Das ist der neue Sportdirektor der Ice Tigers

14.3.2021, 14:35 Uhr
„Es geht mir beim Eishockey auch immer darum, zusammen zu gewinnen und auch zusammen zu verlieren": Stefan Ustorf will wieder Teil eines Teams sein. 

© imago sportfotodienst „Es geht mir beim Eishockey auch immer darum, zusammen zu gewinnen und auch zusammen zu verlieren": Stefan Ustorf will wieder Teil eines Teams sein. 

Stefan Ustorf hatte seinen Gegenspieler nicht kommen sehen. Aber er spürte dessen linke Schulter auf seinem Kopf aufschlagen. Ustorf drehte sich, schlug mit dem Helm auf dem Eis auf. Er wurde vom Eis geführt, es war die letzte Szene in einer langen, beispiellos erfolgreichen Karriere. Der Eishockeyspieler Ustorf steht für fünf Meistertitel mit den Eisbären Berlin, 59 Spiele in der National Hockey League, für vier Olympia-Teilnahmen, aber auch für diesen einen Check, der sein weiteres Leben geprägt hat. Den Sportdirektor Ustorf zunächst auf diese Szene zu reduzieren, mag der aufsehenerregenden Verpflichtung der Ice Tigers nicht gerecht werden, aber gerade an diesem Wochenende ist es zwingend, Ustorfs Vergangenheit mit der Gegenwart in der Deutschen Eishockey Liga verbinden.

Am Donnerstagabend hatte Marcus Weber seinen Gegenspieler nicht kommen sehen. Aber er spürte, wie die Schulter von Mitchell Heard auf seinen Kopf aufschlug. Auch er drehte sich, schlug auf dem Eis auf, verlor dabei seine Handschuhe, realisierte, dass er den Check gut überstanden hatte, stand auf und stürzte sich auf den Straubinger Heard. Auch Weber hat schon Gehirnerschütterungen überstanden, wie nahezu jeder Profi in der DEL, er weiß um die Gefahren. Er weiß, dass er damals Glück hatte und auch an diesem Donnerstagabend in der Eishalle am Pulverturm Glück hat. Ehe er seine Wut an Heard loswerden kann, wird er von den Schiedsrichtern weggezogen. Weber bekommt eine Spieldauerstrafe, weil ein Angriff, egal wie harmlos, ohne Handschuhe in Zeiten der Corona-Pandemie eben genau so bestraft wird. Heard muss auf die Strafbank, exakt zwei Minuten lang, weil vier Schiedsrichter auf dem Eis nicht gesehen haben, wie gefährlich Heards Check gegen den Kopf von Weber war. Am Tag danach ärgert sich Weber über diese offensichtliche Ungerechtigkeit. Die Ice Tigers aber beruhigen ihn, Heard, heißt es, werde sicherlich nachträglich gesperrt.

"Der dreckigste Check der Saison"

Heard war schon zweimal nachträglich vom Disziplinarauschuss der DEL gesperrt worden. Beim ersten Mal hatte der mittlerweile 29 Jahre alte Kanadier im Dezember 2018 hemmungslos auf den bereits auf dem Eis liegenden Berliner Danny Richmond eingeprügelt. Drei Spiele stand er danach den Straubing Tigers nicht zur Verfügung. Drei Spiele wurde er gesperrt, nachdem er Mitte Februar den Ingolstädter Daniel Pietta von der Bank aus mit seinem Schläger attackiert hatte. Das Spiel gegen Ice Tigers war das zweite nach seiner Sperre. 23 Minuten ist Heard nicht aufgefallen, dann erlaubte er sich etwas, das ein unbeteiligter DEL-Profi „als den dreckigsten Check der Saison“ bezeichnet hat. Die DEL sah trotzdem keinen Grund, ihn über die zwei Strafminuten hinaus zu bestrafen.

Im Game-Center der DEL, einer Art Kontrollraum in Neuss, in dem die Geschehnisse in den Arenen und Eishallen überwacht werden, kam man am Freitagabend noch zur der Entscheidung, gegen Heard kein nachträgliches Verfahren einzuleiten. Eine Entscheidung, die am Samstag nicht nur bei den Ice Tigers Fassungslosigkeit ausgelöst hat. „DEL erwägt härtere Strafen nach dem Fall Ustorf“ titelte spox.com – ziemlich genau vor neun Jahren.

"Ein absoluter Leader"

Ustorf tritt als Nachfolger von André Dietzsch in Nürnberg an, die Ice Tigers sind Letzter der Süd-Gruppe, sehr wahrscheinlich werden sie zum ersten Mal seit 2012 nicht an den Playoffs teilnehmen. Es gäbe viel zu besprechen, auch über das wahrscheinliche Ende von Ustorfs großartigem Podcast-Projekt „Bend your knees“, sein eher tristes Ende als Funktionär bei den Eisbären, seine Ziele mit den Ice Tigers, seine bisherige Beziehung zu Cheftrainer Frank Fischöder, über sein Netzwerk und seine Beziehungen nach Nordamerika. Wenn der 47-Jährige am Montag um 13 Uhr offiziell vorgestellt wird, wird er aber sicher auch zum Foul an Weber befragt werden; einen besseren Gesprächspartner wird man im deutschen Eishockey dafür kaum finden – leider.

„Ich freue mich außerordentlich darüber, dass es uns gelungen ist, Stefan Ustorf nach Nürnberg zu holen. Als Spieler war er nicht nur unglaublich erfolgreich, sondern auch ein absoluter Leader, der alles für den Erfolg getan hat. Genau diese unbestrittenen Führungsqualitäten, die Erfahrungen aus seiner Zeit bei den Eisbären und sein weltweites Netzwerk soll und wird er in seine neue Aufgabe als Sportdirektor bei uns einbringen“, ließ Geschäftsführer Wolfgang Gastner bis dahin ausrichten. „Stefan wird den gesamten sportlichen Bereich verantworten, vor allen Dingen natürlich die Kaderplanung, das Scouting und die tägliche Arbeit mit dem Trainerteam. Da wir hier keine Zeit verlieren wollen und dürfen, war es beiden Seiten wichtig, sofort mit der Zusammenarbeit zu beginnen und unsere eingeschlagene Philosophie weiter zu verfolgen.“

Die ewige Nummer 14

Ustorf will zunächst viel mit Trainern, Spielern und Mitarbeitern des Klubs sprechen, um den Zustand der Ice Tigers zu analysieren. „Was mir gefehlt hat ist, Teil einer Gruppe zu sein, die wirklich Einfluss hat auf das, was auf dem Eis passiert und auch auf die Resultate“, hat er in einem Interview mit dem RBB gesagt. „Es geht mir beim Eishockey auch immer darum, zusammen zu gewinnen und auch zusammen zu verlieren.“ Dass Letzteres mit ihm ein Ende hat, darauf hoffen die Ice Tigers.

In "Bend your knees" hatte Ustorf immer wieder erzählt, dass er sich jedes DEL-Spiel angesehen habe, über die Ice Tigers sprach der 128-malige Nationalspieler dabei auch immer wieder - als Beobachter. Ab Montag ist der Mann, den sie "Hooligan" nannten und dessen Nummer 14 bei den Eisbären nicht mehr vergeben wird, selbst ein Ice Tiger.

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