Ansteckungsrisiko: Wie Corona das Demonstrationsrecht beeinflusst

29.4.2020, 10:56 Uhr
Der DGB darf diesmal am 1. Mai nicht demonstrieren. Aktionen finden im Netz statt.

© Foto: Günter Distler Der DGB darf diesmal am 1. Mai nicht demonstrieren. Aktionen finden im Netz statt.

Feiertage können sich die Umstände, in die sie fallen, nicht aussuchen, doch kurz vor dem 1. Mai ist der Befund bitter: Hunderttausende sind in Kurzarbeit, unser Land steht vor einer Rezession. Und zum "Tag der Arbeit" bleiben die Fahnen und Trillerpfeifen im Schrank.



Statt zur Demonstration ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zum infektionsfreien Live-Stream im Internet auf. Seit 1949 ziehen die Gewerkschafter durch die Straßen, 2020 wird der 1. Mai digital gefeiert, man will keine Infektionen riskieren. "Natürlich wären wir auch in diesem Jahr gerne raus. Aber die Gesundheit hat Vorrang. Es muss alles getan werden, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Solidarisch ist man nicht alleine! Das diesjährige Mai-Motto könnte daher nicht passender sein", sagt Stephan Doll, Regionsgeschäftsführer des DGB.

"Kampftag nicht nehmen lassen"

"Der DGB sagt den 1. Mai ab. Wir begehen ihn!" mit dieser Losung wirbt dagegen die "Revolutionäre Front". Entschlossen, sich den "internationalen Kampftag der Arbeiterklasse" nicht nehmen zu lassen, wolle man um 10 Uhr vom Aufseßplatz zum DGB-Haus am Kornmarkt ziehen, selbstverständlich mit "Fahnen, Reden, Liedern und Parolen", und "diszipliniert mit dem nötigen Sicherheitsabstand", wie es in einer Presseerklärung heißt. Anträge auf acht verschiedene Versammlungen mit insgesamt etwa 1000 Teilnehmern liegen derzeit beim Ordnungsamt, sagt Vize-Chef Robert Pollack.

"Bewegte Umzüge" will die Behörde nicht genehmigen, jedoch Kundgebungen von einer Stunde Dauer an vorher festgelegten Stationen. Jeweils 50 Teilnehmer samt Lautsprecherwagen sollen gestattet werden, so können die Menschen genügend Abstand voreinander halten. Die Auflagen werden in Gesprächen mit der Polizei noch genau geklärt. "50 Teilnehmer", so sagt Robert Pollack, "sind mehr, als bislang von Gerichten gestattet wurden". Tatsächlich betonte das Bundesverfassungsgericht gleich in seiner ersten Corona-Entscheidung am 9. April, dass der Staat zu Beginn der Krise, in der akuten Notlage, Grundrechte einschränken darf, doch mit jedem Tag die Anforderungen für Verbote wachsen.

Man kann auch sagen: Je besser die Wissenschaft das Virus versteht, desto besser können Entscheidungen erklärt werden – und desto gründlicher müssen sie auch erklärt werden, schließlich geht es um viel.

Die Versammlungsfreiheit ist Grundlage einer streitbaren Demokratie, und gerade in Krisen-Zeiten ist solch ein Grundrecht von zentraler Bedeutung. So wurde das Demonstrationsrecht in den letzten Wochen begrenzt, letztlich wohl aufgehoben und nun werden Lockerungen langsam sichtbar: So durften beispielsweise in Nürnberg vergangene Woche 20 Menschen am Eingang zur Straße der Menschen eine Mahnwache abhalten – und am 1. Mai wird es in jedem Fall mehrere Kundgebungen geben.

Weniger Grund zu protestieren, gebe es auch in Zeiten von Corona nicht. In dieser Erkenntnis sind sich DGB und die Autonomen einig. Doch während auf der Homepage des DGB um 11 Uhr ein Livestream mit Künstlern, Gesprächen und Forderungen starten wird, macht die linksautonome Szene trotzdem für den 1. Mai mobil. In Berlin, wo höchstens Kundgebungen mit nicht mehr als 20 Personen erlaubt sind, fordert die autonome Szene zu Aktionen auf. Und auch in Nürnberg ist die Polizei aufmerksam: Einzelne Gruppen rufen zu "revolutionären Spaziergängen" auf.

Unterdessen hat der Ministerrat am Dienstag auf Vorschlag von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) beschlossen, dass Demonstrationen bis 50 Personen ab 4. Mai unter bestimmten Voraussetzungen wieder zulässig sind. Für den 1. Mai habe Minister Herrmann die Verwaltungsbehörden zu Großzügigkeit angehalten, meldete die Süddeutsche Zeitung. Die Ämter sollen bei ihrer Einzelabwägung schon jetzt die Maßstäbe der kommenden Verordnung anwenden.


Die Anzahl der Corona-Infizierten in der Region finden Sie hier täglich aktualisiert. Die weltweiten Fallzahlen können Sie an dieser Stelle abrufen. Sie haben selbst den Verdacht, an dem Virus erkrankt zu sein? Hier haben wir häufig gestellte Fragen zum Coronavirus zusammengestellt.


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