Lehrermangel an Schulen: Regierungspläne sorgen für Ärger

10.1.2020, 06:13 Uhr
Die Personalsituation an Bayerns Grundschulen ist und bleibt angespannt.

© Peter Steffen/dpa Die Personalsituation an Bayerns Grundschulen ist und bleibt angespannt.

Er hatte es geahnt. Noch als er verkündete, die Lehrkräfte an den Grundschulen müssten in den nächsten Jahren mehr arbeiten als bisher, hatte Schulminister Michael Piazolo von den Freien Wählern um Verständnis gebeten. Der Lehrermangel mache das notwendig, hatte er gesagt und versprochen, sobald die Lage sich bessere, nehme er alles zurück.

"Seitdem brennt bei uns das Telefon", erzählt Sandra Schäfer. Unter ihren Kolleginnen und Kollegen herrsche "teils völlige Panik". Schäfer ist Grundschullehrerin, Rektorin, Personalrätin, Vorsitzende des Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenvereins. Sie weiß, wie die Stimmung ist unter den Lehrkräften, wie groß die Arbeitsbelastung, wie ausgeprägt der Frust.

"Ein ernsthaftes Problem"

Entsprechend harsch reagieren die Verbände. Bayern, sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), habe "ein ernsthaftes Problem, die Unterrichtsversorgung an Grund-, Mittel- und Förderschulen aufrechtzuerhalten". Grund sei eine verfehlte Planung, die allen Fakten zum Trotz auf die sich abzeichnende Krise nicht reagiert habe.

Lehrermangel an Schulen: Regierungspläne sorgen für Ärger

© Foto: Roland Fengler

Dass das ausgerechnet jene Lehrkräfte ausbaden sollen, die schon an den Schulen sind, stößt auf Ablehnung. "Enormen Sprengstoff" sieht etwa die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Lehrerverbände, die von einem "Sündenfall zulasten einer einzelnen Beamtengruppe" spricht.

Als hätten sie "bequeme Halbtagsjobs"

Tatsächlich trifft die Mehrarbeit nur Lehrkräfte an den Grundschulen, obwohl die Situation an den Mittelschulen ähnlich angespannt ist. Für Sandra Schäfer kommt das nicht überraschend. An den Mittelschulen zeichne sich nicht ab, dass sich die Situation entspannen werde, sagt sie. Das aber mache Modelle wie das des Arbeitszeitkontos hinfällig.

Lehrkräfte an den Grundschulen, so Piazolos Plan, sollen die nächsten fünf Jahre eine Stunde in der Woche mehr unterrichten, und danach wieder abbauen. In fünf Jahren, so hoffen seine Fachleute im Bildungsministerium, könnten wieder genügend Lehrkräfte zur Verfügung stehen, unter anderem, weil die Zahl der Studienplätze um 900 steigt.

Piazolo hat darauf verwiesen, dass an den Grundschulen der Anteil der Teilzeitkräfte besonders hoch ist. Sandra Schäfer ärgert das. Das wirke, sagt sie, als ob diese Lehrkräfte nicht ausgelastet seien, sondern "bequeme Halbtagsjobs haben. Das ist falsch. Viele von uns gehen deshalb in Teilzeit, weil sie sonst ihr Arbeitspensum nicht mehr schaffen."

Nur die halbe Miete

Denn die aktuell 21 Unterrichtsstunden für Teilzeitkräfte – Piazolo will sie anheben auf 24 Stunden – seien nur die Hälfte der Arbeit. Die andere Hälfte verteilt sich auf Vor- und Nacharbeiten des Unterrichts, auf Sozialarbeit, psychologische Arbeit, auf Elternarbeit und dergleichen mehr. Ein Thema vor allem in den Städten, zunehmend aber auch auf dem Land. "Für viele ist das in Vollzeit gar nicht leistbar", sagt Schäfer.

Ähnlich sei das mit dem sogenannten Sabbatjahr, das Piazolo streicht, oder mit dem vorgezogenen Ruhestand, den er von 64 auf 65 Jahre hinaufsetzt. Beides sei vor allem für ältere Lehrkräfte wichtig, die erschöpft und ausgebrannt sind und sich ihren Aufgaben zunehmend nicht mehr gewachsen fühlen.

 

Im Ministerium kennen sie die Kritik. Sprecher beschwichtigen, bis Mitte dieses Jahrzehnts sei alles wieder im Lot, und selbstverständlich rede das Haus mit den Verbänden. Piazolo sagt, er sei "für Vorschläge dankbar", wie die Probleme sich lösen ließen, auch wenn das eigentlich die Aufgabe seines Hauses wäre.

Das Ministerium winkt ab

Nach Ansicht der Gewerkschafter und Lehrervertreter liegen die Vorschläge längst auf dem Tisch. "Wir haben die Situation ja nicht zum ersten Mal", sagt Sandra Schäfer. Regelmäßig verlangen die Interessenvertreter, dass das Studium angepasst gehöre: Alle Lehramtsanwärter sollten auch an allen Schularten unterrichten können.

Das Ministerium winkt ab. Es sei "ein Qualitätsmerkmal" des bayerischen Systems, dass "die Lehrkräfte schulartspezifisch ausgebildet werden", heißt es dort. Durchlässigkeit soll es künftig zwischen den Studiengängen geben, nicht aber danach. Der Effekt: Für Gymnasien und Realschulen sind die Wartelisten lang, bei den Grund-, Mittel- und Förderschulen herrscht eklatanter Mangel.

Dabei steigen auch dort die Anforderungen mit Migration und Inklusion, mit neuen pädagogischen Konzepten, mit Eltern, die den Druck auf die Lehrkräfte erhöhen, nicht nur bei den Noten. Gut 25.000 unterrichten derzeit an den Grundschulen; die meisten verdienen noch immer deutlich weniger als ihre Kollegen an den weiterführenden. Das hält Sandra Schäfer für einen fatalen Fehler. "Frappierend, wie kurzfristig die Politik denkt", sagt die Nürnbergerin. "Wer etwas ändern will, muss an die Ausbildung und an die Besoldung ran." Wenn das nicht geschehe, sagt sie, "wird die Attraktivität unseres Berufs nicht steigen." Und das Problem damit nur weiter wachsen.

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