Ein Bergmassiv, eine Märchenfigur oder Blüten

Grabsteine werden immer individueller

1.11.2021, 05:00 Uhr
Vom Jura-Studium zur Steinbildhauerin: Melanie Herzog-Gebsattel. Hier gestaltet sie einen Stein mit Märchenmotiv.  

© Günther Krenz, NN Vom Jura-Studium zur Steinbildhauerin: Melanie Herzog-Gebsattel. Hier gestaltet sie einen Stein mit Märchenmotiv.  


Eine Stele aus Sandstein, gekrönt von einer kleinen Tränke, an der zwei zarte goldene Vögel sitzen. Die Vorstellung, dass sich auch nach dem Tod lebendige Vögel auf dem Grabstein niederlassen, hat etwas Tröstliches. Ein Stapel in Stein gehauene Bücher, das oberste ist aufgeklappt und trägt den Namen des Menschen, der hier ruht. Sechs Steine, rund wie riesige Kiesel, aufgeschichtet zu einer Säule, tragen die Namen der Familienmitglieder, die hier liegen.
Ein Grabstein soll den Verstorbenen würdigen – und immer häufiger soll er auch individuell sein und „die Persönlichkeit, das Leben oder das Wirken des Menschen spiegeln“, wie Melanie Herzog-Gebsattel feststellt.

Grabsteine werden oft mit anderen Materialien verbunden, wie hier mit Glas.  

Grabsteine werden oft mit anderen Materialien verbunden, wie hier mit Glas.   © Günther Krenz, NN


Die 32-Jährige ist Steinbildhauerin. Ihr Mann Günther Gebsattel ist Inhaber von „Natursteine & Grabmale G. Krenz“ am Nürnberger Westfriedhof. Die Geschichte des Betriebes reicht bis ins Jahr 1878 zurück. Günther Gebsattel ist seit 1997 im Betrieb. Er hat als Steinmetz-Lehrling bei der Firma Krenz begonnen und die Firma im Jahr 2009 übernommen.

Die Bischofsmütze als Motivvorlage für einen passionierten Wanderer.  

Die Bischofsmütze als Motivvorlage für einen passionierten Wanderer.   © Günther Krenz, NN

Als Melanie Herzog-Gebsattel ihren Mann kennenlernt, studiert sie noch Jura. 2016 fällt sie eine Entscheidung, die ihrem Leben eine völlig neue Richtung gibt – weg von Akten, hin zum Handwerk. Sie lässt sich zur Steinbildhauerin ausbilden. „Man sieht bei dieser Arbeit direkte Erfolge, das, was man mit seinen Händen schafft, bleibt sehr lange“, sagt sie.

Mit ihrem Mann Günther Gebsattel gestaltet Melanie Herzog-Gebsattel Grabmale und andere Objekte aus Stein.  

Mit ihrem Mann Günther Gebsattel gestaltet Melanie Herzog-Gebsattel Grabmale und andere Objekte aus Stein.   © Günther Krenz, NN


Natürlich gebe es weiterhin klassische und monumentale Grabplatten oder -steine. Aber inzwischen haben sie und ihr Mann eine Vielzahl von außergewöhnlichen Grabsteinen geschaffen. „Wir haben ein Mühlrad für einen verstorbenen Müller aus dem Stein gehauen“, erzählt sie. „Bei einem anderen haben wir die Bischofsmütze, ein Bergmassiv, das der Tote geliebt hat, in den Stein gemeißelt. Eine Familie hatte für ihre Mutter Märchenmotive gewählt, weil diese Märchen so liebte.“

Verwittern lassen
oder pflegen? Und wenn ja, wie?

Die Steinbildhauerin arbeitet mit Meißel und Hammer. „Natürlich kommt auch mal so etwas wie ein Kompressorhammer zum Einsatz, aber es bleibt Handarbeit“, sagt sie. „Man kann diesen Beruf auch gut als Frau ausüben. Wir nutzen ja auch Portalkräne, um die Steine zu transportieren. Nur, ich bin nur knapp über 1,60 Meter groß. Wenn ich einen 1,40 Meter hohen Stein mit der Sackkarre transportieren muss, wird es etwas kritisch“, sagt sie lachend.

Auch solche Grabsteine sind heute möglich.

Auch solche Grabsteine sind heute möglich. © Günther Krenz, NN


Die Steinauswahl für Gräber ist groß, Kalk, Granit, Sandstein werden häufig verwendet. Mit welchem Stein man die Wünsche der Hinterbliebenen umsetzen kann, hänge von mehreren Faktoren ab. Wo befindet sich das Grab? Wie ist es Wetter und Vegetation ausgesetzt? Scheint die Sonne darauf, sodass der Stein vielleicht schimmert?
„Manche Menschen wählen auch Sandstein, weil er weicher ist und die Spuren der Zeit sich schon nach einem Jahrzehnt zeigen und damit die Vergänglichkeit“, sagt Melanie Herzog-Gebsattel.

Eine Vogeltränke ziert diesen Stein.

Eine Vogeltränke ziert diesen Stein. © Günther Krenz, NN

Aber man kann Grabsteine auch pflegen. „Es gibt natürlich Spezialreiniger bei Steinmetzen, aber in jedem Fall macht man mit einer weichen Wurzelbürste und Wasser nichts falsch“, sagt die Expertin. „Auf keinen Fall sollte man Metall oder Draht, wie er oft in Gebinden ist, auf den Stein legen.

Die Wünsche werden individueller: Ein Mühlstein erinnert an einen Müller.  

Die Wünsche werden individueller: Ein Mühlstein erinnert an einen Müller.   © Günther Krenz, NN

Denn der Rost, der entsteht, lässt sich nicht mehr entfernen. Und auch die Drahtbürste ist tabu, aus ihren Bürstenhaaren können sich Partikel lösen, die sich in den Poren des Steins absetzen und dort rosten.“


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Kerzen bergen ebenfalls Gefahren, sie sollten auf Pflanzenölbasis und gut belüftet sein, um Ruß oder Platzen zu vermeiden.

Ein klassisches Maria-mit-Kind-Motiv, modern umgesetzt, ziert dieses Grab.  

Ein klassisches Maria-mit-Kind-Motiv, modern umgesetzt, ziert dieses Grab.   © Günther Krenz, NN


Manche Steine haben eine besondere Farbe, mal bläulich, weiß oder beige wie Granit. Andere – meist aus Indien – sind bunt oder roséfarben, während blaugraue aus Norwegen importiert werden. „Heimische Materialien sind inzwischen mehr gefragt, auch im Sinne der Nachhaltigkeit“, so die 32-Jährige. „Wenn wir Steine importieren – wobei wir dabei derzeit wegen der Pandemie auch von Lieferverzögerungen betroffen sein können –, dann sind es welche, die zertifiziert ohne Kinderarbeit abgebaut werden.“

Die Trauer, aber auch
der Trost sind tägliche Begleiter

Schon die rohen Steine sind wertvoll. Hat sie manchmal Angst, einen Stein zu zerstören? „Ganz fremd ist mir das Gefühl natürlich nicht, manches lässt sich auch noch ausbügeln, beispielsweise bei floralen Motiven. Ansonsten muss man diese Bedenken ausblenden.“

Auch diese Hände schuf Melanie Herzog-Gebsattel für einen Grabstein. Vorbild war ein Bild aus der Sixtinischen Kapelle.

Auch diese Hände schuf Melanie Herzog-Gebsattel für einen Grabstein. Vorbild war ein Bild aus der Sixtinischen Kapelle. © Günther Krenz, NN


Ihr Beruf ist nicht nur körperlich fordernd. Melanie Herzog-Gebsattel und ihr Mann erleben täglich Leid, Trauer und Verlust. „Je intensiver man sich mit dem Leben des Verstorbenen beschäftigt hat, desto länger denkt man darüber nach“, sagt sie. Vor allem, wenn sie ein Kindergrab gestalten, lasse einen das nie ganz los. Dass ihr Mann mit ihr zusammen diesen Beruf ausübe, helfe beiden.

Neben Individualität sind pflegeleichte Gräber mit wenig Pflanzanteil gefragt.   

Neben Individualität sind pflegeleichte Gräber mit wenig Pflanzanteil gefragt.    © Günther Krenz, NN

„Es ist wichtig, dass man miteinander darüber sprechen kann.“ Manchmal scheint die junge Frau über ihren Lebensweg zu staunen: „Als Teenager hätte ich mir nie vorstellen können, eines Tages Grabsteine zu erschaffen. Doch mittlerweile erlebe ich, wie viel Trost und Liebe mit dieser Arbeit verbunden sind, sodass ich es heute völlig anders sehe.“

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