Wie aus 1600 Kartoffeln ein Weltrekord wird

8.7.2012, 16:33 Uhr
Wie aus 1600 Kartoffeln ein Weltrekord wird

© Gerald Diez

Samstagabend, 23 Uhr, Schulhof des MTG: Eine Menschentraube zählt im Chor einen Countdown runter. „3...2...1“ – dann kann der Rekordversuch starten. Physiklehrer Axel Fischer spornt an: „Den aktuellen Rekord der Stromspannung, die mit einer Kartoffelbatterie erzeugt wurde, haben 2009 hoch bezahlte Ingenieure an der Fachhochschule Soest aufgestellt. Er liegt bei etwa 540 Volt.“

Das MTG will jetzt mehr. Viel mehr. 1000 Volt haben die Organisatoren dem Publikum in dieser Nacht namens „Wissenschaft macht Schule“ versprochen – und bei Testläufen auch erreicht. Doch kurz vor der öffentlichen Messung wird’s nochmal hektisch. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit hat sich auf den Schulbänken, auf denen die Kartoffelbatterie liegt, ein Feuchtigkeitsfilm gebildet. Der könnte zu einem Kurzschluss führen.

Blitzschnell bocken die Lehrer und Schüler die Batterie auf Styroporleisten auf. Mit Erfolg: Als das erste Drittel der Batterie eingeschaltet wird, zeigt das Messgerät schon 681 Volt an. „Die Ingenieure in Soest können einpacken“, jubelt Axel Fischer. Nach zwei weiteren Zuschaltungen steigt der Wert auf 1060 Volt. „Aber wir können immer noch ein Päckchen draufgeben“, freut sich der Lehrer, der das Projekt mit drei Kollegen ausgetüftelt und geplant hat.

Als die komplette Batterie läuft, steht ein Höchstwert von 1220 Volt! Auch der Notar verkündet: „Alles perfekt, der Weltrekord ist gebrochen.“ Die Organisatoren jubeln, eine kleine Welle geht durchs Publikum.

„Dass es so hoch geht, hätte ich nicht gedacht“, sagt Simeon Ulm (16) aus der 10d freudestrahlend. Seine und zwei weitere Klassen hatten den Rekordversuch in mühevoller Kleinarbeit vorbereitet. Denn damit eine Kartoffel eine elektrische Spannung verursacht, muss sie auf einem Zink- und einem Kupfernagel stecken.

1 Kartoffel + 2 Nägel = 0,8 Volt

Wie aus 1600 Kartoffeln ein Weltrekord wird

© Gerald Diez

Die Phosphorsäure in der Kartoffel sorgt dafür, dass am Zinknagel ein Minuspol und am Kupfernagel ein Pluspol entsteht. So bildet die Kartoffel mit den zwei Nägeln eine einzelne kleine Batterie, die eine Spannung von 0,8 Volt erzeugt. Um auf über 1000 Volt zu kommen, mussten 1600 Kartoffelhälften auf Nägel aufgespießt werden! Letztere hatten die Schüler vorher in Dachlatten genagelt, mit Draht verbunden und in Reihe geschaltet.

39 Dachlatten, 7488 Nägel, 234 Meter Draht – bis das alles zur Kartoffelbatterie verarbeitet war, gingen viele (Schul-)Stunden ins Land. „Wir haben uns sogar Blasen und blaue Flecke vom vielen Hämmern zugezogen“, erzählen Felix Suchy (16) und Sebastian Anders (16) aus der 10d. „Aber dass wir es geschafft haben, ist einfach nur geil.“

Ob der Weltrekord offiziell anerkannt wird, muss jetzt das „Guinness World Records“-Team in London entscheiden. Vor etwa drei Monaten hat das MTG sein Vorhaben dort angemeldet. Nach einer intensiven Prüfung kam dann ein ganzer Packen Papier mit zahlreichen Auflagen in Erlangen an. „Für die Messung durften wir zum Beispiel nicht unsere eigenen Geräte benutzen“, erzählt Physiklehrer Martin Sauer. „Das haben zum Glück drei Mitarbeiter der Siemens Hochspannungstechnik mit extra kalibrierten Geräten übernommen.“

Auch ein Notar musste anwesend sein, der von der Prüfnummer der Messgeräte bis zu den Diplomen der Siemens-Mitarbeiter alles checkte. Er wird nach London melden: Alles in bester Ordnung. Und so kommt aus London hoffentlich bald eine Urkunde mit einem Weltrekord-Siegel zurück.

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