Weiter Ärger um Nürnberger Einwohneramt

18.7.2020, 05:57 Uhr
Vor dem Einwohneramt: Warteschlangen und Abstandsregeln, die nicht eingehalten werden.

© Irini Paul, NN Vor dem Einwohneramt: Warteschlangen und Abstandsregeln, die nicht eingehalten werden.

Aufgrund der nach wie vor geltenden Hygienevorschriften und Abstandsregeln ist in den Ämtern mit viel Bürgerverkehr der Zugang beschränkt. Vieles ist inzwischen online zu erledigen, wie etwa die Beantragung eines Führerscheins oder Anwohnerparkausweises. Für einen neuen Personalausweis aber muss man hingegen persönlich vorstellig werden. Und das geht derzeit eben nur, wenn man dafür auch einen Termin hat. Spontan ist derzeit nur die Abholung beantragter Dokumente möglich. Doch so mancher scheiterte in den vergangenen Wochen daran überhaupt einen Termin entweder online oder telefonisch vereinbaren zu können.


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Die Situation wurde zudem dadurch verschärft, dass Termine immer nur für die kommenden 14 Tage vereinbart werden konnten und die Termine immer donnerstags freigeschaltet wurden. „Wir müssen auf Sicht fahren und auf Änderungen durch die Staatsregierung bezüglich der Corona-Regeln in der Lage sein, zeitnah zu reagieren“, begründete Olaf Kuch, der das das Einwohneramt leitet, bereits vor Wochen den überschaubaren Zeitraum. Der Ärger unter den Bürgern riss unterdessen nicht ab. Gerade das stark geforderte Einwohneramt muss sich immer wieder Klagen über lange Wartezeiten gefallen lassen - und ist damit nicht alleine.

Auch ohne die Corona-bedingten Beschränkungen stoßen auch in anderen Städten Ämter mit viel Publikumsverkehr an ihre Grenzen, ob nun in Frankfurt, Essen, Dortmund oder eben Nürnberg. Schuld sind steigende Einwohnerzahlen und eine Infrastruktur, die der Entwicklung einfach nicht hinterher kommt. Es herrscht Fachkräftemangel und das ist kein neues Phänomen, wie Nürnbergs OB Marcus König sagt: "In wirtschaftlich guten Zeiten ist der öffentliche Dienst immer weniger attraktiv als die Privatwirtschaft."

Hinzu käme in Nürnberg die Besonderheit, dass man interne „Konkurrenz“ mit großen Behörden in Nürnberg, wie etwa der Bundesagentur oder dem Gesundheitsministerium, habe. Zudem gebe es viele Gemeinden im Umland, die für die Beschäftigten oft attraktiver seien, weil sie dann näher am Heimatort liegen, so König weiter.

Auch Bürgerämter unter Druck

Der Druck ist längst auch bei den Bürgerämtern angekommen, da viele Menschen dorthin ausweichen, um eben nicht in der Schlange stehen zu müssen. Doch die müsste es gar nicht geben, würden nur die erscheinen, die auch einen Termin haben oder lediglich etwas abholen möchten. Bleibt das Problem, überhaupt einen Termin online oder telefonisch zu bekommen.

Auch wenn König betont, dass man nicht schlecht aufgestellt, etwa das Service Center im Einwohneramt mit 19 Mitarbeitern immer besetzt sei. Mehr noch: "Insgesamt haben wir bereits in den vier publikumsintensiven Dienststellen Einwohneramt, Ordnungsamt, Standesamt und den Bürgerämtern zur Abwicklung des Parteiverkehrs in den letzten vier Jahren über 50 volle Stellen neu geschaffen und finanziert und so die zur Verfügung stehende Stellenkapazität seit 2016 um 13,6 Prozent erhöht", wie der OB betont.


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Dennoch besteht Handlungsbedarf, das sieht man inzwischen auch in der Verwaltung ein. Um die Situation zu entschärfen, sind beim Einwohneramt Termine ab sofort immer drei Monate im Voraus buchbar - ohne Stichtag. "Zudem jeden Freitag auch Termine für die nächste Woche plus täglich ab etwa 8 Uhr sichtbar Termine für den selben Tag", so Dienststellenleiter Olaf Kuch. Somit seien langfristige, kurzfristige und spontane Kapazitäten verfügbar. Das geht der SPD im Rat nicht weit genug. So fordern die beiden Stadträte Ulrich Blaschke und Diana Liberova eine Teilöffnung der Ämter für Bürger auch ohne Termin.

Für OB König kommt dies mit Blick auf die in Bayern herrschenden Vorschriften zum Schutze vor Corona nicht in Frage. "Die Stadtspitze ist sich einig, weiter auf Terminvereinbarungen zu setzen", betont er und verweist dabei auch auf die baulichen Gegebenheiten: Beim Einwohneramt können nur etwa 42 Personen als Kunden gleichzeitig im Gebäude sein, wenn die Abstandsregelungen eingehalten werden sollen. Hinzu kommt die „Passausgabe“, die bereits seit Anfang Juni ohne Termin möglich ist. "Dieser Bereich liegt in unmittelbarer Nähe und Sichtweite zum Eingang in der Äußeren Laufer Gasse und kann von den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes mit überwacht werden.


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Bereits jetzt ist aber eine aufwändige Trennung der Kundschaft nötig, um zu verhindern, dass Menschen ohne Termin über den Einlass zur Passausgabe unkontrolliert ins Gebäude gelangen", wie König erläutert. Bei einer Öffnung der Dienststelle für Parteiverkehr ohne Termin müsste man also so verfahren, dass ausschließlich die maximale Kapazität von etwa 42 Kunden durch den Sicherheitsdienst ins Gebäude gelassen werden darf. Während dies bei Terminen möglich sei, ist dies bei Spontanvorsprachen schon kaum umsetzbar, da die Dienststelle über zwei Eingänge verfüge, so König weiter. "Der Sicherheitsdienst in der Hirschelgasse kann aber die Situation im Bereich der Schalterhalle gar nicht sehen, er wüsste nie, ob die Kapazitätsgrenze erreicht ist."

Unangenehme Folgen

Das hätte unangenehme Folgen, denn dann würden noch mehr Menschen als ohnehin schon auf der Straße warten, um ins Einwohneramt zu kommen, wie auch König weiß. "Bereits jetzt mit Terminvereinbarungen kommt es zuweilen zu tumultartigen Szenen, wenn sich Personen ohne Termin trotzdem anstellen, Eingänge blockieren und Personen mit Termin deswegen nicht zum Eingang gelangen können." Hier sei es bereits "mehrfach zu Polizeieinsätzen" gekommen, wie er berichtet.

Ein wesentliches Problem: Der Bereich vor der Dienststelle ist öffentlicher Raum, es besteht hier kein Hausrecht. Zudem müsste mehr Sicherheitspersonal eingesetzt werden. König gibt sich ein Stück weit desillusioniert: "Die hiesige Erfahrung zeigt, dass sich die Menschen an keinerlei Abstandsregelungen halten, obwohl im öffentlichen Raum die Verordnungen des Freistaats gelten."

Somit erteilt er der Forderung der beiden SPD-Stadträte Blaschke und Liberova, die Verwaltung möge ein Konzept erstellen, wie eine unbedenkliche Ausweitung des Ämterbetriebs möglich sein könnte, ein klare Absage. Stattdessen arbeitet die Verwaltung derzeit an einem Konzept zur Verbesserung der Situation, wie König sagt. Ein wesentlicher Punkt ist dabei bereits möglich: Termine, die nun auch spontan, am besten am gleichen Tag möglich sein sollen. Weitere Details nannte er nicht. Doch bis auf Weiteres soll gelten: "keine freie Vorsprache zur Vermeidung von Menschenansammlungen und langen Wartezeiten".


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