Club-Assistent Schweinsteiger: "Der Beste, der man sein kann"

3.9.2020, 16:34 Uhr
Nürnbergs neuer Co-Trainer: Tobias Schweinsteiger.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Nürnbergs neuer Co-Trainer: Tobias Schweinsteiger.

Der ältere Bruder des Weltmeisters Bastian wurde gerade zu aktiven Zeiten gerne als eben dieser tituliert, "als der Bruder von Basti", als "der Andere". Sein Name, der im Kollektivgedächtnis der deutschen Fußballfans unweigerlich das legendäre Bild eines Kämpfers mit blutigem Gesicht im WM-Finale 2014 hervorruft, wurde selten ohne den entsprechenden Nachschub zum bekannten Bruder gelistet. Sein Erfolg steht freilich hinter dem des Weltmeisters, des Champions-League-Sieger, des einstigen Fußballers des Jahres. Doch das ist für den neuen Co-Trainer des 1. FC Nürnberg nicht der Maßstab.

Er habe versucht, "der beste Fußballer zu sein, der ich selbst sein kann". Und das, bilanziert der einstige Angreifer, "habe ich ganz gut hingekriegt". Mit dem SSV Jahn Regensburg feierte der Stürmer, der sich nach einer Jugend als Skifahrer erst spät für den Fußball entschied, 2012 als Top-Torschütze (14 Treffer) den Aufstieg in die 2. Bundesliga. In der Reserve des FC Bayern München avancierte der frühere Löwen-Fan aus Oberaudorf in der Mannschaft zum Führungsspieler, bei den Fans zur Identifikationsfigur. Weil er einer von ihnen war, ein spielender Fan. Der nach dem um eine halbe Minute verpassten Aufstieg auf dem Rasen weint. Der aber auch nach einem Derby-Sieg auf dem Zaun steht, einen Strohhut auf dem Kopf, und mit den Fans feiert. Der den Fußball liebt wie all die Anhänger auf den Rängen.


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Auf Twitter teilte Schweinsteiger zwei Monate vor seinem Amtsantritt beim 1. FC Nürnberg ein Zitat des früheren Trainers Sir Bobby Robson: Was einen Klub ausmacht, fragt er da. Nach Aussage des Engländers sind das die Lautstärke und die Leidenschaft, der Stolz in der Stadt. Der kleine Junge, der an der Hand seines Vaters die Treppe im Stadion hinaufsteigt – und sich verliebt.

Beim Club, dem ruhmreichen Altmeister, der seine Fans kontinuierlich zwischen Tränenmeer und Freudenhimmel wandeln lässt, dürfte der 38-Jährige entsprechend den Inbegriff eines "Klubs" nach Robsons Definition gefunden haben. Seit mittlerweile knapp vier Wochen ist Schweinsteiger am Neuen Zabo als Assistent des drei Jahre jüngeren Robert Klauß aktiv. Seine ersten Eindrücke sind "richtig gut". Rein sportlich war es dem Trainerteam frühzeitig gelungen, seine Ideen in die Mannschaft zu implementieren. Mit Spaß und harter Arbeit, herrscht doch sowohl in der Kabine als auch auf dem Platz "ein gutes Klima".

Auch das nahezu komplett neu formierte Sextett um Chefcoach Klauß habe "schnell als Trainerteam zusammengefunden". Die Aufgaben sind klar verteilt, "jeder hat sein Steckenpferd". Während Tobias Dippert für die Athletik und die Rehabilitation der Akteure zuständig sind, verantwortet Maurizio Zoccola die Analyse, Dennis Neudahm die Torhüter, Frank Steinmetz ist Assistenzcoach. Und Schweinsteiger? "Wie immer als Co-Trainer gilt es, den Cheftrainer in der tagtäglichen Arbeit zu unterstützen", erklärt der Übungsleiter, der derzeit parallel zu seinem Engagement am Valznerweiher in durchschnittlich ein bis zwei Präsenzphasen pro Monat in der Sportschule Hennef die Ausbildung zum Fußballlehrer absolviert.

Zu seinem Aufgabenbereich zählt neben der Vor- und Nachbereitung der Spiele und Trainingseinheiten auch die Durchführung letzterer. "Robert lässt uns viel Einfluss haben, lässt uns viel machen, lässt uns viel teilhaben. Er führt die Truppe richtig gut und sehr strukturiert. Genau so stelle ich mir das Arbeiten im Trainerteam vor", lobte Schweinsteiger seinen Kollegen. Die Chemie zwischen dem Coach und seinem Assistenten scheint zu stimmen – und dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum sich Schweinsteiger letztlich für Nürnberg entschied. Der Aussicht auf die Zusammenarbeit mit Dieter Hecking, an dessen Seite er bereits in Hamburg aktiv war, ordnet er nur eine "Nebenrolle" zu. "Ausschlaggebend", so der Assistenztrainer, "waren die Gespräche mit Robert. Da haben sich viele Punkte getroffen."

Auch einige Gemeinsamkeiten konnte Schweinsteiger ausmachen, insbesondere was die Idee und Struktur von Fußball angeht. Da bewundert er die Schule von "El Loco" Marcelo Bielsa, aber auch die Philosophie des Italieners Gian Piero Gasperini, der mit Atalanta Bergamo unlängst ein Fußballmärchens schrieb. Ein Stilmittel, das die Mannschaften beider Fußballlehrer gleichermaßen mustergültig praktizieren? Pressing. Und das zählt bekanntlich auch zu den Kernelementen des RB-Spiels. Und damit nahezu zwangsläufig zu Club-Coach Robert Klauß, der ein Jahrzehnt für die Sachsen aktiv war. Erst als Jugendtrainer, später als Assistent bei den Profis, ehe er in diesem Sommer erstmals den Schritt auf die Position eines Cheftrainers im Profifußball wagte.


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"Irgendwann" wird auch Tobias Schweinsteiger diesen Schritt gehen. Nochmal, denn 2019 war er bereits fünf Monate in einer Art Doppelspitze mit Andreas Wieland beim FC Juniors OÖ in dieser Position aktiv. Sein Engagement beim österreichischen Zweitligisten aus Pasching habe dem Teamchef, wie seine damalige Berufsbezeichnung offiziell lautete, "einen Riesen-Spaß" bereitet. "Irgendwann wird der Step kommen", das hofft er zumindest, wie er seiner persönlichen Zukunftsprognose direkt nachschob. Irgendwann. Bis dahin "ist das in meinem Kopf", sein Fokus richte sich aber auf seine Tätigkeit in Nürnberg. "Ich lebe viel im Hier und Jetzt", erklärt er – wieder eine Floskel, die der Fußballfan anwendet und die bei ihm dennoch glaubwürdig wirkt. Und da, im Hier und Jetzt, versucht er, der beste Trainer zu sein, der er sein kann. "Das ist die Benchmark."

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