Veraltete Technik auf den Dächern

Warum im Katastrophenfall kaum mit Sirene gewarnt werden kann

21.8.2021, 05:44 Uhr
Warum im Katastrophenfall kaum mit Sirene gewarnt werden kann

© Klaus-Dieter Schreiter, NN

"Für die meisten Menschen bedeutet das Aufheulen der Sirenen: 'Ah, da kommt die Feuerwehr.' " Fürths Kreisbrandmeister Frank Bauer trifft es auf den Punkt. Denn kaum jemand der jüngeren Generation kennt noch die Bedeutung der verschiedenen Sirenentöne.

Ab den 1990er Jahren wurde damit begonnen, die alten, ohrenbetäubenden Sirenen nach und nach abzubauen. Sie dienten im Kalten Krieg dazu, die Bevölkerung vor Feuer, Katastrophen und einem befürchteten militärischen Angriff aus dem Osten zu warnen. Aber auch, um Einsatzkräfte der Feuerwehr zu alarmieren. Doch die Ehrenamtlichen wurden immer öfter still alarmiert - das heißt mit Piepsern oder Pagern. Alte Sirenen mit Motor wurden abgebaut oder falls nötig durch moderne, elektrisch betriebene Sirenen ersetzt. Insgesamt stehen im Freistaat etwa noch 11.000 funktionsfähige Sirenen auf städtischen oder kommunalen Gebäuden und Liegenschaften.

Nun, 30 Jahre später, hat der Freistaat ein millionenschweres Förderprojekt ins Leben gerufen, um etwa 15.000 neue Sirenen zusätzlich installieren zu lassen. Grund sind die verheerenden Unwetterereignisse in Oberbayern und Franken im Juli 2021. Der Bedarf in Mittel- und Oberfranken sowie Teilen der Oberpfalz ist riesig. Das hat eine Umfrage bei den Kreisverwaltungsbehörden gezeigt. Ein Überblick:

In diesen Städten und Kommunen kann die Bevölkerung mit Sirene gewarnt werden

In Nürnberg werden bis Ende 2021 alle bestehenden Sirenen um- bzw aufgerüstet und neue Sirenen aufgebaut. "Wir werden im Endausbau 106 Warnsirenen im gesamten Stadtgebiet haben. Aktuell sind bereits gut 90 davon einsatzbereit", erklärt ein Sprecher der Nürnberger Berufsfeuerwehr.

In der Stadt Erlangen wurden in den vergangenen 15 Jahren zahlreiche neue Sirenen errichtet, berichtet Brandrat Friedhelm Weidinger. "Damit ist das bewohnte Stadtgebiet komplett abgedeckt." Dazu stehen insgesamt 27 Sirenen zur Verfügung. Auf dem Bergkirchweihgelände kamen zusätzlich zwölf weitere hinzu. "Diese dienen nur der Warnung von Bergkirchweihbesuchern", sagt Weidinger. Die Kosten für den Aufbau trug überwiegend die Stadt; teilweise gab es Zuschüsse vom Land.

Im Landkreis Erlangen-Höchstadt gibt es in jeder der 25 Städte, Märkte und Gemeinden im Landkreis Sirenen. Insgesamt befinden sich im Landkreis Erlangen-Höchstadt 139 Sirenen, so der stellvertretende Pressesprecher Johannes Hölzel. 25 Sirenen können derzeit zur Warnung der Bevölkerung eingesetzt werden. "An Orten, die nicht mit ortsfesten Sirenen ausgestattet sind oder wo Sirenen nicht gehört werden können, kann mit mobiler Sirene auf einem Lautsprecherfahrzeug gewarnt werden", so Hölzel.

Die Bevölkerung in Schwabach kann in einer Katastrophensituation derzeit über zwei mobile Sirenen gewarnt werden. "Eine flächige Warnung ist mit diesen aber nicht möglich", sagt die stellvertretende Pressesprecherin Marion Pufahl. Es existiert außerdem noch eine fest installierte Sirene im Bereich "Am Ostanger", die allerdings wieder in Gang gesetzt werden müsste. Dies soll voraussichtlich noch im Laufe des Jahres 2021 geschehen. Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Ortsteilen Sirenen, die aber derzeit nur für die Feuerwehralarmierung verwendet werden. "In den kommenden Jahren soll jedoch wieder eine flächendeckende Alarmierungsstruktur in der Stadt geschaffen werden."

Im Landkreis Roth gibt es derzeit fünf mobile Sirenen zur Warnung der Bevölkerung. "Ob das ausreicht, werden wir angesichts der jüngsten Ereignisse prüfen", sagt Pressesprecherin Tina Ellinger.


In diesen Städten und Kommunen hat die Modernisierung bereits begonnen

Im Landkreis Fürth werden voraussichtlich erst im Jahr 2022 alle Sirenen nach und nach auf den modernen Standard umgerüstet sein.

Im Landkreis Neumarkt müssen ebenfalls zahlreiche Sirenen auf- bzw umgerüstet werden. Denn vielerorts können sie bisher nur Einsatzkräfte alarmieren, nicht jedoch die Bevölkerung warnen. Eine "Bevölkerungswarnung" vor anderen Gefahren durch eine Variation der Frequenz oder Tonfolgen ist mit den meisten alten Sirenen nicht möglich. Erst ab 2023 rechnet Kreisbrandmeister Daniel Gottschalk mit einer flächendeckenden Warnmöglichkeit.


In diesen Städten und Kommunen kann die Bevölkerung noch nicht gewarnt werden

Im Landkreis Forchheim werden noch 161 Sirenen zur Alarmierung der Feuerwehren genutzt. Diese sind flächendeckend in fast allen Gemeinden und Städten im Landkreis vorhanden, so der Fachbereichsleiter für Öffentliche Sicherheit und Ordnung Jürgen Kupfer. Auch die Innenstädte in Ebermannstadt und Gräfenberg verfügen über Sirenen, lediglich in Forchheim existieren derzeit noch zusätzlich Sirenen in den angrenzenden Stadtteilen. „Da grundsätzlich noch ein breites Netz an Sirenen vorhanden ist, das derzeit aber nur für die Feuerwehralarmierung einsetzbar ist, sehen wir die Herausforderung und den Bedarf darin, diese Sirenen, soweit möglich, technisch aufzurüsten oder durch neue Sirenenanlagen zu ersetzen.“ Die Umrüstung der Sirenen auf die digitale Alarmierung steht im Landkreis erst noch an. Im Zuge dessen werden die Sirenen auch für den Katastrophenfall fit gemacht.

In der Stadt Bamberg gibt es aktuell keine Sirenen zur Warnung der Bevölkerung, so Pressesprecherin Stephanie Schirken-Gerster. Eine Sirene auf der Luitpoldschule sei erforderlich gewesen, um die Menschen im Umfeld eines großen Flüssiggaslagers warnen zu können. Die Flüssiggastanks wurden mittlerweile aufgelassen, die Gefahr eines großen Flüssiggasaustritts existiert nicht mehr. Die Sirene ist seitdem außer Betrieb, aber noch vorhanden und kann jederzeit wieder reaktiviert werden.

"Der Bedarf ist auf jeden Fall gegeben", sagt Schirken-Gerster. Wie viele Sirenensysteme erforderlich sind um den Stadtbereich effektiv abzudecken könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Etwa 1991 wurden die im Stadtgebiet Bamberg vorhandenen 69 Warnsirenen abgebaut. Anfang der 2000er Jahre gab es eine Überlegung, das Stadtgebiet mit etwa 8 Hochleistungssirenen abzudecken. "Es werden meiner Schätzung nach eine Anzahl von Sirenensystemen zwischen diesen beiden Zahlen erforderlich werden."

In der Stadt Ansbach stehen derzeit nur noch acht von ursprünglich 26 Sirenen, die im Kalten Krieg die Bevölkerung alarmiert haben. Und diese müssten zunächst ebenfalls aufgerüstet werden. "Der Bedarf an neuen Sirenen wird von uns als wichtig und dringend gesehen", sagt der Leiter des Amtes für Brand und Katastrophenschutz Martin Zippel.

Im Nürnberger Land stehen derzeit 175 Sirenen - jedoch dienen sie nur der Alarmierung von Einsatzkräften. Darüber hinaus gibt es ein spezielles System aus Sirenen zur Warnung der Bevölkerung im Bereich des Pumpspeicherwerkes Happurg. "Wenn die Umrüstung vom analogen zum digitalen System weiter vorangetrieben wird, könnte jedoch ein neuer Bedarf entstehen, falls einzelne Sirenen nicht umrüstbar wären", sagt Christian Stegmaier, Mitarbeiter der Pressestelle.

Im Landkreis Bayreuth gibt es ebenfalls keine Sirenen zur Bevölkerungswarnung mehr. "Die wurden ausnahmslos in den 1970er und 1980er Jahren abgebaut", sagt Martin Fiedler, stellvertretender Leiter der Integrierten Leitstelle Bayreuth/Kulmbach. Die einzelnen Städte und Gemeinden verfügen im Landkreis insgesamt noch 200 Sirenen für die Feuerwehralarmierung. "Und die müssten erst nachgerüstet werden, sollen sie auch für Katastrophen genutzt werden."

"Im Rahmen dieser Umrüstung von analoger Technik auf digitale Technik, ist es deshalb absolut sinnvoll, alle Sirenen im Bestand zu erhalten und entsprechend zu ertüchtigen", sagt die Sprecherin des Landratsamtes Karen Görner-Gütling. Dieselbe Situation besteht für die Stadt Bayreuth: Alle bestehenden Feuerwehrsirenen müssen zunächst auf den digitalen Standard umgerüstet werden.

Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen gibt es derzeit ebenfalls nur Sirenen für die Alarmierung von Einsatzkräften. "Bei einer Wiedereinführung einer sirenengestützten Bevölkerungswarnung, muss in Abstimmung mit den Gemeinden geprüft werden, ob und wo ein erhöhter Bedarf besteht", so Pressesprecherin Claudia Wagner.

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