzenhausen.

Als "politischen Aktionismus, der jeglicher Grundlage entbehrt", bezeichnet die Präsidentin des DEHOGA Bayern, Angela Inselkammer, den Lockdown light. Denn laut Robert-Koch-Insitut finden lediglich 0,5 Prozent der Ansteckungen in Gaststätten statt, heißt es weiter.

Mithilfe der Online-Petition "Gastgewerbe: Die Türen müssen offen bleiben – Hygienekonzepte funktionieren!" sammelt der Verband Unterschriften, um darauf aufmerksam zu machen, wie schwer es die Branche trifft. Knapp 23.900 Menschen haben bereits unterzeichnet, die Petition richtet sich an den bayerischen Landtag. Auch Berta Jäger verteilt den Link und wünscht ihren Kollegen, die sich derzeit um ein Mitnahmeangebot bemühen, dass es sich lohnt.

Essen to-go ist für viele Neuland

Für Wolfgang Peszt etwa ist das Neuland. Während der ersten Zwangsschließung im Frühjahr hat er – außer am Muttertag – in seinem Gasthof "Höhenluft" in Oberhöhberg keine Gerichte zum Abholen angeboten. "Ich hatte Bedenken, dass ich mir die Zutaten hole und dann verkaufe ich sie nicht. Das war eine Entscheidung aus kaufmännischen Gesichtspunkten", sagt Peszt. Jetzt möchte er es jedoch probieren.

Zumal die Karpfensaison noch am Anfang steht. Denn die Fische, die er sich jetzt holt, könnten problemlos vier Wochen im Bassin schwimmen. Das Risiko sei jetzt also geringer im Gegensatz zum Frühjahr, wo sich die Saison bereits dem Ende neigte. Außerdem hat er die Entscheidung auch für seine Kunden getroffen: "Die wollen ja auch mal Essen gehen." Sozusagen.


Unverständnis für "Lockdown light": "Man gibt sein Bestes und wird bestraft"


Normalerweise hat der Wirt zwölf bis 15 Gerichte auf der Karte. Seine Abholkarte umfasst nun fünf davon, die per Vorbestellung geordert werden können. Speisen, die gängig sind, aber eben auch gut transportabel – und die zuhause auch noch schmecken. "Ein Braten mit Knödel bleibt lange warm und kann noch mal aufgewärmt werden. Ein Steak hingegen wäre bis dahin kalt und durch." Bei den Abholzeiten achtet der Wirt darauf, dass "Luft zwischen den Kunden ist", damit sie sich nicht begegnen.

Peszt erhofft sich durch das To-Go-Geschäft keine Riesen-Umsätze. Ihm sei bewusst, dass es am Land schwieriger sei, und Oberhöhberg sei nun mal ein kleiner Ort. Aber es sind schwierige Zeiten, und die "Höhenluft" müsse sich irgendwie über Wasser halten. Aber Peszt hat auch Verständnis für die angeordneten Maßnahmen, denn am Ende "zählt ein Menschenleben immer mehr als das Geschäft".

Für die Familie Amende und ihr Team bringt der als "light" (leicht) bezeichnete Lockdown hingegen ein vorzeitiges Saisonende – auch wenn noch Steakwochen, Karpfen und eine Suppenzeit geplant waren.

Der Dezember lohnt sich nicht

Die Amendes betreiben das Gasthaus "Zum Hochreiter" in Enderndorf, das nun für vier Monate zu sein wird. Seit Jahren macht das Gasthaus im Januar und Februar Betriebsurlaub. Nun kommt der Lockdown-Monat November hinzu, und für den Dezember lohne es sich nicht, den Betrieb wieder hochzufahren, sagt Laurence Amende, der die Küche leitet, sein Vater Klaus führt den "Hochreiter".

"Der Dezember wird eh ein schlechter Monat, da keine Weihnachtsfeiern stattfinden werden und auch die Weihnachtsfeiertage versprechen nicht den normalen Umsatz", begründet Amende die Entscheidung. Zumal sie mit einer Verlängerung des Lockdowns rechnen. Auch am Betriebsurlaub halten sie fest, da ihre Gäste das bereits so kennen und die Werbungskosten, dass sie doch geöffnet hätten, zu hoch wären – auch wenn es ein seltsames Gefühl sei, vier Monate geschlossen zu haben und die Entscheidung schwer fiel.


Wie der Einzelhandel den "Lockdown light" bisher verkraftet


"Aber auch wir brauchen unseren Urlaub und die freie Zeit mit der Familie", sagt Amende. Um die Verluste aus dem Frühjahr auszugleichen, verzichtete der "Hochreiter" auf den zweiten Ruhetag und hatte im Sommer sechs Tage geöffnet. Nun bauen die Mitarbeiter Überstunden und Urlaub ab, bevor sie in die Kurzarbeit gehen.

Laurence Amende und seine Familie wollen die Zeit jetzt nutzen, "das Beste daraus machen und Sachen erledigen, die sonst liegen bleiben". Aktionen für das kommende Jahr planen, die Homepage aktualisieren, Arbeiten an Haus und Garten durchführen und Mitarbeiter suchen. Denn unabhängig von Corona sei es mittlerweile schwer, Personal für die Gastronomie zu finden.

Gastwirte begegnen Lockdown mit unterschiedlichen Konzepten

© Foto: Gerald Ellinger

"Die ersten zwei Tage war’s mau, aber jetzt geht es langsam aufwärts", resümiert Sandra Hetzner die erste Lockdown-Woche. Sie betreibt den Gasthof "Schwarzer Adler" in Unterwurmbach, der auch unter dem Namen Seßler bekannt ist. Als die Ankündigung der Regierung kam, war für Hetzner sofort klar, dass sie wieder Essen zum Mitnehmen anbieten wird. "Ich muss ja von irgendwas leben. Zwar muss ich keine Miete zahlen, aber momentan zählt jeder Cent, der rein kommt", sagt sie mit Blick auf die laufenden Kosten, Mitarbeiter und Reparaturen.

Die zugehörige Metzgerei bringt etwa ein Drittel des Umsatzes ein, den Rest spielt normalerweise die Gaststätte rein, sagt Hetzner. Das To-Go-Geschäft helfe zwar, doch "es fehlen die Getränke, die Stammtische und der Frühschoppen am Sonntag", zählt die Wirtin auf. Auch während der ersten Zwangspause bot das Gasthaus Speisen zum Abholen an. "Da waren wir noch etwas vor den Kopf gestoßen und mussten erst herausfinden, welche Möglichkeiten wir haben", erzählt die Unterwurmbacherin. Denn der Seßler sei vorher keine Gaststätte gewesen, wo viel abgeholt wurde. Diese Erfahrungen helfen nun.

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