Abzocke per Anruf: Telefonbetrüger nutzen Corona-Trick

10.2.2021, 05:55 Uhr
Abzocke per Anruf: Telefonbetrüger nutzen Corona-Trick

© Foto: Sabine van Erp/Pixabay

Das Telefon klingelt - und es meldet sich das vermeintliche Enkelkind, das nach einem Unfall in Geldnot ist. Oder es ist ein Polizist, der vor einem geplanten Raub warnt und Wertsachen in Verwahrung nehmen will. Oder es sind Microsoft-Mitarbeiter, die Geld verlangen. Betrug per Telefon hat nach Angaben der Polizei stark zugenommen.

"Mir könnte das nicht passieren!" So mancher denkt, dass er hier sicher ist – und wird mitunter eines Besseren belehrt. Die Tricks, mit denen die Betrüger arbeiten, sind schließlich seit Jahren bekannt. Da ruft etwa der Mitarbeiter einer Organisation an und kündigt einen Gewinn an – allerdings seien zunächst Gebühren zu entrichten. Da ist ein Bankmitarbeiter am Telefon, der von einem geplanten Überfall berichtet und rät, Schmuck und Wertsachen an einen Kollegen abzugeben. Oder da ist ein Angehöriger, der in Geldnot ist.

Organisierte Banden

Michael Konrad vom Polizeipräsidium Mittelfranken fasst all dies unter "Callcenter-Betrug" zusammen. Meist handelt es sich hier um organisierte Banden, die ein perfektes "Logistik-Netzwerk" aufgebaut haben. Da sind zum einen die Strippenzieher und Anrufer, die oft im Ausland sitzen – und in (digitalen) Telefonbüchern nach Rufnummern suchen und dabei auf beliebte Vornamen der älteren Generation wie etwa "Magdalena" oder "Wilhelm" achten. Denn die Betrüger nehmen vor allem Senioren ins Visier.

Die Anrufer sind in der Gesprächsführung geschult und bauen einen unglaublichen Druck auf, um an Schmuck und Bargeld zu kommen. Mitunter dauert das Telefonat Stunden, oft rufen die Täter immer wieder an. Ist das Opfer endlich weichgekocht, dann kommen die Abholer zum Zug, die Geld und Wertsachen an der Haustür in Empfang nehmen.

Oft sind es Senioren, die nach der Telefonaktion feststellen: Unbekannte haben mich mit einer ganz billigen Masche übers Ohr gehauen. Polizeisprecher Michael Konrad sagt: "Die Betrüger agieren am Telefon sehr geschickt." Gerne melden sich die Täter mit den Worten: "Hallo, rate mal, wer dran ist!" Wenn der Angerufene den Namen der Tochter oder des Enkelsohns nennt, dann haben die Betrüger schon den Fuß in der Tür.

Immer neue Maschen

Der Polizeisprecher berichtet: "Die Betrüger lassen sich immer neue Maschen einfallen." Seit Corona taucht etwa folgende Masche auf: Ein angeblicher Krankenhausmitarbeiter berichtet am Telefon von einem Angehörigen auf der Intensivstation. Um eine möglichst gute Behandlung garantieren zu können, müsse man schnell die Behandlung bezahlen.

Aufklärungskampagnen seien hier unglaublich wichtig. So wurden im Jahr 2018 in 37 Fällen Menschen hier in Mittelfranken um ihr Geld gebracht, im Jahr 2019 wurden lediglich fünf Betrugsfälle verzeichnet. "Das lag auch an unserer starken Präventionsarbeit", erläutert Michael Konrad. Doch nicht jeder, der per Anruf um sein Geld gebracht wird, meldet sich bei der Polizei – zu groß ist oft die Scham. Und so sagt der Pressesprecher: "Es gibt eine gewisse Dunkelziffer." Im Jahr 2020 gab es hier einen deutlichen Anstieg – die genauen Zahlen werden erst in einigen Wochen bei Vorstellung der Kriminalstatistik bekanntgegeben.

Bitter ist auch: "Die Schäden sind oft immens. Mitunter geht es da um die Lebensersparnisse im sechsstelligen Bereich." So wurde vor einigen Tagen ein älterer Nürnberger, der seiner Enkelin helfen wollte, um 83 000 Euro gebracht – der Senior hob in seiner Bank erst 38 000 Euro, nach einem erneuten Anruf noch 45 000 Euro ab. Da stellt sich durchaus die Frage: Wie gehen Banken hier mit dem Thema um?

Bei der Sparkasse Nürnberg etwa kennt man das Problem. Im Zuge der Pandemie hat man zwar keine auffälligen Häufungen festgestellt, allerdings kommt es immer wieder zu diesen Betrugsfällen. Deshalb werden die Mitarbeiter und Auszubildenden hier regelmäßig geschult.

Eine Gratwanderung

"Wir sind extrem sensibilisiert", sagt etwa Sabine Pantke, Serviceleiterin der Geschäftsstelle am Lorenzer Platz. Für die Mitarbeiter sei das allerdings oft eine Gratwanderung. "Es ist schließlich das gute Recht des Kunden, über sein Geld zu verfügen." Wenn der Kunde plötzlich einen hohen Betrag abheben möchte, dann sei man aber auch in der Sorgfaltspflicht. So werde der Kunde gefragt, wofür er das Geld denn benötige. Möchte der Kunde das Geld in bar abheben, fragen die Mitarbeiter, ob eine Überweisung nicht besser sei. Zudem sprechen die Mitarbeiter das Thema Betrug an und geben dazu ein entsprechendes Infoblatt der Polizei weiter.

"Die Kundin war schockiert"

Sabine Pantke hat es in ihrer Geschäftsstelle schon selbst erlebt, dass eine ältere Kundin eines Tages einen ungewöhnlich hohen Betrag abheben wollte: Ein Polizist habe nach einem Autounfall ihres Enkels angerufen und verlange Geld zur Schadensregulierung, berichtete die Frau aufgeregt. Die Sparkasse fragte nach, schließlich hielt die Kundin bei ihrer Familie Rücksprache und stellte fest: Die Geschichte vom Autounfall war erstunken und erlogen. "Die Kundin war schockiert." Auch wenn dieser Fall gut ausgegangen ist, so erleben es Sabine Pantke und ihr Team immer wieder, dass Kunden, die plötzlich hohe Geldbeträge abheben möchten, "wenig zugänglich sind" für Sicherheitshinweise.

Das kennt auch Stefan Walz von der VR Bank Nürnberg. Der Leiter des Bereichs Privatkunden sagt: "Wir sind hier in engem Austausch mit der Polizei." Wenn ein Kunde einen hohen Geldbetrag abheben möchte, dann organisiert man die Übergabe in einem separaten Raum – und die Mitarbeiter sprechen dann den Kunden auf das Thema Telefon-Betrug an. "Doch das ist oft das Schwierige", sagt Walz. So wollte eine Kundin Mitte 2020 15 000 Euro "für die Verwandtschaft" abheben – und ließ sich auch nicht davon abbringen, als die Bank das Thema Enkeltrick ansprach. Wenig später meldete sich die Frau wieder: Unbekannte hatten sie geprellt, das Geld war weg.

Auch bei der Sparda-Bank Nürnberg kennt man die Betrugsmasche, man schult die Mitarbeiter regelmäßig. So sagt Pressesprecher Frank Büttner: "Unsere Mitarbeiter sind bei diesem Thema hochsensibilisiert und sprechen einen Kunden umgehend an, wenn sie außergewöhnliche Abhebungen registrieren."

Die Polizei indes weitet ihre Präventionsarbeit aus. Pressesprecher Michael Konrad sagt: "Über Twitter oder Facebook sprechen wir die jüngere Generation an – damit diese ihre Großeltern warnen kann."

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