Böses Erwachen in Nürnberg: Gepäck in Flixbus gestohlen

3.3.2020, 05:45 Uhr
Auf dem Weg von Brüssel nach Nürnberg verschwand das Gepäck einer Architekturstudentin in einem Flixbus spurlos.

© Boris Roessler/dpa Auf dem Weg von Brüssel nach Nürnberg verschwand das Gepäck einer Architekturstudentin in einem Flixbus spurlos.

Es kommt ihr gar nicht in den Sinn, ihm nicht zu vertrauen. Er wird schon gut darauf aufpassen, denkt Anna Wagner, als sie – wie die anderen Reisenden auch – ihr Gepäck dem Busfahrer überlässt. Dann steigen die 19-Jährige und ihre Freundin Luisa Lutz in den Flixbus.


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Es ist Nacht in Brüssel, die beiden jungen Frauen kommen gerade aus ihrem Urlaub, den sie im nordfranzösischen Clais verbrachten. In der belgischen Hauptstadt steigen sie jetzt mit den anderen Fahrgästen in einen Bus um, der Richtung Nürnberg fährt. Von ihrem Sitzplatz aus kann die Architekturstudentin ihren Rucksack nicht mehr sehen.

Endlich. Mit einer halben Stunde Verspätung, um 23.40 Uhr, startet der Busfahrer den Motor und fährt auf die Autobahn. Es ist die Nacht zum 21. September 2019. Was Anna Wagner zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Diese Fahrt wird sie noch Monate danach beschäftigen.

Mehrere Reisende betroffen

Um 10.45 Uhr nähert sich der Fernreisebus schließlich dem Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) in Nürnberg. Völlig übermüdet steigen beide Frauen aus. Der Fahrer öffnet die Ladeklappen, doch ihr Rucksack ist nicht mehr da. "Ich war nicht die Einzige, die Gepäck vermisste. Drei weitere Reisende waren noch betroffen", sagt die 19-Jährige gegenüber der Lokalredaktion. Sie selbst habe den Bus nach ihrem Rucksack durchsuchen müssen, Hilfe vom Fahrer habe sie nicht bekommen.


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Der guckt dann aber auf die Uhr. Es eilt, er müsse weiter, habe er zu verstehen gegeben. "Er kümmerte sich nicht weiter um uns, sondern wollte schnellstmöglich den Busbahnhof verlassen, was er dann auch tat", erzählt sie. Ein weiterer Mitarbeiter schickt die Frauen zur Information am ZOB, dort erhalten sie einen Zettel mit einem Online-Link für "Verlorenes oder Vergessenes". Und die Botschaft, dass sie wohl wenig Chancen haben werden, ihr Gepäck wiederzusehen.

Kreditkarte gesperrt

Was aber war alles weg? Der Rucksack selbst, die Kreditkarte, Bargeld (100 Euro), ein Action-Camcorder, Schuhe, Sandalen und zig Kleidungsstücke. Gesamtverlust: 515 Euro. Schnell verdichtet sich der Verdacht, dass der Rucksack in Brüssel gestohlen wurde. Der Bus fuhr dort um 23.40 Uhr ab, bereits um 0.18 Uhr versuchte jemand nachweislich in Brüssel mit der Kreditkarte Geld abzuheben. Nach weiteren Anläufen hatte der Täter auch Erfolg, 138 Euro waren weg. "Ich hab nach der Ankunft natürlich sofort die Karte sperren lassen." Später ersetzte die Sparkasse Nürnberg den ergaunerten Betrag komplett.

Die Studentin steht auf dem Standpunkt, dass der Busfahrer das Gepäck "nicht ordnungsgemäß" überwacht habe. "Es handelt sich hier um große Fahrlässigkeit." Nach der Reise hat sie versucht, mit Flixbus Kontakt aufzunehmen. Vergeblich. "E-Mails wurden nicht beantwortet. Wenn ich anrief, landete ich in endlosen Warteschleifen."

Schadenersatzforderung an Flixbus

Es vergingen Tage, Wochen. Dann entschied sie sich, dem Busunternehmen ein Einschreiben mit einer Schadenersatzforderung zu schicken. Wieder keine Reaktion. Dann sendete sie ein zweites Einschreiben mit Rückschein. "Der Brief blieb auch unkommentiert." Auch bei der Polizei spricht sie vor, bekommt aber zu hören, dass man da nicht viel machen könne.


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Die junge Frau wendet sich an die Lokalredaktion. Auf Nachfrage bei Flixbus heißt es, dass das Unternehmen "mehr als 60 Millionen Fahrgäste pro Jahr" aufnimmt. "Mit den steigenden Fahrgastzahlen erhöht sich auch das Volumen des beförderten Gepäcks und damit die Fallzahl der verlorenen oder vergessenen Gegenstände im Bus", berichtet Sprecherin Franziska Köhler. Von "Diebstahl" wolle sie noch nicht sprechen. "Es tut uns leid, wenn Frau Wagner zunächst keine Reaktion von uns erhalten hat", entschuldigte sie sich.

Wertsachen als Handgepäck

"Da wir aber ein Linienbetreiber sind, ist die Haftung bei Gepäckverlust gemäß EU-Richtlinien im Gegensatz zu klassischen Reiseanbietern begrenzt", sagt sie. Um einen Verlust zu vermeiden, rate sie den Fahrgästen, ihr Gepäck mit Gepäckband zu kennzeichnen und Wertsachen als Handgepäck in den Innenraum des Busses mitzunehmen.

 

 

 

Anfang Februar hat das Unternehmen Anna Wagner erstmals geschrieben, Monate nach dem Diebstahl in Brüssel. Flixbus bittet darin um eine Auflistung der "entwendeten Gegenstände" mit Artikelnamen, Marke, Kaufdatum, Anschaffungswert und um die "Zusendung der dazugehörigen Belege". Die Ersatzpflicht werde geprüft, heißt es.

Am 17. Februar meldet sich Flixbus ein weiteres Mal. Diesmal mit einer Nachricht, die Anna Wagner zufriedenstellt: "Aufgrund unserer Gesamtwürdigung möchten wir Ihnen eine Zahlung in Höhe von 250 Euro aus Kulanz – und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – anbieten." Tage später überwies Flixbus den Betrag aufs Konto der Studentin.