Jerusalema-Challenge: Nürnberger Kliniken wagten in Krisenzeit einen Tanz

21.12.2020, 09:14 Uhr
Jerusalema-Challenge: Nürnberger Kliniken wagten in Krisenzeit einen Tanz

© Standfest/privat

"Na toll! Wieso haben denn Klinikmitarbeiter in der Krise Zeit, einen Tanz einzustudieren?". Das schreibt einer unter das Video der Erler-Klinik. In nur drei Tagen haben es bereits fast 10.000 Menschen gesehen. Der kritische Kommentar bildet die Ausnahme. "Danke, ich hatte eine Gänsehaut". Oder: "Ihr habt mein Herz berührt" - es sind Sätze wie diese, die sich häufiger darunter finden.

3 Minuten und 52 Sekunden lang ist zu sehen, wie sich Mitarbeiter der Erler-Klinik tanzend und hüpfend durch die Gänge des Hauses bewegen. In Turnschuhen oder in grünen OP-Clogs mit Abstand und Maske und vor allem: mit Hingabe.

Hintergrund des Ganzen ist die Jerusalema-Challenge. Namens- und Taktgeber ist das Lied "Jerusalema" aus der Feder des südafrikanischen Komponisten und Produzenten - oder mit bürgerlichem Namen: Kgaogelo Moagi. Der Rhythmus geht gut voran, aber die Stimme erdet das Lied wieder und verleiht ihm eine unerwartete Tiefe. Mit dieser Mischung unterscheidet sich das Lied wohltuend von so mancher schnellen Ballermann-Tanzhitnummer und ist wie geschaffen für ein ungewöhnliches Jahr wie dieses.


Video: So cool tanzt das Fürther HLG die Jerusalema Dance Challenge


Kein Wunder also, dass sich in der ganzen Welt Teams und Mannschaften von Feuerwehr, Polizei, Flughäfen, von Supermärkten und Tierheimen, Pflegeheimen sowie etliche Schüler anstecken ließen und nun in eignen Videos auf Youtube zu diesem Beat tanzen. Mal gekonnt, mal eher gewollt - ein jeder nach seiner Art. Hauptsache mit Leidenschaft.

"Das ist doch auch was für uns!"

Kerstin Standfest hat den Tanz in die Erler-Klinik gebracht. "Ich hatte vorher gesehen, dass sich Kolleginnen auf Facebook darüber ausgetauscht haben", sagt die Sprecherin der Klinik. Da wurde sie neugierig. Als sie das Video der St.-Barbara-Klinik in Hamm (Nordrhein-Westfalen) gesehen hat, war sie sich sicher: "Das ist doch auch was für uns!"

Sie fragte über die interne Kommunikation an, wer Interesse hätte. "Sofort haben sich 70 Mitarbeiter gemeldet", sagt sie. Von da an gab es kein Halten mehr. Nach der Arbeitszeit wurde der Grundschritt geübt. Man schickte sich abends stolz die Fortschritte per Video zu. "Schau mal, läuft doch schon ganz gut." Oder man lachte gemeinsam über völlig missglückte Szenen aus dem Wohnzimmer.

Was danach einsetzte, bezeichnet Kerstin Standfest als "flow". Gedreht wurde in den Mittagspausen und nach Dienstschluss. Mitarbeiter, die sich vorher gar nicht gemeldet hatten, machten spontan mit. Nach all der Belastung wirkte die Performance plötzlich wie ein Befreiungstanz. "Wir konnten die Kamera einfach laufen lassen und es hat fast alles auf Anhieb gepasst", ist die Organisatorin Tage danach immer noch fasziniert.

"Hinter dieser Botschaft stehen wir"

Ähnlich schildert es Ecem Ucar von der 310Klinik. Auch die Leiterin für Marketing und Kommunikation hat erfolgreich fast die Hälfte der Belegschaft für das Projekt zusammengetrommelt. Das Team dort hat seine Message gleich noch als Text in das Video gepackt: "Die schwierigste Zeit in unserem Leben ist die beste Zeit um innere Stärke zu entwickeln", heißt es. "Hinter dieser Botschaft stehen wir", sagt Ecem Ucar. Sie betont, dass es nicht um Selbstdarstellung geht, sondern um ein Signal nach außen: Verliert nicht den Mut, gemeinsam stehen wir das durch! Auch hier hat man außerhalb der Arbeitszeit geübt, getanzt und gefilmt.

Und was antwortet man nun jemandem, der sich darüber auslässt, dass die Klinikmitarbeiter wohl nichts besseres zu tun haben als herumzutanzen? "Weil wir trotz dem ganzen Stress auch noch versuchen ein normales Leben zu führen und für jede Ablenkung dankbar sind in dieser harten Zeit", steht unter dem Kommentar. Kerstin Standfest ist dazu übergegangen, die Meckerer generell nicht überzubewerten: "Wir erfreuen uns lieber an den vielen, vielen Menschen, die uns Zuspruch schicken."

Jerusalema-Challenge: Nürnberger Kliniken wagten in Krisenzeit einen Tanz

© Ucar/privat

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