Unseriöse Kritik?

Verzögert sich der Nürnberger Mobilitätspakt? So verlief die Debatte im Stadtrat

30.9.2021, 19:59 Uhr
Die Schaffung zusätzlicher Fahrradstraßen im Umfang von jährlich zehn Kilometern ist eines der Ziele des Mobilitätspaktes, der die Stadtverwaltung im kommenden Jahrzehnt beschäftigen wird.

© Stadt Nürnberg/Verkehrsplanungsamt Die Schaffung zusätzlicher Fahrradstraßen im Umfang von jährlich zehn Kilometern ist eines der Ziele des Mobilitätspaktes, der die Stadtverwaltung im kommenden Jahrzehnt beschäftigen wird.

Kein "Schlag ins Gesicht", sondern noch immer ein "Aufschlag für die Verkehrswende" – so bewertet Nasser Ahmed, Verkehrsexperte der SPD-Stadtratsfraktion, die modifizierten Pläne für die Umsetzung des Mobilitätsbeschlusses. Die Stadtverwaltung hatte vorgeschlagen, aus Kostengründen zunächst weniger Stellen für das Projekt zu schaffen als geplant. Der Verkehrsclub Deutschland sprach daraufhin von einem "Schlag ins Gesicht" für die Umweltinitiativen, die sich dafür einsetzen, dass mehr Wege in der Stadt mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden können.

Ahmed kann das nicht nachvollziehen. Bei dem im Januar beschlossenen Pakt handele es sich immerhin um ein sehr ambitioniertes Vorhaben, das in den kommenden zehn Jahren über 400 Millionen Euro kosten werde, sagt der Nürnberger SPD-Chef bei der Stadtratsdiskussion. Am Grundsatz werde festgehalten, aber man könne die durch die Corona-Krise verschärfte Haushaltslage der Stadt nicht gänzlich ignorieren.

Deswegen sei der Vorschlag der Verwaltung sinnvoll. Dieser sieht vor, 2022 nur 8,5 statt der geplanten 13 neuen Stellen im Verkehrsplanungsamt zu schaffen, beim Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR) sollen es zehn statt 14 sein. Das sei "keine perfekte Lösung", sagt Baureferent Daniel Ulrich (parteilos), aber angesichts der Haushaltsnöte der Stadt "eine gute Lösung". Die "gebaute Verkehrswende" gehe trotzdem voran.

Wird Vertrauen verspielt?

Die Grünen sehen das anders, sie haben sich via Antrag dafür ausgesprochen, an der ursprünglichen Personalplanung festzuhalten. Mike Bock erinnert in der Debatte an die Genese des Mobilitätsbeschlusses: Dieser sei nicht aus der Mitte des Stadtrats entsprungen, sondern Konsequenz eines Kompromisses mit den Initiatoren des Radentscheides gewesen.

Bock befürchtet, dass der Rat bei den Verhandlungspartnern von damals Vertrauen verspiele, wenn man sich nun einseitig nicht mehr an die im Januar getroffene Vereinbarung halte. "Oberbürgermeister Marcus König hat den Mobilitätsbeschluss als 'großen Wurf' bezeichnet. Wir sollten dazu stehen", meint der verkehrspolitische Sprecher der Grünen – und handelt sich prompt scharfe Kritik von CSU-Fraktionschef Andreas Krieglstein ein.

Krieglstein spielt in seiner Replik darauf an, dass Bock erst 2020 in den Stadtrat gewählt wurde, und schreibt den Antrag der Grünen der "Ungeduld eines Jung-Stadtrats" zu. Zudem kritisiert er die Kritik der Grünen als "unseriös". "Wir setzen jetzt die Verkehrswende um", das dürfe man nicht kleinreden, auch wenn die Stadt nicht sofort alles finanziell stemmen könne. "Ja, wir stehen zum Mobilitätsbeschluss." Auch Ahmed kritisiert Bocks Vorstoß, doch der Grünen-Vertreter findet Unterstützer bei den Vertretern der kleineren Parteien im Rat.

Was die kleinen Parteien sagen

Marion Padua (Linke Liste) appelliert, sich an das zu halten, "was mit den Bürgern vereinbart war". Jan Gehrke (ÖDP) spielt darauf an, dass Finanzreferent Harald Riedel (SPD) zuvor in seinen Einlassungen zur Haushaltssituation der Stadt (wir berichteten) das Jahrzehnt vor Corona als "golden" bezeichnet hatte. "Vielleicht ist die harsche Reaktion von SPD und CSU damit zu erklären, dass wir spät dran sind." Man hätte den nunmehr geplanten Stadtumbau schon in Angriff nehmen sollen, als es Nürnberg finanziell noch besser ging, glaubt er. Roland-Alexander Hübscher von der AfD, die im Januar als einzige Partei gegen den Pakt gestimmt hatte, kritisiert, dass durch diese Pläne das Auto aus der Stadt verdrängt werden solle.

Thorsten Brehm, SPD-Fraktionschef, beendet die Debatte mit dem Vorschlag, sie im nächsten Personalausschuss weiterzuführen. Bis dahin erhalten die Stadträte eine Übersicht, welche Stellenschaffungen insgesamt geplant sind. Dann erst sei klar, ob es noch Manövriermasse gebe, die in Richtung der personellen Ausstattung des Mobilitätspaktes verschoben werden könnte.

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