Maly geht: Warum 2020 in Nürnbergs Rathaus alles möglich ist

5.1.2020, 05:37 Uhr
Thorsten Brehm (links) kämpft für die SPD um den OB-Posten, Marcus König geht für die CSU ins Rennen.

© NN Thorsten Brehm (links) kämpft für die SPD um den OB-Posten, Marcus König geht für die CSU ins Rennen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass in den ersten Januartagen alles auf Anfang steht. Was das neue Jahr für Nürnberg bringt? Mit absoluter Sicherheit können wir an dieser Stelle nur eines prophezeien: 2020 wird das mit Abstand spannendste Jahr seit langem in der Stadtpolitik.


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Denn alles neu macht der März. Weil Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) bei der Kommunalwahl nicht mehr antritt, haben die OB-Kandidaten der anderen Parteien erstmals wieder eine ernsthafte Chance auf eine Mehrheit.

Maly geht: Warum 2020 in Nürnbergs Rathaus alles möglich ist

© Foto: Stefan Hippel

"Lichtgestalt der SPD"

Bislang war eine Kandidatur gegen Maly, die "Lichtgestalt der SPD", wie ihn Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unlängst bezeichnet hat, eine ziemlich undankbare Aufgabe; ein Vorhaben, dem das Scheitern innewohnte. Bei der OB-Wahl 2014 holte der SPD-Politiker 67,1 Prozent der Stimmen, sein CSU–Herausforderer Sebastian Brehm kam nur auf 24,1 Prozent. Die Kandidaten der anderen Parteien rangierten unter ferner liefen.

Ähnlich eindeutig sah das Bild sechs Jahre davor aus: 2008 erreichte Maly 64,3 Prozent, sein damaliger Herausforderer von der CSU, Klemens Gsell, holte 27,4 Prozent. Von Nachteil sollte die Niederlage am Ende übrigens weder für Brehm noch für Gsell sein. Brehm sitzt heute im Bundestag und Gsell ist bekanntlich Schulbürgermeister. Aber das nur nebenbei.

Riesentriumph für die Konservativen

Doch jetzt werden die Karten neu gemischt, was gerade der gebeutelten Bayern-SPD die Schweißtropfen auf die Stirn treiben muss. Denn für die Genossen und ihren neuen Kandidaten Thorsten Brehm ist die OB-Wahl nach Malys Rückzug selbst in der (einstigen) SPD-Hochburg Nürnberg alles anderes als ein Selbstläufer. Auch um Stadtratssitze muss die aktuell größte Rathaus-Fraktion (31 Sitze) bangen.


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Die CSU hat dagegen erstmals wieder eine realistische Chance, mit Marcus König einen OB zu stellen. Es wäre ein Riesentriumph für die Konservativen. Denn das ist ihnen im Nachkiegs-Nürnberg bislang nur ein einziges Mal gelungen: mit Ludwig Scholz, der von 1996 bis 2002 an der Spitze der Verwaltung stand und den damaligen OB Peter Schönlein (SPD) überraschend in einer Stichwahl bezwungen hatte.

Auch die Grünen rechnen sich, beflügelt vom Aufstieg ihrer Kernthemen in der öffentlichen Wahrnehmung, echte Chancen aus. Sie wollen mit ihrer Kandidatin, der Landtagsabgeordneten Verena Osgyan, mindestens in die Stichwahl kommen. Ihren Optimismus nährte zuletzt auch die OB-Wahl in Hannover, wo mit Belit Onay ein Grüner mit Migrationshintergrund zum OB gewählt wurde – und die Vorherrschaft der SPD nach 73 Jahren beendet hat.

Im Rathaus laufen die Wetten

Nur zu gern hätten die Grünen schon nach der letzten Kommunalwahl mit der SPD angebandelt. Sie wähnten sich damals schon auf der Zielgeraden, als die Genossen die Öko-Partei abblitzen ließ. Am Ende setzte die SPD nämlich doch lieber auf die Fortsetzung der GroKo mit der CSU, weil Maly ein Befürworter einer breiten Mehrheit war, die es mit rot-grün so nicht gegeben hätte.

Das ist nachvollziehbar. Als Beobachter hätte man sich allerdings manchmal im Rat ein transparenteres Ringen der Parteien um Positionen gewünscht als das zuletzt bisweilen der Fall war.

Im Rathaus laufen derzeit Wetten darauf, dass die OB-Wahl erst in einer Stichwahl entschieden wird. Doch Kommunalwahlen folgen eigenen Gesetzen. Die Personen sind vielen Wählern sowieso wichtiger als deren Parteizugehörigkeit.

Die Entwicklung, dass sich Parlamente weiter ausdifferenzieren und die Rechte erstarkt, wird aber wohl auch vor Nürnberg nicht Halt machen: Man muss leider davon ausgehen, dass die AfD in den Stadtrat einzieht. Wenn sich die AfD in Nürnberg in ähnlicher Weise benimmt wie das andernorts zu beobachten ist, bedeutet das nichts Gutes für die Gesprächskultur im Rathaus. Bislang fielen hier nur die beiden rechtsradikalen Stadträte der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) negativ auf.

Neue Kräfteverhältnisse möglich

Die oft ausgrenzenden und teilweise rassistischen Provokationen der BIA wurden von vielen Stadträten und auch von Maly oft demonstrativ ignoriert, auch weil die Einlassungen der BIA manchmal so krude daherkamen, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung schwer vorstellbar war. Zieht die AfD ein, wird Ignorieren keine Lösung mehr sein, wie die Erfahrungen anderswo zeigen. Der AfD wird sich der Stadtrat stellen müssen.

Es wird also auf jeden Fall ein spannendes Jahr mit neuen Kräfteverhältnissen im Rathaus. Wir Nürnbergerinnen und Nürnberger haben es in der Hand, unsere Stimme am 15. März 2020 nicht ausgerechnet denen zu geben, die auf Ausgrenzung und Spaltung setzen.

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