"Das war außergewöhnlich": Eine Bilanz zu den Nürnberger Sommertagen

7.9.2020, 05:55 Uhr
Das Riesenrad mitten auf dem Hauptmarkt: Dem Rathaus einmal so aufs Dach zu steigen, fanden viele reizvoll.

© Michael Matejka Das Riesenrad mitten auf dem Hauptmarkt: Dem Rathaus einmal so aufs Dach zu steigen, fanden viele reizvoll.

Achterbahn fahren mitten im Herzen der Stadt, vom Riesenrad den Blick auf den Hauptmarkt genießen oder im Autoscooter auf Crashkurs gehen – viele, vor allem jüngere Leute und nicht wenige Touristen hatten daran ihren Spaß. Die "Nürnberger Sommertage" machten es möglich – nach gut fünf Wochen war am Samstag Zapfenstreich.

Gedacht sowohl zur Belebung der Innenstadt wie als Ersatz für das Volksfest lockten Karussells und Buden auch auf dem Jakobs- und Aufseßplatz sowie an der Veit-Stoß-Anlage in Gostenhof, dazu ein Biergarten auf der Insel Schütt.

Die Bilanz fällt, abhängig vom jeweiligen Standpunkt, erwartungsgemäß nicht einmütig aus. Kritik hatte sich vor allem an der Belegung des Hauptmarkts entzündet. Aber die Schausteller und die Verantwortlichen an der Stadtspitze sprechen von einem Erfolg und sind zufrieden.

Keine Ansteckungen

Große Erleichterung herrscht vor allem, weil es offenkundig zu keinerlei zusätzlichen Infektionen durch das Coronavirus kam – trotz mancher Befürchtung gab es dafür nicht die geringsten Anzeichen. Andernfalls hätten die Gesundheitsbehörden umgehend mit rigiden Einschränkungen reagiert.

Auch sonst blieb alles friedlich, zum Glück kam es zu keinen Unfällen oder sonstigen Störungen. Nicht zuletzt habe das zusätzliche Angebot dazu beigetragen, das Freizeitgeschehen in der Altstadt zu entzerren und zu verteilen, das bucht Lorenz Kalb auf der Haben-Seite. "Wir wollten beweisen, dass Schausteller ihren Job machen können", betont der Vorsitzende des Süddeutschen Schaustellerverbands, "und das ist uns auch gelungen".

Nicht umsonst mache das Nürnberger Konzept inzwischen in anderen Städten die Runde. Und gerade die Szenerie am Hauptmarkt sei von Besuchern "tausendfach" fotografiert und über die sozialen Netzwerke verbreitet worden. "Das war Tourismuswerbung pur."

Das wurde vermisst

Gut gelaufen seien die Sommertage in erster Linie für die Fahrgeschäfte, nicht nur auf dem Hauptmarkt, außerdem für Spielgeschäfte wie Geschicklichkeits- und Wurfbuden. "Da zeigt sich, dass die Menschen genau das vermisst haben", meint Kalb. Natürlich waren die Standplätze nicht gleichwertig, räumt er ein. Dabei reichten aber selbst an stark frequentierten Orten die Einnahmen nicht, um die Ausfälle zu kompensieren, die die Branche bis Juli verkraften musste und die ihr im Herbst noch drohen. Dabei gehe es, so Kalb, nicht allein um die Familienbetriebe des eigenen Verbands. "An uns hängen auch viele Zulieferer und Dienstleister."


Die Sommertage sind vorbei: Alles andere als beliebig - Ein Pro-Kommentar


"Viele sind dankbar, dass wir dieses Freizeitvergnügen und damit auch in Corona-Zeiten ein wenig Normalität ermöglicht haben. Das höre ich besonders von Familien", fasst Wirtschaftsreferent Michael Fraas zusammen. Auch aus dem Einzelhandel und der Gastronomie hätten ihn positive Rückmeldungen erreicht.

Eher gebremst ist die Begeisterung dagegen bei Christian Schadinger. dem Chef der Noris Inklusion, die Menschen mit Behinderung beschäftigt. Der Verband betreibt am Hauptmarkt das Café "Tante Noris". Nach langem Kampf habe man heuer zum ersten Mal zwei Tische draußen unter die Rathaus-Arkaden stellen dürfen. Doch mit den hohen Bauzäunen vis-à-vis habe die neue Außenbestuhlung leider nicht zum Verweilen eingeladen. Schadinger findet: "Da war die Wuchtigkeit das Problem." Die Umsätze der "Tante Noris" seien entsprechend unbefriedigend ausgefallen. Man hoffe jetzt auf einen schönen Herbst, ohne Bauzaun.


Nürnberger Sommertage: Ein schönes Fest am falschen Ort - Ein Contra-Kommentar


Auch die großen Fraktionen im Stadtrat machten die Runde über die Veranstaltungsplätze, um eigene Eindrücke zu sammeln. "Wir haben uns sowohl tagsüber wie auch abends umgesehen", versichert Stadtrat Andreas Krieglstein als Chef des CSU-Fraktion. Er bescheinigt den Veranstaltern, sich viel Mühe gegeben und einen insgesamt stimmigen Ansatz gefunden zu haben, um Bürgern etwas zu bieten, die nicht verreisen konnten oder wollten. "Und die Regeln wurden ganz überwiegend eingehalten."

Hohe Anforderungen

Von den aktuellen Erfahrungen gleich auf das kommende Jahr zu schließen, hält Krieglstein für verfrüht. Große Bedeutung habe die Auswertung nun zunächst für die – hoffentlich mögliche – Gestaltung des Christkindlesmarkts. "Denn es ist klar, dass da hohe Anforderungen zu erfüllen sind, um räumliche Engpässe zu vermeiden, vor allem rund ums Thema Alkohol."

"Schon ein Erfolg" war der ungewöhnliche Auftritt in der Innenstadt für Claudia Arbackyj. Die Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion ist erleichtert, dass es keine Covid-19-Infektionen gab. Die Schausteller hätten sich in Sachen Hygiene enorme Mühe gegeben. Die Frage einer Wiederholung stehe im Raum, sagt die Sozialdemokratin. "Aber ich gehe nicht davon aus. Das war außergewöhnlich." Grundsätzlich gehöre das Volksfest auf den Volksfestplatz.

Grüne im Riesenrad

Kurz vor Torschluss ist Grünen-Stadträtin Andrea Friedel mit ihrer Familie noch schnell Riesenrad gefahren, um sich selbst ein Bild zu machen. Sie war begeistert und findet es generell gut, dass die Schausteller einen Auftritt bekamen. Über die Dichte der Fahrgeschäfte auf dem Markt könne man allerdings diskutieren, sagt sie: "Und ob eine Wilde Maus hier wirklich passend ist?"

Dass wegen Corona "alles an Gestaltungsregeln weggewischt wird, was wir über Jahre erkämpft haben", fürchtet Elisabeth Most, die Vorsitzende des Bürgervereins Altstadt. Sie hoffe nicht, dass die "Sommertage" zum Tabubruch und wiederholt werden. Weniger Fahrgeschäfte auf Nürnbergs wichtigstem Platz wären besser gewesen. Most fragt: "Hat das wirklich sein müssen?"

Ausgerechnet während der Pandemie seien so viele Menschen in die Altstadt gezogen worden. Doch Most weiß auch: "Einem Teil hat’s gefallen, einem Teil nicht." Zu den positiven Corona-Effekten zählt sie dagegen die mit Tischen und Stühlen belegten Parkplätze etwa in der Inneren Laufer Gasse oder in der Bergstraße. Das hätte normalerweise einen Aufschrei gegeben, so Most. Jetzt stelle man fest: "Das geht doch."

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