Nürnberger Pfandleiher will Menschen in Not helfen - und wird bestraft

9.8.2020, 05:56 Uhr
Nürnberger Pfandleiher will Menschen in Not helfen - und wird bestraft

© Foto: Jürgen Petzoldt

Kurios, aber Gesetz: Menschen in Geldnot zu helfen, kann strafbar sein. Das hat ein Nürnberger Pfandleiher zu spüren bekommen, der jetzt wegen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften vor dem Amtsgericht stand.

Richard "Rick" Pomerance betreibt sein Pfandleihhaus im Nürnberger Westen schon seit 1994. Dort beleiht er alle möglichen Wertsachen, vor allem aber Fahrzeuge. Ihm gehört eine große Halle in der Höfener Straße. Wer schnell Geld braucht, bringt sein Auto zu Rick Pomerance. Dieser schaut den Wagen an und schätzt den Wert. Ist dieser hoch genug, zahlt Pomerance die gewünschte Summe aus, das Auto bleibt als Pfand bei ihm. Ist das Darlehen mit dem vereinbarten Zins zurückgezahlt, erhält der Kunde den Wagen zurück.

Doch Rick Pomerance, 69 Jahre alt, geboren in Miami und seit fast 50 Jahren in Deutschland lebend, ist nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern auch ein hilfsbereiter Mensch. Immer wieder kamen Menschen in akuter Geldnot zu ihm. Einen Bankkredit hätten sie kaum bekommen – und wenn, dann nicht schnell genug. "Die Bank braucht zwei bis drei Wochen für 2000 Euro", berichtet einer bei Gericht.

Manche von Pomerances Kunden hatten nur Autos als Wertsachen, brauchten diese aber dringend – zum Beispiel Spediteure oder Handwerker, die es sich nicht leisten konnten, ihre Lastfahrzeuge als Pfand in Rick Pomerances Halle stehen zu lassen. Also willigte der 69-Jährige mehrfach ein, nur den Fahrzeugbrief in Gewahrsam zu nehmen.

Überleben gesichert

Ein 61-jähriger Spediteur, dem Pomerance etwa 3000 Euro lieh, sagt: "Das Geschäft wird immer härter – wegen der Konkurrenz aus dem Osten. In meinem Alter ist man dann ganz schnell bei Hartz IV. Mit Hilfe von Herrn Pomerance konnte ich meinen Betrieb am Laufen halten." Nach eigenen Angaben half der Pfandleiher so auch einem gehbehinderten Ehepaar, das auf dem Land lebte, und einer schwangeren Frau, die vor ihrem prügelnden Mann ins Frauenhaus geflohen war.

Anfang 2017 ermittelte die Kripo gegen einen von Pomerances Kunden und fand bei ihm Pfandleihverträge, in denen stand, dass das Fahrzeug beim Darlehensnehmer verbleibe. Nun geriet Pomerance selbst ins Visier der Ermittler. Wenig später erhielt er Post von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), die ihn aufforderte, solche Geschäfte künftig zu unterlassen und die, die er bereits getätigt hatte, rückabzuwickeln. Wenn ein Pfandleiher Darlehen gewähre, ohne das vereinbarte Faustpfand in Gewahrsam zu nehmen, dann sei dies ein Bankgeschäft, für das er nicht die nötige Erlaubnis habe.

Später durchsuchte die Kripo auch Pomerances Geschäftsräume und Wohnung. Die Staatsanwaltschaft stellte fest, dass er zwischen 2013 und 2017 113 derartige Verträge über eine Gesamtsumme von gut 500 000 Euro abgeschlossen hatte. Allerdings beschränkten sich die Verträge auf wenige Kunden; teils waren es Verlängerungen, weil die Darlehensnehmer das Geld nicht fristgerecht zurückzahlen konnten.

Nun ist Rick Pomerance wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften beim Amtsgericht Nürnberg angeklagt – und versteht die Welt nicht mehr. "Ich wusste nicht, dass das unerlaubt ist", sagt er. "Ich habe das nicht aus Geldgier gemacht, sondern um Leuten in Krisen zu helfen."

Die inkriminierten Darlehensverträge hätten nur rund zwei Prozent zu seinem Umsatz beigetragen. Außerdem habe er mit ihnen fast nur Verlust gemacht, weil manche Kunden das Geld nicht zurückzahlen konnten und die Autos teils im Wert stark gemindert waren. "Aber für mich war das eine Mischkalkulation", berichtet Pomerance.

Auf dem Kieker

Er beklagt, andere Pfandleiher betrieben höchst fragwürdige Geschäftsmodelle, ohne dass die Behörden einschritten – etwa das Unternehmen Pfando, das den Kunden ihre Autos für die Hälfte des Wertes abkaufe, und diese es anschließend teuer zurückleasen müssten. Ihn dagegen habe die Bafin schon lange auf dem "Kieker", meint Pomerance und empört sich: "Warum kümmert sich die Bafin nicht um Wirecard? Weil sie ständig mit Rick Pomerance beschäftigt ist!" Er kritisiert, die Behörde ändere ständig ihre Rechtsauffassung. Ein Bafin-Beamter, der als Zeuge vernommen wird, sagt aber, Pfandleihgeschäfte ohne Ingewahrsamnahme des Faustpfandes seien schon immer verboten gewesen. Richterin Miriam Knetzger glaubt dem Angeklagten nicht, dass er nicht wusste, dass Geschäfte dieser Art verboten sind: "Sie machen das seit 1994. Sie sind doch sehr erfahren."

Außerdem wurde Pomerance bereits 2006 wegen derselben Straftat zu einer Bewährungsstrafe verurteilt – damals ging es allerdings um die Beleihung von Schecks. Schließlich gesteht Pomerance und entgeht so einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Seine Anwältin Melanie Sandhöfer sagt: "Es ist keinerlei Fremdschaden entstanden. Mein Mandant hat geringe kriminelle Energie gezeigt und nur sich selbst geschadet."

Rick Pomerance wird zu zehn Monaten Bewährungsstrafe verurteilt und muss 12 000 Euro Geldauflage an einen gemeinnützigen Verein zahlen. Die Richterin erkennt seine Hilfsbereitschaft an, betont aber: "Diese Art der Darlehensgewährung ist verboten. Punkt, aus!"

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