Nürnbergs Vereine klagen: Noch immer sind zu wenig Turnhallen geöffnet

15.10.2020, 05:57 Uhr
Mit Abstand und viel lüften: So wird in Hallen derzeit trainiert. Wie hier im Sportzentrum Nordost. Foto: Post SV Nürnberg

© Post SV Nürnberg, NNZ Mit Abstand und viel lüften: So wird in Hallen derzeit trainiert. Wie hier im Sportzentrum Nordost. Foto: Post SV Nürnberg

Erst 2021 geht's richtig los. Davon ist Ingo Ranzenbacher überzeugt. Dann weiß der Vorstand des VfL Nürnberg, wie hart Corona seinen Verein trifft. Bis Ende des Monats können Mitglieder beim VfL ihren Vertrag kündigen. Aktuell halten sich die Kündigungen in Grenzen. "Noch", sagt Ranzenbacher unsicher. Er vermisst für seine Mitglieder eine Perspektive.

Allein dem VfL fehlen fünf Hallen

Die liegt in den Turnhallen, im Fall des VfL in Langwasser. Noch immer stehen viele der Räume, die der Verein sonst nutzt, auf der roten Liste. "Uns fehlen fünf Hallen", sagt Ranzenbacher. "Wir haben 150 junge Leichtathleten, echte Talente. Für die muss ich einen Platz finden, wenn sie nicht mehr außen trainieren können." Die Abteilungen hätten sich im Sommer mit der Situation arrangiert, "jetzt fragen viele, wann sie ihren Sport wieder ausüben können".

Leere Turnhallen gibt es in Nürnberg noch jede Menge. Nur rund die Hälfte ist für Sportvereine geöffnet.

Leere Turnhallen gibt es in Nürnberg noch jede Menge. Nur rund die Hälfte ist für Sportvereine geöffnet. © Lukas Koschyk, NN

Christine Henneberger kennt das Problem. Sie leitet das Geräte- und Trampolinturnen beim ATV 1873 Frankonia, normalerweise in der Turnhalle des Pirckheimer-Gymnasiums. Aktuell ist das nicht möglich. Jeden Tag wächst die Lücke zu anderen Sportlern. "Ich habe zwar Online-Training gegeben, aber das federt auf die Dauer den Rückstand zu unseren Konkurrenten, die Hallen haben, nicht ab."

Wettkämpfe? "Leider ohne uns"

Den Trampolinturnern des ESV Rangierbahnhofs geht das genauso, weiß sie. Als Bezirksfachwartin im Bayerischen Turnverband plant sie die Wettkämpfe im Bezirk, "die dann leider ohne die zwei Vereine stattfinden". Sie müssen in die Halle, doch trotz eines Alarmsignals von Vereinen und Stadträten im September sei zu wenig passiert. Viele Sportclubs "kommen in arge Erklärungsnot und können ihre Mitglieder nicht mehr halten", sagt Henneberger.

Immerhin: Nach einem Treffen mit dem SportService der Stadt hat sie eine Halle für ihre Turnabteilung gefunden. Wenn auch nicht im Pirckheimer-Gymnasium. Warum aber können die Schulen dann dort Sport treiben? Für Henneberger ist das nicht nachvollziehbar.

Hans-Jörg Oehmke kennt die Antwort. Er leitet den Sportservice, der die Hallen gemäß einem Ampelsystem auf Rot, Gelb oder Grün stellt. Allerdings nicht für den Schulsport. "Da entscheidet der Schulleiter, ob in der Turnhalle Sportunterricht gemacht werden darf oder nicht", erklärt Oehmke. 62 Hallen hat die Stadt inzwischen für Sportvereine freigegeben.

Knapp die Hälfte, also 53 Sportstätten, stehen noch auf Rot, dürfen nicht genutzt werden. Es sind Hallen, die nicht über eine Lüftungsanlage verfügen oder in denen nicht über Fenster an beiden Seiten quer gelüftet werden kann. Einige davon werden nun - nach Hinweisen von Vereinen - noch einmal überprüft, ob nicht zum Beispiel über Türen nach draußen für Durchzug gesorgt werden kann. Aber: Der Zugang zum Schulgebäude muss immer verschlossen bleiben.

Hygienekonzept steht schon lange

Nasser Ahmed freut es zwar, "dass die Stadt sich bewegt hat". Und doch ärgert er sich. "Seit dem 13. Juli steht fest, wie ein Hygienekonzept für Hallen aussieht, das ging zu langsam", sagt der sportpolitische Sprecher der SPD. Zu spät habe die Stadt angefangen, die Turnhallen zu prüfen.

Hans-Jörg Oehmke sieht das anders: "Wir haben in den Sommerferien alle Hallen kontrolliert." Eben nach den vorgegeben Richtlinien. Jetzt wird nachjustiert und nach Lösungen für die Hallen gesucht, die auf der roten Liste gelandet sind. Zumal Oehmke weiß, dass "manche Vereine großes Pech hatten". Deshalb prüft die Stadt aktuell ein Konzept des SportService, das sogar Training in "roten" Hallen ermöglicht. Doch nur, wenn der Inzidenzwert im grünen Bereich liegt.

"Müssen den Sport neu denken"

Nasser Ahmed zeigt das Engagement, dass "wir einen großen Schritt weiter sind, die Verwaltung hat die Nöte der Sportvereine verstanden". Das findet auch Andreas Neugebauer. Der Austausch sei inzwischen viel besser, sagt der Vorstandsvorsitzende des Post SV. Ein Beispiel sei die Desinfektion der Toiletten. Die sollten die Trainer übernehmen und mit Putzzeug anrücken. Anders als bei der Reinigung der Geräte "kann ich das nicht auch noch von meinen Übungsleitern erwarten", sagt Neugebauer. Nun verlangt die Stadt das nicht mehr.

Im Trend: Bootcamps wie das des Post SV am Ebensee.

Im Trend: Bootcamps wie das des Post SV am Ebensee. © Post SV Nürnberg, NNZ

Für Neugebauer muss das Ziel sein, alle Hallen zu öffnen. Bis dahin machen seine Mitglieder, was im Freien möglich ist. Zum Beispiel auf den Schulhöfen, die ja auch Spielhöfe sind. Auf Anfrage der SPD sind diese nun auch für Sportvereine frei. Andreas Neugebauer hat Mitglieder gesehen, die eine Slackline durch einen Pausenhof gespannt haben. Kreativität ist gefragt, "wir müssen Sport neu denken", sagt der Chef vom Post SV. Vom Fußballplatz redet er seit diesem Sommer nicht mehr, "nur noch von Rasenflächen". Schließlich sei da nicht nur der Ball gerollt, "da wurde auch Thai Bo oder Rehasport gemacht". Draußen. "Und die Leute waren begeistert."