OB König über Corona-Regeln: "Wir setzen auf Vernunft der Bürger"

3.12.2020, 05:50 Uhr
OB König über Corona-Regeln:

© Ralf Rödel

Etliche Zeitungsleser und Internet-User fragen, ob die städtischen Maßnahmen überhaupt über die aktuellen Vorschriften des Freistaats hinausgehen. Sind es nur minimale Korrekturen?

Oberbürgermeister Marcus König: Wir gehen in vielen Punkten über die neunte Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hinaus. Zum Beispiel beim Verbot der Abgabe aller alkoholischen Getränke innerhalb der definierten Innenstadt-Zone. Bislang konnte man an der Museumsbrücke flanieren und einen Glühwein genießen, das ist jetzt nicht mehr erlaubt. Wir haben klare Beschränkungen der Versammlungsfreiheit: Nur 60 Minuten und ortsfest, also keine Demonstrationszüge. Das ist mehr als die im Freistaat geltende Regelung.

Wie sieht es bei den Seniorenheimen aus?

König: Wir haben die Vorschrift für Besuche in Seniorenheimen strenger gefasst: Eine FFP2-Maske ist nötig sowie ein dortiger Antigen-Test oder ein negativer Corona-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist. Auch das ist mehr, als Bayern vorschreibt. Ich könnte dazu noch etliche weitere Beispiele bringen.


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Sind die triftigen Gründe für Ausgangsbeschränkungen nicht viel zu locker? Danach kann jeder herumlaufen, wie er will.

König: Sagen Sie mir, welche ich streichen soll. Egal, was ich tue, es ist immer schwierig, die triftigen Gründe tatsächlich zu kontrollieren. Wie will man feststellen, ob jemand zum Arzt geht? Er hat ja vorher noch kein Attest. Wir bauen auf die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, ihre Kontakte auf das Nötigste zu verringern, damit die Infektionszahlen sinken. Wir setzen auf ihre Vernunft. Ziel ist es doch, dass sich die Leute bewusstmachen, dass es wirklich nötig sein muss, wenn sie aus dem Haus wollen. Ansonsten müssten wir ja ein Ausgangsverbot wie in Spanien oder Frankreich verhängen.

Ist das eine Option?

König: Nein, im Moment auf keinen Fall. Wir ziehen jeden Tag Bilanz, um zu sehen, wie sich die neuen Bestimmungen bewähren. Aber wir müssen den Maßnahmen auch eine Chance geben zu wirken. Ich vertraue darauf, dass die Ansteckungszahlen in den nächsten zwei Wochen sinken.

Wenn Sie das Alkoholverbot in der Fußgängerzone durchsetzen wollen, müssen Sie mehr kontrollieren.

König: Die Polizei wird ihre Kontrollen verstärken. Von Tag zu Tag mehr und nicht nur am Wochenende.

Mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft: Steigt nicht durch das Gedränge in Kaufhäusern und Geschäften die Infektionsgefahr? Hätte man nicht angesichts der hohen Infektionszahlen die Läden schließen müssen – wie im Frühjahr?

König: Nein, denn die Läden haben jetzt umfangreiche Hygienekonzepte, die sie im Frühjahr noch nicht hatten: Beschränkung der Kundenzahlen, Desinfektionsmittel in den Läden und Maskenpflicht, Kontrolle an den Eingängen. Doch hier sehe ich nicht die größte Ansteckungsgefahr. Die meiste Ansteckung passiert im privaten Umfeld. Wenn man die Geschäfte schließen wollte, müsste man eine bayernweite Regelung finden. Denn wenn sie nur für Nürnberg gilt, gehen die Kunden eben nach Fürth, Erlangen oder Schwabach. Damit ist nichts gewonnen.

Raten Sie Auswärtigen ab, derzeit nach Nürnberg zum Einkaufen zu kommen?

König: Wir hatten etliche Anrufe von auswärts. Meine Antwort: Bitte jetzt nicht nach Nürnberg hereinfahren. Wir sollen unsere Begegnungen mit Menschen so weit wie möglich herunterschrauben. Traditionell ist die Fußgängerzone in der Vorweihnachtszeit voll. Nach den jetzigen Ausgangsbeschränkungen können die Leute hier bummeln. Ich war heute in der Fußgängerzone unterwegs. Sie war sehr leer. Wie es am Wochenende wird, werden wir sehen. Aber noch einmal: Unsere Bestimmungen gehen dahin, dass die Menschen keinen ausgedehnten Bummel durch die Läden machen. Im Gegenteil: Sie sollen ihre Weihnachtsgeschenke gezielt besorgen, aber dann die City wieder verlassen.

Glauben Sie, dass Appelle helfen, oder braucht es nicht stärkere Maßnahmen? Sind die Vorschriften nicht zu lasch?

König: Ich meine schon, dass die Bürgerinnen und Bürger den Aufruf an die Vernunft beherzigen. Die gesamte Stadtspitze setzt darauf, dass die Maßnahmen wirken und die Infektionszahlen sinken.

Hätten Sie beim Wechsel von Distanz- und Präsenzunterricht nicht auch die Grundschulen mit einbeziehen sollen?

König: Darüber haben wir lange diskutiert. Das war wirklich eine schwere Frage. Aber zunächst einmal: Die Berufsschulen haben schon seit einer Woche Distanzunterricht. Von Montag an sind alle Schulklassen ab der fünften Jahrgangsstufe im Wechselunterricht – mit wenigen Ausnahmen. Das heißt, in den Bussen und Straßenbahnen wird es morgens im Berufsverkehr deutlich leerer sein. Das ist übrigens auch eine Maßnahme, die wir hier in Nürnberg getroffen haben und die weiter geht als der Freistaat. Außerdem sind Schwimm- und Sportunterricht landesweit noch möglich, bei uns aber nicht. Wir haben im Schulbereich also einiges bewegt. Aber den Grundschülerinnen und Grundschülern sowie ihren Eltern wollen wir den Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht ersparen. Ein Fünftklässler kann notfalls einige Stunden allein verbringen, ein Erstklässler braucht die Betreuung. Und wenn beide Eltern berufstätig sind, geht der Wechsel eben nicht. Es sind immer schwierige Abwägungen.


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Nürnberg ist die einzige deutsche Großstadt mit einem extrem hohen Sieben-Tage-Inzidenzwert von aktuell 365 Corona-Ansteckungen. Haben Sie dafür eine Erklärung?

König: Leider nicht. Es gibt viele Ansteckungen bei Privatfeiern, in Schulen und Seniorenheimen. Aber wir können keine Hotspots ausmachen. Das Infektionsgeschehen ist diffus.

Wie ist das bisherige Echo auf die Corona-Maßnahmen der Stadt?

König: Ganz unterschiedlich. Die einen sagen, es ist positiv, dass wir so rasch reagiert haben. Die Stadt sei auf einem guten Weg. Den anderen gehen die Einschnitte nicht weit genug, sie fordern mehr. Und eine dritte Gruppe teilt mir mit, dass es Corona gar nicht gibt und unsere Maßnahmen Quatsch sind. Sie behaupten, wir zerstören ihr Leben.

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