Ein Verein im Umbruch

Der Club wird 122: Happy Birthday, ganz normaler Zweitligist

Fadi Keblawi

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4.5.2022, 08:29 Uhr
Als noch Fußspitzen für ausgelassene Freude sorgen mussten: Fabian Schleusener und der Club in Ingolstadt.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, NN Als noch Fußspitzen für ausgelassene Freude sorgen mussten: Fabian Schleusener und der Club in Ingolstadt.

Immerhin lebt er noch. Als der 1. FC Nürnberg vor zwei Jahren runden Geburtstag feierte, tat er das in angemessener Aufregung. Die Pandemie hatte gerade begonnen, der Fußball machte noch Pause - aber der Club hatte in der Saison 2019/20 bis zum Mai schon angedeutet, dass die Dinge auch im Alter von 120 Jahren kompliziert werden können.

Auf Platz 14 stand die Mannschaft von Trainer Jens Keller vor der Unterbrechung, mit einem 0:1 beim FC Sankt Pauli ging es danach weiter. Es wurde dann nicht kompliziert, es wurde chaotisch. "Existenzbedrohend" hörte man damals viele aus dem Verein sagen, wenn sie über die Situation dieses immer noch stolzen Clubs reden sollten. Es drohte zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte der Abstieg in die dritte Liga.

Der Rest ist Geschichte, weshalb Fabian Schleusener und die 96. Minute von Ingolstadt immer einen Platz haben in den zukünftigen Erzählungen vom 1. FC Nürnberg. Man musste sich damals schon schon sehr anstrengen, um einen Verein noch zu mögen, der von der Fußspitze eines Stürmers gerettet wurde, der als Hoffnungsträger verpflichtet worden war, ansonsten in dieser Spielzeit aber tatsächlich kein einziges Mal getroffen hatte.

Am Mittwoch ist dieser Verein 122 Jahre alt geworden - und wirkt tatsächlich wiederbelebt, zumindest nicht mehr von Fußspitzen abhängig.

Akzeptierte Realität?

Wer sich vor zwei Jahren, während dieser atemberaubenden Unglückssaison also, mal nach dem 1. FC Nürnberg erkundigte, der hörte neben der Erzählung von der Existenzbedrohung immer auch das: Der Club sei inzwischen nunmal ein ganz normaler Zweitligist. Verbunden wurde das mit der beinahe flehentlichen Bitte, diese Realität doch endlich einmal zu akzeptieren.

Zwei Jahre später ist der Club? Ein ganz normaler Zweitligist. Oder? "Von der Tradition und der Strahlkraft her, ist der Club ein Bundesligist", hatte Sportvorstand Dieter Hecking schon bei seinem Amtsantritt nach der Beinahe-Havarie gesagt und meinte mit Bundesligist: Erstligist.

Es geht nach oben

Ganz ähnlich klingt das heute bei Trainer Robert Klauß, den Hecking als eine der ersten Diensthandlungen verpflichtet hatte, und unter dem es in den vergangenen zwei Jahren sehr kontinuierlich bergauf ging. Man kann das ablesen an den harten Fakten wie den Punkten in der Schlusstabelle. 19 waren es am Ende des Erstligajahres, 37 beim Beinahe-Abstieg in die dritte Liga, 44 nach dem ersten Jahr unter Klauß. Aktuell haben sie 51 Punkte gesammelt und noch zwei Spiele, um diese Bilanz zu verbessern.

Der Aufwärtstrend zeigt sich mitunter aber auch an anderen Dingen. Beim Training am Mittwoch zum Beispiel schaute eine sehr motivierte Kindergartengruppe vorbei und machte es sich unter lautem "FCN"-Geschrei am Spielfeldrand gemütlich. Als das Training vorbei war, schaute Klauß bei den Kindern vorbei und kickte noch ein wenig mit ihnen. "Denen kann man noch am meisten eine Freude machen", erklärte Klauß, warum er alle anderen hatte warten lassen.

Besonderes Nürnberg

Freude machen - auch das ist eine Motiv der Arbeit vom Klauß am Valznerweiher. Der Club sei ein Verein, "in dem der Pessimismus tief verankert ist", hatte Klauß kürzlich den 11Freunden gesagt. Das ist vielleicht normal bei einem ganz normalen Zweitligisten, aber Klauß will das ändern. Zumal auch für ihn der Club kein ganz normaler Zweitligist ist. Er führt die gleichen Argumente an wie einst Hecking: "Wenn man uns sieht als Club in der Gänze mit Fans, Umfeld, Historie, Erfolge - dann sind wir sicher kein normaler Zweitligist." Zu jedem Zweitligisten, sagt Klauß, wäre er da vor zwei Jahren nicht gewechselt: "Es war schon, dass ich gesagt habe: Oh, wenn Nürnberg mich fragt, dann ja."

Er sagt aber auch: "Wenn man aber auf die reinen Zahlen schaut wie Etat, Umsatz, Erlöse oder Kaderqualität, dann sind wir aktuell ein Zweitligist. Aber einer mit dem Ziel, es zu schaffen, dass wir immer wieder ein realistischer Kandidat sind, um Erstligist zu werden."

Optimismus in der Stadt

Auf dem Weg dorthin, glaubt Klauß, haben sie "wieder eine optimistische Sichtweise in Stadt und Umfeld geschaffen", was ja auch schon eine Leistung ist. Alles andere soll folgen. Klauß will mitgestalten, gerne auch den ganzen Verein. "In erster Linie geht es aber darum, mit der Mannschaft wieder eine Identifikation zu stiften. Das ist die Basis", sagt Klauß. Offensichtlich will er sich Zeit nehmen für die Aufgabe.

"Ich bleibe so lange hier, wie Dieter Hecking glaubt, dass wir zusammen etwas erreichen können", hat Klauß am Ende seiner ersten Saison in Nürnberg gesagt. Vielleicht feiern sie ja den nächsten runden Geburtstag gemeinsam - als ganz normaler Erstligist.

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