Weißer Fleck in Nürnberg: Dieser Stadtteil muss fast ohne Internet leben

1.3.2021, 10:46 Uhr
Schnelles WLAN überall und vor allem zuhause: Nicht überall eine Selbstverständlichkeit.

© Jan Woitas, dpa Schnelles WLAN überall und vor allem zuhause: Nicht überall eine Selbstverständlichkeit.

Eine schlechte Internetverbindung und langsames WLAN sind heutzutage schon in "normalen" Zeiten etwas, das den Geduldsfaden schnell strapaziert. In Zeiten einer globalen Pandemie, die unsere Abhängigkeit von den digitalen Möglichkeiten nochmal um ein Vielfaches erhöht, kommt man ohne eine schnelle Verbindung zum World Wide Web nicht mehr weit. Doch nicht überall in Nürnberg sind diese Möglichkeiten so selbstverständlich gegeben.

Keine Breitbandverfügbarkeit – und das seit Jahren

Wirft man einen Blick auf den Breitbandatlas des Bundesverkehrsministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, zeigt sich: Das Stadtgebiet Nürnberg ist mit hohen Bandbreiten grundsätzlich gut versorgt. In 99 Prozent der Haushalte sind 50 Mbit/s verfügbar, in 90 Prozent der Haushalte stehen 1000 Mbit/s zur Verfügung.

Beim Zoom auf den südöstlichsten Nürnberger Stadtteil Birnthon allerdings präsentiert sich vor allem eines: Gähnende Leere oder besser weiß markierte Fläche. Weiß bedeutet in diesem Fall: Breitbandverfügbarkeit in null bis zehn Prozent der Haushalte. Und das im Ortsteil einer Großstadt wie Nürnberg, immerhin der zweitgrößten Stadt in Bayern.

"Man lässt uns am ausgestreckten Arm verhungern", so beschreibt Birnthons Stadtteilsprecher Wolfgang Kautz die Situation. "Ich bemühe mich bereits seit etwa sieben Jahren um eine bessere Anbindung von Birnthon, aber da geht nichts voran, wir werden immer wieder vertröstet". Ursprünglich war bereits bis Ende 2018 eine Anbindung zugesagt worden.

Einwohner behelfen sich mit Mobilfunk-Routern

110 Personen leben in 45 Haushalten aktuell in Birnthon, das etwa fünf Kilometer östlich der Nürnberger Stadtgrenze im Ortsteil Fischbach liegt. Einer davon ist Peter Wachendorfer, der im Jahr 2010 nach Birnthon kam und schon damals feststellte: "Das kann man nicht mehr als technischen Standard bezeichnen". Seitdem hat sich im Hinblick auf den Breitbandausbau nicht viel verändert.

Wachendorfer nutzt wie einige andere Birnthoner auch Angebote wie den Gigacube des Anbieters Vodafone. Mit dem mobilen WLAN-Router lässt sich auch ohne DSL und Kabelanschluss über das Mobilfunknetz im Internet surfen, er ist allerdings auch teurer.

Lars Weisensel hat den Gigacube seit Herbst 2019 ebenfalls zuhause, musste allerdings während des ersten Lockdown und in Zeiten von Home-Office und Home-Schooling das Datenvolumen aufstocken: "Meine Frau arbeitet im Home-Office, meine Kinder haben Schule von zuhause aus, da hat das Datenvolumen von vorher 240 Gigabyte nicht mehr gereicht. So klappt es jetzt zwar ganz gut, man merkt aber auch, dass das Netz oft überlastet ist".


Schnelles Internet: Zündet jetzt auch Bayern den Turbo?


In der Zeit zurückversetzt

Alexander Shapiro, der ebenfalls in Birnthon lebt, befindet sich als CAD-Konstrukteur aufgrund von Corona im Homeoffice und ärgert sich regelmäßig über das fehlende schnelle Internet: "Ich muss mit relativ großen Datenmengen arbeiten, die wir mit dem Server aktualisieren müssen. Ich bin immer wieder gezwungen mit dem Auto in die Arbeit zu fahren, um die Daten mit Stick zu kopieren".

Shapiro fühlt sich ins Modemzeitalter zurückversetzt: "Ständig muss man sich beschränken und Angst haben, dass bei der nächsten Telefonkonferenz mit dem Team das Datenvolumen ausgeht. Wir haben Verwandtschaft in Sibirien, die lebt 300 Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt und auch dort gibt es einen DSL-Anschluss".

Stefan Fettinger, Inhaber einer Sanitärfirma ist in Birnthon aufgewachsen, lebt und arbeitet in dem Weiler und stimmt zu: "Das ist einfach nicht mehr der Stand der Dinge. Und ich würde es ja auch verstehen, wenn das technisch nicht möglich wäre, aber daran scheitert es hier nicht, das ist eine finanzielle Geschichte".

Anbindung scheitert immer wieder

Michael Fraas, Wirtschafts- und Wissenschaftsreferent der Stadt Nürnberg, begleitet das Thema ebenfalls bereits seit Jahren und bestätigt, dass die Deutsche Telekom AG sich bereits im Jahr 2017 verpflichtet habe, im Rahmen des bayerischen Breitbandförderprogramms den Ausbau auf eigene Kosten durchzuführen.

"Die Telekom ist dann aufgrund "technischer Schwierigkeiten" von ihrer Ausbauzusage zurückgetreten, was uns als Stadt sehr verärgert hat", so Fraas. Ein solches Verhalten betrachte er als inakzeptabel, so der Wirtschaftsreferent, allerdings habe er nach einer Beschwerde erfahren müssen, dass ein Netzbetreiber sich sanktionslos von einer Eigenverpflichtung lossagen kann.

"Inakzeptables Verhalten"

Die Telekom erklärt, Detailplanungen hätten gezeigt, dass sie Birnthon auf der bestehenden Netzstruktur nicht mit schnellem Internet versorgen könnten: "Dazu müsste die Zuführung auf zwölf Kilometer durch Glasfaser ersetzt werden. Die Kosten dafür sind erheblich. Wirtschaftlich rechnet sich der Anschluss von den etwas über 30 Haushalten in Birnthon nicht", begründet Markus Jodl aus dem Bereich der Corporate Communications der Telekom die Entscheidung.


Glasfaser bis zum entlegensten Winkel


Ein möglicher Lösungsansatz über den nächstgelegenen Kabelverzweiger in Moosbach lief ebenfalls ins Leere: Die Feuchter Gemeindewerke hatten diesen bereits mit Vectoringtechnik - einem Verfahren, das die maximal mögliche Datenrate auf den kupferbasierten DSL-Leitungen erhöht - ausgebaut, waren bereit, Birnthon eigenwirtschaftlich auszubauen und nötige Baumaßnahmen zu ergreifen. Dieser Versuch scheiterte jedoch erneut an dem Netzbetreiber Telekom: Sie öffneten ihren Kabelverzweiger aus "regulatorischen Gründen" nicht für die Gemeindewerke, wie Fraas berichtet.

"Doch noch ein gutes Ende"

Mit mehreren Jahren Verspätung werde das Thema laut dem Wirtschaftsreferenten aber nun doch noch ein gutes Ende nehmen: Im Rahmen der neuen Gigabitrichtlinie in Bayern hat die Wirtschaftsförderung der Stadt Nürnberg nun ein Förderverfahren für Birnthon gestartet. Mit einem aussagekräftigen Ausbauangebot wird im Herbst dieses Jahres gerechnet: "Birnthon wird, wenn der Ausbau nach der Gigabitrichtlinie umgesetzt sein wird, Glasfaseranschlüsse bekommen und eine wesentlich höhere Bandbreite haben, als durch den ursprünglich gedachten Ausbau nach der bayerischen Breitbandförderrichtlinie", bekräftigt Fraas.

Ausgehend von einem im Herbst vorliegenden Angebot müsse dann der Stadtrat dem Ausbau zustimmen, anschließend werde der Fördermittelantrag gestellt, so Fraas weiter. "Die Bearbeitungszeit bei der Regierung von Mittelfranken liegt bei drei bis sechs Monaten. Wir werden dann beim Freistaat Bayern darauf drängen, dass der Ausbau so schnell wie möglich umgesetzt wird".

Weiterer Ausbau in Planung

Ziel der Stadt Nürnberg und der Deutschen Telekom ist es außerdem, dass bis Ende des Jahres 2021 in 18.000 weiteren Haushalten in Teilbereichen der Nürnberger Stadtteile Galgenhof, Hummelstein, Gugelstraße, Mögeldorf, St. Jobst und Erlenstegen Glasfaseranschlüsse mit bis zu 1000 Megabits pro Sekunde verfügbar sind. "Weitere Gebiete mit 34.000 Haushalten werden 2021/2022 zeitnah folgen", kündigt Fraas an.

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