Reicher Clubbesitzer

Club kooperiert mit Datenscouting-Firma - neues Scouting-Kapitel oder erster Schritt zum Investor?

Erik Thieme

E-Mail zur Autorenseite

09.06.2025, 12:16 Uhr
Hinter dem Datenscouting-Unternehmen steckt der Pokerspieler und Milliardär Tony Bloom (links), der Mehrheitseigner am englischen Club Brighton and Hove ist.

© picture alliance / empics / Gareth Fuller / Sportfoto Zink Hinter dem Datenscouting-Unternehmen steckt der Pokerspieler und Milliardär Tony Bloom (links), der Mehrheitseigner am englischen Club Brighton and Hove ist.

Seit Joti Chatzialexiou im vergangenen Jahr beim 1. FC Nürnberg angeheuert hat, hat sich einiges geändert. Mit Miroslav Klose verpflichtete er einen prominenten, aber unerfahrenen Trainer, der auch noch einen vergleichsweise großen Kaderumbruch zu verantworten hatte. Doch nicht nur aus sportlicher Sicht tat sich einiges, auch personell griff der ehemalige sportliche Leiter der deutschen Nationalmannschaften hart durch.

Trotz eines historischen Transferfensters mit Rekordeinnahmen trennte sich Chatzialexiou noch im Winter von Sportdirektor Olaf Rebbe. Hinter den Kulissen brodelte es, offiziell wurden "unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung des 1. FC Nürnberg" als Grund genannt. Diese Ausrichtung will Chatzialexiou mit einer neuen Partnerschaft nun maßgeblich vorantreiben.

Ein erfahrener Partner

Am Mittwoch (4. Juni) gab der FCN bekannt, als erstes deutsches Team mit "Jamestown Analytics" (JTA) zusammenzuarbeiten. In der Mitteilung des Vereins heißt es, dass die Verantwortlichen bereits in der aktuellen Transferphase auf das Unternehmen setzen, am und mit dem System lernen und parallel eine eigene Datenbank aufbauen wollen. Mithilfe mathematischer Berechnungen ermittelt JTA bestimmte Spielerprofile und erleichtert so das Scouting von potenziellen Transferzielen enorm.

Aus Sicht des Sportvorstandes ist es der nächste logische Schritt auf dem Weg zu einer moderneren und zeitgemäßen Transferstrategie. "Für uns ist es eine Auszeichnung, dass JTA sich für eine Partnerschaft mit uns entschieden hat, da das Unternehmen in jeder Liga nur einen einzigen Verein betreut und diesen mit Informationen und Empfehlungen zu Spielern unterstützt", wird Chatzialexiou in der Mitteilung zitiert. Als Positivbeispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit führt der Club die Vereine Brighton & Hove Albion (England), Union Saint-Gilloise (Belgien) und Como 1907 (Italien) an, die allesamt mit "Jamestown Analytics" zusammenarbeiten und in der jüngeren Vergangenheit große Erfolge verbuchen konnten. Zumindest zwei dieser Vereine sind eng mit einem Namen verbunden, der hinter JTA steckt.

Ein reicher Pokerspieler

Besitzer des Scouting-Unternehmens ist Tony Bloom. Der studierte Mathematiker und Milliardär hat sich mit dem Pokerspielen einen Namen gemacht, den meisten Fußballfans dürfte er aber eher aufgrund seines Engagements beim Premier League Club Brighton and Hove Albion bekannt sein. Dort leisteten er und sein Team aus sportlicher Sicht in der vergangenen Jahren hervorragende Arbeit und etablierte den Verein in der oberen Tabellenhälfte. In der von reichen Clubs dominierten englischen Liga weitaus mehr als nur ein Achtungserfolg. Doch Bloom ist nicht nur bei Brighton Mehrheitseigner, auch beim belgischen Club Union Saint-Gilloise hat er seit 2018 seine Finger im Spiel.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von 1. FC Nürnberg (@1_fc_nuernberg)

Seinen Reichtum erlangte Bloom aber wohl nicht beim Pokern. Stattdessen gehört ihm mit "Starlizard" eine Firma, die sich auf die Analyse von Sportdaten und das Erstellen von Wettvorhersagen spezialisiert hat. Wie genau die Vorhersagen funktionieren, ist nicht bekannt. Doch wo liegt jetzt das Problem?

Die drei außer dem 1. FC Nürnberg genannten Vereine sind nicht die einzigen, mit denen "Jamestown Analytics"* zusammenarbeitet. Auch in Schottland ist die Firma aktiv, im November 2024 wurde die Zusammenarbeit mit dem schottischen Erstligisten Hearts of Midlothian bekanntgegeben. Genau wie der Club wollen auch die "Hearts" ihre Gegneranalyse sowie die Scouting-Abteilung und die damit verbundene Transferstrategie modernisieren und neu ausrichten. Was als sportliche Zusammenarbeit begann, mündeten nur etwa ein halbes Jahr später in einem weitaus größeren Deal. Anfang Mai gab Tony Bloom bekannt, in den Verein investieren zu wollen und bot knapp zehn Millionen Pfund für 29 Prozent der Anteile. Ende Mai stimmte der Verein der Minderheitsbeteiligung mit großer Mehrheit zu, jetzt fehlt nur noch die Zustimmung des Schottischen Fußballverbandes. Wäre ein solches Angebot auch in Nürnberg denkbar?

Eingetragener Verein

Die Angst einer solchen Übernahme machte sich zuletzt auch bei einigen St. Pauli- Fans breit, deren Verein aktuell die erste Genossenschaft im deutschen Profifußball an den Start gebracht hat und auf der Suche nach Geldgebern ist. Doch dazu später mehr. Ein bedeutender Unterschied zu den bisherigen Engagements von Tony Bloom liegt in der Rechtsform des 1. FC Nürnberg. Die ist nämlich im Gegensatz zu vielen anderen Profivereinen nach wie vor die eines eingetragenen Vereins. Das bedeutet für Fans und vor allem Mitglieder nicht nur mehr Transparenz, sondern auch Beteiligung. So haben die Anhänger ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen. Ein Investment Blooms oder eines anderen Interessenten wäre also nicht so einfach ohne weiteres möglich, schon gar nicht bei der kritischen Fanszene des FCN.

Eine Situation wie in Augsburg, als die aktive Fanszene beinahe zufällig vom Gesellschafterwechsel Wind bekam, ist in Nürnberg undenkbar. Der schwäbische Bundesligist hatte den Wechsel zum US-amerikanischen Milliardär David Blitzer, der heute etwa 45 Prozent der Anteile hält, 2021 weder öffentlich kommentiert noch seine Mitglieder darüber informiert. Der FCA ist jedoch kein eingetragener Verein, die Profiabteilung wurde bereits 2005 ausgegliedert. Erst das ermöglichte den Einstieg von Investoren. Beim Club ist eine solche Ausgliederung jedoch kein Thema. Erst im November vergangenen Jahres liefen die Spielerinnen und Spieler beider Profi-Teams in Sondertrikots auf, die genau diese Rechtsform in den Vordergrund stellten.

So arbeitet JTA

Um zu verstehen, wie "Jamestown Analytics" arbeitet, lohnt sich ein Blick über die Ländergrenzen. Das Prinzip ist dabei recht simpel: Statt prominenter Spieler aus hochklassigen Ligen für viel Geld zu verpflichten, setzt JTA ganz auf Mathematik. Durch eine penible Analyse aller möglichen Daten und Statistiken aus zahlreichen Ländern findet das Unternehmen Spieler, die genau zu ihren Vorstellungen passen. Oft spielen diese in entlegeneren Ligen ohne große Aufmerksamkeit, doch der Erfolg gibt den Mathematikern recht. Mit ihrem System finden die Analysten Spieler, die in anderen Clubs durch das Raster gefallen und dadurch deutlich günstiger zu haben sind. Mangelnde Qualität bedeute das aber nicht unbedingt. Ein paar Beispiele gefällig?

Pascal Groß, heutiger Nationalspieler und Regisseur im Dortmunder Mittelfeld, wechselte 2017 von Bundesliga-Absteiger Ingolstadt nach Brighton and Hove. Dort sei er nicht nur überrascht gewesen, wie viele Statistiken von ihm bekannt seien. Er machte seine Sache auch sportlich hervorragend, schaffte erst den Sprung in die Nationalmannschaft und vergangenen Sommer mit 33 Jahren sogar den Wechsel zum BVB.

Ohne das Datenscouting von "Jamestown Analytics" wären diese drei Spieler womöglich nie bei Top-Vereinen aus der Bundesliga gelandet,

Ohne das Datenscouting von "Jamestown Analytics" wären diese drei Spieler womöglich nie bei Top-Vereinen aus der Bundesliga gelandet, © picture alliance / nordphoto GmbH / Dennis Ewert/RHR-FOTO / Teresa Kroeger/RHR-FOTO

Noch beeindruckender ist der Weg von Deniz Undav. Auch er ist heute Nationalspieler. Vor fünf Jahren kickte er noch in der Regionalliga (!), Union Saint-Gilloise verpflichtete ihn dennoch. Der Stürmer funktionierte in Belgien ebenso gut, nur zwei Jahre später folgte der Wechsel in die Premier League, natürlich zu Brighton. Auch Leverkusens Meisterstürmer Victor Boniface kam mit bescheidenen Torquoten aus der norwegischen Liga zu den Belgiern und machte die Leverkusener in der Europa League auf sich aufmerksam.

Alles nur Zufälle?

Die Wechsel zu und zwischen den Clubs, an denen Tony Bloom beteiligt ist, sind zumindest auffällig. Bei Saint-Gilloise von einem Farm-Team zu sprechen wäre übertrieben, dennoch sind die Zusammenhänge nicht zu übersehen. Im Sommer 2024 holte Brighton etwa St. Paulis Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler. Durchaus bemerkenswert, schließlich birgt ein so unerfahrener und junger Trainer stets gewisse Risiken. Doch auch Hürzeler funktionierte, sogar in der stärksten Liga der Welt. Der Grund, weshalb sich auf St. Pauli zumindest in Teilen Gerüchte über eine Beteiligung Blooms mehrten, liegt im Trainer-Ersatz.

Der Hamburger Verein arbeitet zwar (noch) nicht mit JTA zusammen, trotzdem kam als Hürzeler-Ersatz ein Mann aus Blooms Umfeld. Neuer Cheftrainer wurde Alexander Blessin. Und der war vorher wo angestellt? Natürlich, bei Union Saint-Gilloise. Dass der FC St. Pauli gerade außerdem Genossenschaftsanteile veräußert, tat sein Übriges dazu. Auch in Nürnberg ist die Connection zu Blooms Vereinen schon vor der Bekanntgabe der Zusammenarbeit gegeben. Schließlich kaufte Brighton in dieser Saison Nürnbergs Shootingstar Stefanos Tzimas für eine Rekordsumme, ehe dieser im Saisonendspurt gar nicht mehr zum Einsatz kam.

Die Fans sind euphorisch

Unterm Strich hat der 1. FC Nürnberg mit der Partnerschaft mit "Jamestown Analytics" Chatzialexious Worten Taten folgen lassen und eine erfahrene wie erfolgreiche Firma engagiert. Auch in diesem Sommer gibt es auf dem Transfermarkt einiges zu tun, auf Datenscouting zu setzen entspricht dem Zeitgeist. In den Kommentaren unter der Bekanntgabe der Partnerschaft auf Instagram gab sich der Großteil der Fans fast schon euphorisch. "Wenn man sieht, was Como und Brighton dadurch erreichen konnten, muss man einfach absolut hyped sein", kommentierte ein Fan. Dass sowohl das Unternehmen als auch seine Arbeitsweise vielen Fußballfans bereits bekannt ist, lässt sich anhand der Beiträge ebenfalls ablesen. "Ich erwarte mindestens drei Spieler aus exotischen fußballerischen Entwicklungsländern wie Venezuela, Bhutan oder Österreich!", meint ein anderer.

Für eine Übernahme oder ein Invest Blooms spricht aktuell jedenfalls nichts, zumal ein solches Unterfangen bei einem eingetragenen Verein wie dem 1. FC Nürnberg große Wellen schlagen würde. Stattdessen dürfen sich die Fans auf eine wahrscheinlich äußerst spannende Transferphase freuen, die maßgeblich vom Datenscouting von JTA beeinflusst sein wird. Vielleicht kommt der nächste Rekord-Einkauf nächstes Jahr wirklich aus Bhutan oder Venezuela.

Verwandte Themen


1 Kommentar