"Virustime": Ein 1990 gedrehter Film und die Corona-Parallelen

29.3.2020, 12:29 Uhr
"Virustime", ein von Nürnberger Jugendlichen im Jahr 1990 gedrehter Film, kündigt für das Jahr 2020 einen "schrecklichen Virus" an.

"Virustime", ein von Nürnberger Jugendlichen im Jahr 1990 gedrehter Film, kündigt für das Jahr 2020 einen "schrecklichen Virus" an.

Jahrelang hatte ich nicht an den Film gedacht. Vor wenigen Tagen kam er mir wieder in den Sinn. Schuld daran ist sein Titel: "Virustime" haben wir Jugendlichen das Werk damals getauft. Ja, genau. Es ging irgendwie um Viren. Computerviren, aber auch um Viren, die Menschen befallen haben. Da könnte man aus aktuellem Anlass mal wieder reinschauen. Zumal meine jetzige Frau, die damals natürlich noch nicht meine Frau war, darin auch eine kleine Rolle spielt. Ich wühle also im Keller in der "Alleswasnochkeinenplatzgefundenhat"-Kiste und finde tatsächlich die alte AGFA-Videokassette. E180, High Color. Neben dem gesuchten Film ist auf dem Band laut Beschriftung auch noch ein Zusammenschnitt der Fußball-WM "Italia 90". Na dann.

In weiteren Kellertiefen kann ich noch einen Videoplayer ausgraben, entstauben und mit einiger Mühe zum Laufen bringen. Nach einem kurzen Leier-Moment setzt der Vorspann ein. Ein Kumpel von damals ruckelt über den Bildschirm. Zackig seine Kopfbewegung, die Sprache hat jenes Maschinen-Gestammel, das Ende der 80er Jahre als Modern galt: "Es be . . ., es be . . , es begrüßt Sie: Ihr Modul, ihr Modul Marc!" Ich erinnere mich. Die ganze Figur sollte an den legendären Max Headroom angelehnt sein, jenen computergenerierten Fernsehmann, der in Amerika und Großbritannien zu dieser Zeit Videoclips ansagte - oder besser: anstotterte.

Die Zahl 2020

Aus heutiger Sicht, das muss ich zugeben, wirkt das Ganze bescheiden. Aber damals haben wir jede Menge Technik aufbieten müssen, um den Effekt zu erzielen. Doch Moment! Was sagt Modul Marc da? "Wie Sie sicher wissen, sucht zur Zeit ein schrecklicher Virus die Menschheit heim." Und weiter: "Vielleicht können wir durch den Rückblick in die Geschichte für unsere heutigen Problemen mit dem Virus etwas lernen und so Panik vermeiden." Mich schaudert’s. Doch in der nächsten Szene wird eine Jahreszahl eingeblendet, die mich sprachlos macht. Zurückspulen, nochmal. Es hilft nichts: "2020", steht dort. Eindeutig.

So sieht der Film aus.

So sieht der Film aus.

Ich bin nicht anfällig für Verschwörungstheorien und Mystik-Märchen. Aber jetzt brauche ich eine Erklärung. Dringend. Mit dem Smartphone filme ich die Szene ab und schicke sie umgehend per Mail an Klaus Lutz, der damals monatelang gemeinsam mit Fabian Fiedler die Dreharbeiten geleitet hat, für die gesamte Technik zuständig war und nebenbei noch uns pubertierende Teenager bei Laune gehalten hat. Schon bald darauf klingelt mein Telefon. Er meldet sich aus dem Homeoffice.

Raubkopien und Aufklärung

"Klaus", sage ich, "wie kann das sein?" - "Wahnsinn!", sagt er. Wir rekonstruieren. Warum hatten wir ausgerechnet Viren als Thema? "Das war allgegenwärtig", erinnert sich der Medienpädagoge Klaus Lutz. Mensch und Technik waren damit konfrontiert. Zwischen Lindenstraße und Tatort liefen Ende der 80er Jahre Aufklärungsspots: "Kondome schützen", hieß es, "gib AIDS keine Chance." AIDS war allgegenwärtig, aber gleichzeitig auch wieder weit weg, für uns Teenager. Fasziniert und beängstigt haben uns die aufkommenden Computer-Viren. Auch wenn unsere Commodore-64-Rechner noch nicht einmal über eine Festplatte verfügten, war es nicht schwer zu ahnen, was Computer-Viren anrichten können.

"Zudem wurden zu dieser Zeit Computerspiele kaum gekauft", erinnert sich Klaus Lutz. "Der Kopierschutz der Originale ließ sich viel zu leicht umgehen und so waren jede Menge Raubkopien unterwegs. Da wusste man nie, was da noch so alles auf der Diskette mit drauf ist." So haben wir wohl die diffusen Ängste vor Viren für den Menschen und für den Computer zum Stoff unseres Film gemacht. "Die Anregungen kamen von euch", sagt Klaus Lutz, "wir haben euch dabei unterstützt."

Typische Szenarien

Im übrigen, so der Medienpädagoge, sei es ganz typisch, dass bei Science-Fiction der Blick in die Zukunft sehr düster ist. "Das sind meist Dystopien, Szenarien mit negativem Ausgang. Dabei wird das, was schon in der Gegenwart Angst macht, nochmals gnadenlos zugespitzt."

Aber warum um Himmels willen haben wir dieses Szenario ausgerechnet in das Jahr 2020 gesetzt? Klaus Lutz hat eine Erklärung: "Eigentlich hat die Zukunft immer im Jahr 2000 begonnen. Aber 1989 war das einfach schon zu nahe. 10 Jahre, so glaubte man, sind überschaubar. Das Jahr 2020 war weit genug weg und wegen der prägnanten Doppelzahl gut geeignet für unser Setting."

Mit der Erklärung gebe ich mich zufrieden. Es gab also wohl keinen Seher, keinen Zeitreisenden in unserem Team. Dennoch irgendwie ein komisches Gefühl, so nahe an der Wirklichkeit dran gewesen zu sein. Sollte ich jemals in meinem Leben wieder die Gelegenheit haben, in einem Science-Fiction-Film mitzuwirken, werde ich mir das Drehbuch ganz genau durchlesen.

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