Steuerausfälle wegen Corona: Nürnberg bleibt handlungsfähig

24.3.2020, 05:54 Uhr
Der Neubau der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg geht weiter, auch wenn die Steuereinnahmen einbrechen.

© Foto: Roland Fengler Der Neubau der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg geht weiter, auch wenn die Steuereinnahmen einbrechen.

Wenn Firmen nichts produzieren, der Einzelhandel weniger verkauft und Restaurants und Hotels leer bleiben, dann wird auch das Aufkommen der Gewerbesteuer stark zurückgehen. Kämmerer Harald Riedel befürchtet, dass einige der geplanten größeren Investitionen geschoben werden müssen.

Mit 467 Millionen Euro an Einnahmen aus der Gewerbesteuer hat Riedel für dieses Jahr geplant. Das ist etwas weniger als 2019 und 2018, aber immer noch der größte Einnahmeposten der Stadt. "Bis März lief die Gewerbesteuer sehr gut. Mit 120 Millionen Euro liegen wir gut im Plan. Jetzt ist aber klar, dass Branchen wie die Gastronomie schon Einbußen haben", sagt Riedel.

Die Regelung, dass bei Corona-bedingten Einnahmeausfällen die Gewerbesteuer zinslos gestundetwerden kann, werde angenommen, berichtet der Kämmerer. "Derzeit kommen die kleineren Betriebe. Das Ausmaß kann man aber nicht abschätzen, weil niemand weiß, wie lange die Krise dauert. Wir können auch nicht von vorneherein die Gewerbesteuer erlassen. Aber wir passen Vorauszahlungen an." Das sei für Betriebe gedacht, die einen großen Einnahmeausfall haben. Direkt mit Geld helfe die Stadt nicht. Dafür seien Bund und Land zuständig.


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Um auf das Schlimmste vorbereitet zu sein, hat das Finanzreferat in der vergangenen Woche einen Stresstest bei der Gewerbesteuer durchgeführt. Die Variante mit den größten Steuerausfällen sah eine Halbierung der Gewerbesteuer vor. Berücksichtigt wurden auch Einnahmeverluste bei der Einkommensteuer, weil die Kurzarbeit zunimmt. "Die gute Botschaft ist, dass wir als Stadt handlungsfähig bleiben. Selbst bei der schlimmsten Variante bleiben wir 2020 liquide und können unsere Aufgaben erfüllen", sagt der Kämmerer.

Aus finanziellen Gründen müssten derzeit keine Projekte gestoppt werden. Es werde aber sicherlich noch zu Verzögerungen und Verschiebungen von Bauprojekten kommen. Als Gründe führt Riedel an, dass Baustellen vielleicht eingestellt werden, weil Handwerksbetriebe nur eingeschränkt arbeiten können. "Das ist aber noch nicht absehbar."

Prioritäten bei Projekten

Der Kämmerer verweist darauf, dass es noch nicht möglich gewesen sei, eine Prioritätenliste für Projekte zu erstellen. "Die wenigsten Projekte bei der Sanierung von Brücken oder im Schul- und Kinderbetreuungsbereich haben Zeit." Neben Verschieben ist auch Sparen eine Möglichkeit, den Haushalt zu entlasten. In der Verwaltung wird deshalb überlegt, Sachausgaben, die derzeit nicht unbedingt nötig sind, zu einem späteren Zeitpunkt zu tätigen.


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Allerdings bleibt von den Einsparungen wenig übrig, weil es Mehrausgaben durch die Folgen des Coronavirus gibt: Die Stadt stockt die Home-Office-Arbeitsplätze von 200 auf 1500 auf und muss dafür in den nächsten Wochen teure Technik anschaffen. Der Bedarf an Sicherheitskräften ist deutlich gewachsen, weil Schulhöfe vor Vandalismus geschützt werden müssen.

Großprojekte, die in diesem Jahr begonnen werden sollen, sind die Sanierung der Dr.-Gustav-Heinemann-Brücke (16 Millionen Euro), die Brücke Münchener Straße über die Bahn (7,6 Millionen Euro), der Bau des Radwegs Bartholomäusstraße-Wöhrder Talübergang (2,4 Millionen Euro), die Sanierung der Max-Beckmann-Schule (7,8 Millionen Euro), der Neubau der Kindertagesstätte und eines Horts in der Grünewaldstraße (11,5 Millionen Euro).


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Wie schwierig es ist, etwas zu verschieben, wird an zwei Projekten deutlich: Der Bau einer Sporthalle im Tillypark (über 20 Millionen Euro) wurde den Sportvereinen vom Stadtrat fest zugesagt. Die Sanierung und Erweiterung des Dokumentationszentrums soll 15 Millionen Euro kosten. Bei einer Verschiebung drohen Fördergelder auszufallen, weil es Fristen gibt, die eingehalten werden müssen. Auch kann man den Bau der Bertolt-Brecht-Schule nicht stoppen. In den nächsten zehn Jahren will die Stadt auf der Basis eines Langzeitprogramms vier Milliarden Euro in die Sanierung von Brücken, Straßen, Schulen und den Kulturbereich sowie in den Ausbau des ÖPNV-Angebots stecken. Davon stammen zwei Milliarden Euro aus Eigenmitteln.

"Wir wollen in einer so schwierigen Situation als Stadt weiter unsere Aufgaben erfüllen. Inwieweit wir das im Investitionsbereich leisten können, das müssen wir noch sehen. 2020 ist aber gesichert", sagt der Kämmerer. Darüber hinaus wagt er keine Prognose. Riedel geht davon aus, dass, wenn das Problem Corona über 2020 hinaus bestehen bleibt, es dann Unterstützung von Bund und Land gibt.


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Bei der letzten Krise 2008 hatte Deutschland diese schon nach einem Jahr ausgestanden. "Diesmal sind die Experten pessimistisch, weil alle Branchen betroffen sind und nicht nur die Banken. Auch fahren Firmen ihre Produktion runter", stellt Riedel fest. Kurzfristig seien die Einnahmeausfälle wohl nicht zu kompensieren. "Wir wissen nicht, wie lange es dauert, das Virus in den Griff zu bekommen. Wir müssen erst einmal durch die Krise kommen und den Alltag bewältigen."


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