Nasser Ahmed

Nürnbergs SPD-Vorsitzender will die sozialen Netzwerke erobern

8.5.2021, 05:50 Uhr
Nasser Ahmed steht vor der Parteizentrale der Sozialdemokraten in Nürnberg.  Über Stadtpolitik soll hier wieder stärker diskutiert werden.

© Roland Fengler, NN Nasser Ahmed steht vor der Parteizentrale der Sozialdemokraten in Nürnberg.  Über Stadtpolitik soll hier wieder stärker diskutiert werden.

Nasser Ahmed (32) wurde als Kind eritreischer Einwanderer in Nürnberg geboren. Seit 2014 sitzt er für die SPD im Stadtrat. Dort ist er verkehrspolitischer Sprecher seiner Partei, ebenso Sprecher für Sport. 2015 wurde er zum stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden in Nürnberg gewählt, im April 2021 zum Vorsitzenden. Er hat Politikwissenschaft studiert und seine Promotion gerade abgeschlossen.

Herr Ahmed, die größte und älteste Partei Nürnbergs hat nach Thorsten Brehm mit Ihnen erneut einen jungen Vorsitzenden. Was bedeutet dieses Amt für Sie?

Nasser Ahmed: Ich habe in meiner Parteitagsrede versucht, den Menschen Nasser Ahmed mit dem sozialdemokratischen Projekt zu verbinden. Darauf habe ich sehr viele Reaktionen bekommen. Ich sehe mich als Südstädter, Kind von Migranten, aber auch als Arbeiterkind. Gewissermaßen bin ich in so einer Art Vorreiterrolle: jemand, der es geschafft hat, der aber auch auf dem aufbauen kann, was viele vor mir geleistet haben. Ich glaube, das ist eine der großen Illusionen überhaupt, dieses neoliberale Denken: Jeder kann es alleine für sich schaffen. Das stimmt nicht. Ohne, dass es hier diese Bildungsangebote gegeben hätte, ohne dass ich in der Nachbarschaft eine deutsche Patin gehabt hätte, die mit zu den Elternabenden ging, weil meine Eltern nicht so gut Deutsch gesprochen haben, hätte ich es nie geschafft. Das ist mir wichtig. Diese Unterstützung fehlt heute vielen Leute. Ich stehe gewissermaßen sinnbildlich für Solidarität.

Sie haben sich in einer Art Kampfabstimmung gegen die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriela Heinrich durchgesetzt und sind mit 126 zu 52 Stimmen gewählt worden. Das war eindeutig. Wie ist Ihr Verhältnis zu Frau Heinrich heute?

Nasser Ahmed: Wir haben das beide sehr sportlich betrieben, im Sinne von: Möge der Bessere/ die Bessere gewinnen. Wir haben viele Jahre zusammengearbeitet und werden das auch weiterhin tun. Jetzt im Wahlkampf geht das gar nicht anders. Die Stärke der SPD war es eigentlich immer, dass man solche Erneuerungsprozesse ohne große Verletzungen geschafft hat.

Sie wollen den SPD-Unterbezirk mit seinen 2215 Mitgliedern modernisieren. Wie soll das aussehen, wie wollen Sie vor allem junge Mitglieder gewinnen?

Nasser Ahmed: Was die Struktur der Partei angeht, da denke ich, sind wir mit 36 Ortsvereinen und mit über Zweieinhalbtausend Mitgliedern gut aufgestellt. Aber ich finde, wir müssen noch ein bisschen an der Verankerung in den heutigen politischen Bewegungen arbeiten.

An wen denken Sie da, zum Beispiel an Fridays for future?

Nasser Ahmed: Ein Schlüsselereignis für mich war die Bewegung Black Lives Matter. Da hatten vier Privatpersonen zu Demos aufgerufen. Es kamen dann 6000 Menschen auf die Wöhrder Wiese. Doch die Organisatoren waren gar nicht auf die Idee gekommen, jemanden von der SPD zu fragen, als sie händeringend ein paar Tage vorher nach einer Bühne gesucht hatten. Und auch mich als ersten schwarzen Stadtrat oder People of Color kannten die gar nicht. Das hat sich jetzt geändert. Aber ich habe mich im nachhinein gefragt, wieso wir zu jungen Menschen, die für Solidarität kämpfen — ein Grundwert der SPD seit über 50 Jahren —, keinen Zugang haben.

Will auf junge Leute zugehen: Der neue SPD-Vorsitzende Nasser Ahmed.

Will auf junge Leute zugehen: Der neue SPD-Vorsitzende Nasser Ahmed. © Eduard Weigert

Was wollen Sie dagegen tun?

Nasser Ahmed: Ich glaube, ein wichtiger Punkt ist, dass sich diese ganze Bewegung, übrigens auch Fridays for future, nur über Instagram vernetzt. Und da sind wir als SPD einfach zu schwach. Neue soziale Räume sind auch wieder politische Räume. Deswegen müssen wir als Partei diese neuen sozialen Räume erobern. Ich will auch der erste Vorsitzende der SPD sein, der einen TikTok -Account hat. Noch vor Monatsfrist werde ich da einsteigen!

Was wollen Sie der Gruppe der unter 25-Jährigen denn Zugkräftiges anbieten, die Musikvideos lieben und wenig Drang haben, sich politisch zu verorten?

Nasser Ahmed: Ich glaube nicht mal, dass wir ein inhaltliches Problem haben, was diese jungen Menschen angeht. Aber wir erreichen sie nicht. Da will ich einen Schwerpunkt setzen. Ich glaube, durch mein Alter, aber auch dadurch, dass ich offen für ihre Themen bin, kann ich da was bewegen. Aber: Alleine schaffe ich das nicht. Ich bin ein Teamplayer, und ich bin angetreten mit Kerstin Gardill und mit Bernd Hampel als stellvertretende Vorsitzende und dem ganzen Bezirksvorstand.

Sie wollen die SPD zukunftsfähig machen und die Basis stärker einbeziehen. Das hat sich schon so mancher SPD-Vorsitzende vorgenommen.

Nasser Ahmed: Viele Mitglieder haben sich gewünscht, dass wir über die Linie der Partei in der Stadtpolitik wieder in ganz offenen Formaten miteinander streiten. Die Fraktion macht das Tagesgeschäft. Aber bei Grundsatzentscheidungen, in welche Richtung etwas geht, etwa in der Verkehrspolitik, über diese groben Linien soll der Parteiausschuss entscheiden. Das ist bei uns das höchste Gremium zwischen den Jahreshauptversammlungen. Das will ich wiederbeleben, indem wir monatlich über die Anträge der Basis dort diskutieren. Das habe ich versprochen, und das beginnt diesen Monat schon. Wenn wir die Basis mitnehmen wollen, dann müssen wir da über die Linie der Partei auch wieder ringen.

Das geht nicht reibungslos. Ihre Partei arbeitet im Stadtrat mit der CSU in einer Kooperation, und die beiden Fraktionschef verstehen sich sehr gut. Wie wollen Sie das Profil der SPD schärfen, ohne die lokale Kooperation zu riskieren?

Nasser Ahmed: Es gibt keinen Einigungszwang im Kooperationsvertrag zwischen den Parteien. Ich habe das Papier mit unterschrieben! Pacta sunt servanda, heißt es so schön, Verträge sind einzuhalten. Das tue ich auch. Ich denke jedoch, wir kommen nicht durch die Tür, wenn wir nur auf Kompromisse setzen. Es wird Punkte geben, bei denen Unterschiede klar werden zwischen SPD und CSU.

Welche?

Nasser Ahmed: Ich dachte zum Beispiel nach vielen Monaten der Verhandlungen, dass wir die Umgestaltung der Bayreuther Straße nicht hinbekommen. Aber da hat sich die CSU am Ende doch bewegt. Die Ausweitung der Fußgängerzone ist ein ganz großes sozialdemokratisches Anliegen. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob wir das gemeinsam mit der CSU hinbekommen werden. Wir als SPD werden bis zur Wahl 2026 noch viele mutige Schritte gehen müssen. Und dazu gehört noch dieses Jahr, die Königstraße durchgehend zu einer Fußgängerzone zu machen.

Was wollen Sie tun für die Schwächsten in der Stadt? Sie sprechen selbst von einer großen sozialen Krise.

Nasser Ahmed: Was mir gerade sehr auf den Nägeln brennt, ist, dass in den ärmeren Stadtteilen die Menschen sich viel häufiger mit Covid anstecken als in den wohlhabenderen Gebieten. Es wäre ein Skandal nach der Aufhebung der Impfpriorisierung, wenn ausgerechnet die Wohlhabenderen als erste geimpft werden. Deswegen haben wir entschieden, dass in den Quartieren, in denen sozial Benachteiligte wohnen und in denen der Wohnraum sehr eng ist, Impfmobile eingesetzt müssen, die zu den Menschen kommen. Auch die Hausärzte müssten dort mehr Impfdosen zugeteilt bekommen. Die Fraktion wird dazu Anträge an den Oberbürgermeister stellen. Wir sehen das jetzt als vordringlichste Aufgabe.

In der Bayreuther Straße sollen nach der Umgestaltung alle Verkehrsteilnehmer zu ihrem Recht kommen. Die Autofahrer müssen da etwas zurückstecken. Am Ende stimmte auch die CSU dem Vorhaben zu.

In der Bayreuther Straße sollen nach der Umgestaltung alle Verkehrsteilnehmer zu ihrem Recht kommen. Die Autofahrer müssen da etwas zurückstecken. Am Ende stimmte auch die CSU dem Vorhaben zu. © Visualisierung: Stadt Nürnberg

Treten Sie bei der Kommunalwahl 2026 gegen Marcus König an?

Nasser Ahmed: Wir haben jetzt 2021, da geht es um andere Dinge. Die Frage, wer Oberbürgermeisterkandidat der SPD wird, das klären wir in einem offenen, fairen Prozess. Nicht im Hinterzimmer. Das ist jetzt der falsche Zeitpunkt für solche Debatten.

Mit Marcus König von der CSU sitzt ein Oberbürgermeister im Chefsessel der Stadt, der nach einem Jahr beliebt ist und wenig Berührungsängste zeigt. Fürchten Sie, dass Herr König, ähnlich wie sein Vorgänger Ulrich Maly von der SPD, unschlagbar sein wird?

Nasser Ahmed: Ich denke, er hat jetzt erst einmal einen Krisenbonus. Lassen Sie uns die Krise gut gemeinsam meistern. Da brauchen wir einen Oberbürgermeister, der nicht ständig attackiert wird. Aber es wird diese Pandemie zu einem Ende kommen. Und dann stehen wir vor riesigen Zukunftsfragen. Wie schaffen wir es, das Thema Armut in einer reichen Stadt miteinander anzugehen? Wie gehen wir das Thema Suchtkrankheiten in einer Stadt an, in der sich die CSU bis heute querstellt beim Thema Drogenkonsumraum? Nach der Krise kommen wir wieder zu den Alltagsthemen, und dann muss sich auch ein Oberbürgermeister entscheiden.

Spielen Sie noch in der Stadtratsfußballmannschaft?

Nasser Ahmed: Ja, ich bin sehr stolz, dass wir 2019 Deutscher Meister geworden sind, das ist mein größter sportlicher Erfolg! Es gibt jährlich ein Turnier von acht deutschen Stadtrats-Mannschaften. Und ich durfte mit meinen Toren als Stürmer zum Sieg beitragen. Aber als Parteivorsitzender ist man nicht nur dafür da, Tore zu machen oder anzugreifen, sondern man muss die Kärrnerarbeit leisten. Da bin ich dann eher zentraler Mittelfeldspieler.


Tennet: Der neue SPD-Chef sieht keinen Loyalitätskonflikt


Sie sind beim Netzbetreiber Tennet angestellt. Die Firma will die neue Hochspannungsleitung durch Katzwang und an Kornburg vorbei führen. Der Oberbürgermeister hat heftig dagegen protestiert. Stehen Sie in einem Interessenskonflikt?

Nasser Ahmed: Nein, überhaupt nicht. Ich funke weder inoffiziell noch offiziell den Ortsvorsitzenden bei diesem Thema rein. Ich bin Referent für Kommunikation für den Südost-Link bei Tennet und bin nicht mit der Juraleitung betraut, um die es ja in Nürnberg geht.

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