So sieht das Besucherkonzept am Zeppelinfeld künftig aus

14.3.2020, 05:16 Uhr
Das Besucherinteresse an der Zeppelintribüne – hier eine Führung mit "Geschichte für Alle" – ist größer als das Angebot. Das Publikum wartet auf neue Zugangswege.

© Michael Matejka Das Besucherinteresse an der Zeppelintribüne – hier eine Führung mit "Geschichte für Alle" – ist größer als das Angebot. Das Publikum wartet auf neue Zugangswege.

Wenn das Nazi-Bauwerk schon baulich gesichert werden soll, dann will man den künftigen Besuchern gleichzeitig mehr Erkenntnisgewinn als heute verschaffen. Erste Details aus dem Vermittlungskonzept für das Publikum der Zukunft verheißen eine Gratwanderung: Wissen über Mechanismen des Nationalsozialismus vermitteln, aber auch zum eigenständigen Denken anregen.


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"Wir wollen die Geschichtsvermittlung aus den automatischen Betroffenheitsritualen lösen", sagte Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) im Kulturausschuss des Stadtrats. Der Schauplatz Zeppelinfeld, der prominenteste Teil des Reichsparteitagsgeländes, sei ein "multisensorischer" Lern- und Begegnungsort, meinte die Projektleiterin im Kulturreferat, Annekatrin Fries. Sie stellte das Konzept vor, an dem Geschichtspädagogen der Universität Erlangen-Nürnberg mitarbeiten.

Den Vorteil des "begehbaren Exponats" gelte es mit Gegenwartsbezügen zu nutzen. ",Lernort‘ allein wäre zu wenig. Es geht auch um die Begegnung mit unserem eigenen Verhalten", sagte Fries. Dafür soll es für Besucher sogenannte Reflexionsorte geben: Stationen, die zum genauen Hinsehen oder Hinhören einladen, zum Beispiel an einer Sichtachse. Oder auf Adolf Hitlers Rednerkanzel. Die Kanzel werde im Moment überhaupt nicht erläutert, "wir halten das für dringend erforderlich".

So gut wie gesichert erscheint der Neubau eines Informationspavillons für den Ticketverkauf. Er soll am westlichen Ende der Tribüne stehen und rund 60 Besucher aufnehmen. Die Gäste sollen ihren Rundgang dann flexibel selbst abwickeln können, auch mit Hilfe von Digitalmedien. Die Eintrittskarte berechtigt auch zum Besuch des Dokumentationszentrums. Begehbar werden der Mittelbau der Tribüne, ein Treppenhaus, das Feld und ein Feldturm. Nebenräume der Tribüne sollen für Gruppen oder Schülerprojekte frei nutzbar bleiben. Auch für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte ist ein Zugang auf die Tribüne vorgesehen.

"Keinesfalls wird man Hitler-Reden hören können"

Gedanken machen sich die Wissenschaftler auch über den richtigen Weg, das bis heute anhaltende ästhetische Überwältigungspotenzial zu durchkreuzen. "Keinesfalls wird man Hitler-Reden hören können", heißt es in dem Entwurf. Stattdessen soll die Ausstellung an Beispielen
zeigen, dass Menschen auf selbstbestimmte Weise Anhänger der NS-Bewegung werden konnten. Im Goldenen Saal mit der Hakenkreuz-Mosaikdecke sollen Projektionen die politische Architektur aufbrechen.

Wichtig für Projektbetreuerin Annekatrin Fries: Das Zeppelinfeld bleibt für Freizeitaktivitäten geöffnet. "Wir wünschen uns, dass sich auf diesen Flächen als Gegensatz Bilder des demokratischen Miteinanders herausbilden." Bis auf dem Gelände beim Dutzendteich Veränderungen zu sehen sind, dauert es aber noch Jahre. Das Rathaus peilt derzeit an, im möglichen Kulturhauptstadt-Jahr 2025 die instand gesetzte Tribüne in Betrieb zu nehmen. Baubeginn soll 2022 oder 2023 sein. Die Stadt Nürnberg will die ersten Fachfirmen für die Sanierung jetzt im Frühjahr beauftragen. Die Ausschreibungen für die Ausstellungsplaner sollen im Lauf des Jahres folgen.

Die Kostenschätzung lag zuletzt bei 85 Millionen Euro; zwei Drittel davon wollen Bund und Freistaat tragen. Die zwischen 1935 und 1937 errichteten Bauwerke sind die einzigen fertiggestellten Teile des NS-Reichsparteitagsgeländes. Wegen Materialschwäche und Statikproblemen ist die Anlage seit mehr als zehn Jahren nur in Teilen betretbar.