Mit Seilzug und Gassigehen gegen die Tristesse

8.4.2020, 10:10 Uhr
Mit Seilzug und Gassigehen gegen die Tristesse

© Foto: Schmitt

Eine Verschiebung der Olympischen Spiele schmerzt nicht nur den Geldbeutel der Organisatoren, sondern vor allem die Spitzenkräfte aus Nischensparten, deren vergleichsweise bescheidendes Auskommen von zeitlich begrenzten Fördermitteln abhängt. Am emotional nicht minder belastenden Szenario, eine vielleicht einmalige Karriere-Chance zu verpassen, schrammte Ringer Fabian Schmitt wiederum knapp vorbei. Weil die eigene Gewichtsklasse (55 kg) nicht zum olympischen Programm zählt, hätte der 27-jährige Mittelfranke höchstens als Nachrücker nominiert werden können. "Es wäre ohnehin unrealistisch, einen der schweren Kaliber zu verdrängen. Den Unmut von Kollegen, die ihren gesamten Vorbereitungszyklus auf dieses Traum-Ziel abgestimmt haben, kann ich nachvollziehen", erklärt der beim SV Johannis Nürnberg ausgebildete Schmitt, der den Verzicht auf die Wettkämpfe in Tokio aber freilich für unvermeidlich hält.

Persönlich betroffen durch die Absage der Deutschen Meisterschaften und der Schließung des Studios beim SC Oberölsbach, in dem der Sport- und Fitnesskaufmann neben seiner Funktion als Trainer der Ringer in Teilzeit angestellt ist, muss auch Schmitt seinen Alltag umgestalten. Nach dem frühen Aus in der Qualifikation zur EM im Februar und einem Erholungsurlaub ist aktuell noch nicht absehbar, ob sich Schmitt zumindest ab Herbst wieder auf der Bundesliga-Matte für den SV Wacker Burghausen präsentieren kann. "Ich merke, dass ich nicht ausgelastet bin. Mir fehlt etwas", gesteht der Oberasbacher, der beim Radfahren, Joggen oder Hanteltraining allein die Grundlagen bearbeitet. Ringer-Grifftechniken lassen sich mit einem speziellen Workout im eigenen Garten nur im Ansatz simulieren.

Mit Seilzug und Gassigehen gegen die Tristesse

© Illeditsch/privat

Als Veranstalter Felix Walchshöfer per Videobotschaft verkündete, dass der Challenge Roth in diesem Sommer nicht stattfinden wird, überkamen Elena Illeditsch die Gefühle. "Ich habe erstmal weinen müssen", verrät die 29 Jahre alte Langdistanz-Triathletin, die es 2015 nach dem Studium in die Oberpfalz verschlug. Derlei Ausbrüche von Trauer, Wut und Enttäuschung sind im extremen Ausdauerbereich angelegt, doch brechen sich selten so abgekoppelt von einem Rennen Bahn. Verständlich ist die Reaktion der Wahl-Neumarkterin allemal, hatte sie den prestigeträchtigen Wettbewerb am 5. Juli zu ihrem Jahreshöhepunkt erkoren. Mit der finanziellen Unterstützung der Hotelkette Dormero im Rücken, löste Illeditsch für 2020 eine Profi-Lizenz und wollte im weiblichen Spitzenfeld mitmischen.

Noch im Februar absolvierte die Lauchheimerin ihre erste Standortbestimmung beim Ironman Dubai über die Mitteldistanz in 4:16 Stunden, ehe sämtliche Planungen hinfällig wurden. "Man hangelt sich so durch und kämpft mit der Motivation", beschreibt Illeditsch ihren aktuellen Trainingsstand, der nicht an die üblichen 16 bis 20 Stunden in Belastungswochen heranreicht. In zwei von drei Disziplinen sind die Abläufe für die erprobte Einzelkämpferin quasi unbeeinträchtigt, der Schwimm-Ersatz mit Zugseil ist indes gewöhnungsbedürftig. Struktur und Bestätigung gibt vor allem der Vollzeit-Job in einem Ingenieurbüro. So gerät zugleich die Frage, ob der Sponsor seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert, zunächst in den Hintergrund. "Ich kann das nicht beeinflussen und hoffe einfach, dass im Herbst noch der eine oder anderen Wettkampf stattfindet."

Mit Seilzug und Gassigehen gegen die Tristesse

© Foto: Rosinger

Der schönsten Erfahrung seiner Laufbahn als Berufsfußballer, die Teilnahme am Viertelfinale des DFB-Pokals mit dem Außenseiter Sportfreunde Lotte gegen Borussia Dortmund im März 2017, schloss sich für Bernd Rosinger eine kräftezehrende Achterbahnfahrt an. Erst über den Umweg Homburg kehrte der Stürmer zurück in die Heimat und versöhnte sich mit der Vergangenheit, doch nun macht ihm die neuerliche Geduldsprobe mehr zu schaffen als der Sehnenabriss im Oberschenkel damals. "Auch wenn nur deine Behandlung am Vereinsgelände stattfindet, nimmst du ja trotzdem Teil am Fußballeben und hast dein Comeback-Ziel im Blick."

Mit Seilzug und Gassigehen gegen die Tristesse

© Härteis/privat

Heute dagegen ist "mit der Lage nicht zu spaßen" und das Ende der Unterbrechung deshalb immer noch ungewiss. Die harte Vorbereitung mit dem ambitionierten Bayernligisten SV Seligenporten "ist für den Arsch", ärgert sich Rosinger. Jogging-Runden und die vom Trainer übermittelten Stabilisationsübungen für zu Hause erfüllt der Woffenbacher mit "überschaubarer Motivation", dem Ballspiel im Garten könne nicht einmal der Chihuahua viel abgewinnen. Ansonsten bleibt noch der Konsolen-Fußball. Die unverhoffte Freizeit für Hund und die Freundin dagegen "sehe ich als positive Seite", erklärt Rosinger.

Mit dem Werkzeug, das ihm dereinst den Weg in die erweiterte Weltelite im Tennis ermöglichen soll, kann Johannes Härteis dieser Tage wenig anfangen. "Den Schläger ab und zu in die Hand nehmen und Bälle herumschubsen. Mehr geht zu Hause nicht." Sich auf dem Platz wie sonst im Durchschnitt über 15 Stunden pro Woche dem spielerischen Feinschliff widmen darf der zwischenzeitlich beim 1.FC Nürnberg weiter geformte Jung-Profi aus Postbauer-Heng nicht. Sein Neumarkter Heim-Trainer Walter Otto hegt zwar die Hoffnung, für das Privattraining nach Ostern irgendeine Form von Ausnahmegenehmigung zu erhalten, aber bis dahin steckt sein 24-jähriger Schützling in der Warteschleife.

In der Weltrangliste auf Platz 342 notiert, wollte Härteis nach einem vier- bis sechswöchigen Konditions- und Kraftblock Mitte April eigentlich wieder auf der internationalen Bühne angreifen. Der eingeschlagene Weg, sich über Challenger-Turniere für die Felder der erstklassigen Kategorien zu empfehlen, erscheint durch die Entwicklungen – die Tour-Termine sind bis zum 7. Juni ausgesetzt – allerdings unsicherer denn je. "Es ist nicht klar, welche Turniere nachgeholt werden, wo die Ranglistenpunkte für die Qualifikation ausreichen", weiß Härteis. Ohne Preisgelder schlage die Pause trotz eingesparter Reisekosten früher oder später auch finanziell zu Buche. Der Linkshänder gibt sich pragmatisch. "Ich muss bereit sein, wenn es wieder los geht."

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