Stammzellenspende: Nürnberger suchen nach Lebensretter

24.1.2020, 05:31 Uhr
Stammzellenspende: Nürnberger suchen nach Lebensretter

© Foto: Kunoth/privat

Es gibt Anrufe in der Redaktion, die gehen an niemandem spurlos vorbei. Dieser ist so einer. Die Dame am anderen Ende ringt hörbar um Fassung: "Vielleicht können Sie helfen", sagt sie stockend, "es geht um meine Schwiegertochter, Mutter von drei Kindern. Wenn nicht bald was geschieht ...". Der Rest des Satzes erstickt in einem Schluchzen.

Ihre Schwiegertochter ist Jasmin Sen-Kunoth. Eine 44-Jährige mit türkisch-ägyptischen Wurzeln, in Nürnberg geboren und aufgewachsen. Das Fränkisch ist deutlich hörbar. Derzeit ist sie zu Hause. Für ein Foto hat sich die Familie auf dem Sofa versammelt: ihr Mann und die drei Kinder – zwei, sechs und zehn Jahre alt. Man sieht, dass sie sich um ein Lächeln bemühen. Man sieht auch, dass es ihnen Mühe macht. 

Alle medizinischen Mittel sind ausgeschöpft

Eine schwere Zeit liegt hinter der Familie. Und eine quälend ungewisse vor ihr. Die Diagnose Blutkrebs hat alle aus der Bahn geschleudert. Zwei Chemotherapien hat Jasmin Sen-Kunoth über sich ergehen lassen, doch es handelt sich um eine besonders schwere Form von Leukämie. Nach der dritten Chemo würde sie als "austherapiert" gelten. Ein Fachbegriff, der nicht dramatisch klingt. Und doch beschreibt, dass alle medizinischen Mittel ausgeschöpft sind.


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Was es nun braucht, ist ein Lebensretter. Ein Stammzellenspender. Nur ein Drittel der Patienten findet innerhalb der Familie einen geeigneten Spender, teilt die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) mit. Der Großteil benötigt also einen nicht verwandten Spender. Jeder zehnte Patient in Deutschland findet keinen passenden.

Noch keine Übereinstimmung

Jasmin Sen-Kunoth gehört bislang zu diesen zehn Prozent. Grund hierfür ist ihre Abstammung: Für die Verträglichkeit von Knochenmarkspenden ist es häufig wichtig, dass Spender und Empfänger dieselbe Abstammung haben.

Schon seit Jahren beklagt aber etwa die DKMS, dass es zu wenig Spender mit Migrationshintergrund gibt. Türken hätten beispielsweise Gewebemerkmale, die selten bei Deutschen vorkommen.

Im Falle von Jasmin Sen-Kunoth konnte noch keine Übereinstimmung erzielt werden. Daher geht die Familie nun an die Öffentlichkeit. Jeder, der sich registrieren lässt, erhöht die Chance, dass sich doch noch der oder die Passende findet.


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Aus der Familie von Jasmin Sen-Kunoth kommt leider niemand infrage. Das Ehepaar versucht deshalb nun, auch gezielt türkische Kulturkreise anzusprechen. Durch Aushänge an Moscheen etwa oder durch Kontakte zu türkischen Medien und in den sozialen Netzwerken. In Nürnberg sind etwa 30.000 Menschen bei der DKMS registriert, nur von rund 300 Personen wurden bislang Stammzellen entnommen. Dennoch sollte, wer sich registrieren lässt, bereits die innere Bereitschaft mitbringen, im Ernstfall auch zu spenden, sagt Oberärztin Dr. Sabine Dressler vom Nordklinikum.

Die Entnahme des Knochenmarks selbst werde von den Spendern in der Regel als nicht dramatisch empfunden, sagt sie. Meist überwiegt das Gefühl, ein Lebensretter zu sein.

Mindestalter: 18 Jahre

Grundsätzlich kann jeder im Alter zwischen 17 und 55 Jahren als Stammzellspender registriert werden. Um dann bei der Suche berücksichtigt zu werden, muss man mindestens 18 sein.

Schlimm für die Familie ist, dass die Uhr unerbittlich tickt. Je eher geholfen werden kann, desto besser sind die Chancen. Die Familie hofft nun, dass möglichst viele sich registrieren, damit der Lebensretter, der hier irgendwo unterwegs ist, auch gefunden wird.

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