Ex-HCE-Rechtsaußen Rahmel: "Eine merkwürdige Meisterschaft"

23.4.2020, 11:04 Uhr
Eine Meisterschaft per Kurzmitteilung: Ole Rahmel feiert mit dem THW Kiel den größten Erfolg seiner Karriere – auch wenn er sich die Feier anders vorgestellt hatte.

© Axel Heimken, dpa Eine Meisterschaft per Kurzmitteilung: Ole Rahmel feiert mit dem THW Kiel den größten Erfolg seiner Karriere – auch wenn er sich die Feier anders vorgestellt hatte.

Ole Rahmel, 30 Jahre alt, wuchs auf der Nordseeinsel Norderney auf. Er besuchte das Gummersbacher Handballinternat und gewann mit dem VfL Gummersbach den EHF-Pokal und den Europapokal der Pokalsieger. Von Tusem Essen wechselte Rahmel 2013 zum HC Erlangen, den er mit 221 Toren zum Aufstieg warf. Im Sommer 2017 schloss sich Rahmel dem THW Kiel an, in der deutschen Nationalmannschaft hatte er im April 2015 debütiert. Nun ist er durch den vorzeitigen Saisonabbruch wegen der Corona-Krise vorzeitig Deutscher Meister mit dem THW Kiel. EN-Redakteur Christoph Benesch hat mit Ole Rahmel gesprochen.


Es braucht ein paar Anläufe, bis die Verbindung steht. "Die Fähre fährt hier so einen Knick, da ist immer schlechte Verbindung", entschuldigt sich Ole Rahmel. Für ein paar Tage war er nach Norderney gefahren und hat dort seine Mutter in der Quarantäne unterstützt. Nun geht es zur Freundin in den Süden, nach Erlangen, wo Rahmel mit dem HC Erlangen zwei Bundesligaaufstiege feierte und zum Publikumsliebling avancierte, bevor er zum großen THW Kiel wechselte. Am Dienstagabend hatte der 30 Jahre alte Rechtsaußen per Kurzmitteilung vom Saisonabbruch und seiner ersten Deutschen Meisterschaft im Handball erfahren. Ein Gespräch über verrückte Tage, geplatzte Träume und eine ungewisse Zukunft.

Herr Rahmel, zunächst: Gratulation zur Deutschen Meisterschaft!

Ole Rahmel: Ja, vielen Dank. Es fühlt sich noch ein wenig fremd an, ehrlich gesagt.

Sie sind ja auch in der Geschichte der Bundesliga der erste, der sich mit seinen Teamkollegen nicht mit einem Kater am Morgen nach dem Triumph herumquälen muss.

Rahmel: Das stimmt, in der Vergangenheit wurden Erfolge immer anders gefeiert, auch von mir. Sicher fehlt uns aufgrund der Gesamtsituation diese besondere Emotion, die eine Meisterschaft ausmacht und von der ich geträumt hatte: Einmal auf dem Rathausbalkon vor zehntausend Fans den Titel zu feiern. Das fällt aus.

Fühlen Sie sich dann überhaupt als rechtmäßiger Deutscher Meister? Immerhin wurde die Liga mitten in der Restrunde abgebrochen.

Rahmel: Zwei Spieltage vor Saisonschluss hätte es sich sicher nochmal anders angefühlt. Aber ich glaube, dass wir es unter diesen besonderen Umständen trotzdem verdient haben. Wir haben bislang eine herausragende Saison gespielt, wir waren nach jeder Rechnung ganz oben in der Tabelle. Daher bin ich stolz auf das, was wir geleistet haben.

Sehen das die Rivalen aus Flensburg, aus Magdeburg auch so?

Rahmel: All die Glückwünsche, die ich bislang erhalten habe, sind ehrlich und voller Anerkennung. Da waren keine Provokationen dabei. Die meisten haben auch ehrlich zugegeben, dass sie damit gerechnet haben, dass wir es heuer schaffen – und wir waren uns da als Team auch sicher.

Rahmel: Am Küchentisch per SMS zum Meister geworden

Wie haben Sie von Ihrer allerersten Meisterschaft der Karriere erfahren – es gab ja keinen Spannungsbogen mehr, keine Schlusssirene, keine Explosion der Gefühle. . .

Rahmel: Ich war die vergangene Woche auf Norderney bei meiner Mutter. Wir saßen gerade beim Frühstück, als ich eine Kurzmitteilung des Vereins bekommen habe, dass die Saison abgebrochen wurde und wir Meister sind.


Fiktionale Saisontabelle: HC Erlangen schneidet nicht gut ab


Deutscher Meister per SMS, sozusagen?

Rahmel: Ja, sozusagen. Eine merkwürdige Situation. Genau weiß ich den Wortlaut nicht mehr, aber es ging in die Richtung: "Starke Leistung, herzlichen Glückwunsch, Jungs: Wir sind Deutscher Meister!" Dann gab es Lob vom Trainer, von der Vereinsführung für eine starke Runde, dafür, dass wir uns das verdient haben trotz der besonderen Situation und dass wir gute Arbeit geleistet haben.

...und dann haben Sie eben mit Ihrer Mutter ein Glas Sekt getrunken?

Rahmel: Nein, gar nicht. Natürlich haben wir uns gefreut, es war aber vielmehr eine Art Bestätigung für etwas, womit ich schon länger gerechnet habe. Es war relativ unspektakulär.

Wir Sport-Profis sollten uns momentan mal zurücknehmen

Ist das nicht traurig? Immerhin arbeiten manche Sportler ihr Leben lang auf so einen Erfolg hin, träumen davon als Kind.

Rahmel: Einerseits schon, natürlich. Andererseits aber sollten wir uns als Sport-Profis momentan auch mal zurücknehmen, finde ich. Diese Demut schadet nicht, denn der Sport, selbst so eine Meisterschaft, rücken doch in den Hintergrund, einfach, weil es viel Wichtigeres gibt auf der Welt als Handball, sogar unmittelbar vor der Haustür.

Das heißt, es hat bislang kaum jemand mitbekommen, dass Sie jetzt den größten Erfolg Ihrer Karriere feiern?

Rahmel: Ganz so ist es nicht. Ich war mit meiner Mutter gestern noch bei der Eisdiele. In der Warteschlange hat mich tatsächlich jemand erkannt und mir gratuliert. Das hat mich sehr gefreut. Aber für die Insulaner ist das ohnehin etwas Besonderes, wenn sozusagen einer von ihnen einen großen Titel gewinnt.

Herr Rahmel, Ihr Vertrag läuft aus, Sie verabschieden sich mit der Meisterschaft. Wie geht es für den Insulaner weiter?

Rahmel: Das weiß ich leider noch nicht. Ich fahre zweigleisig, plane auch für eine Zeit nach der Karriere. Aber ich fühle mich sportlich noch fit genug, weiter Handball zu spielen. Ich habe einen unterschriftsreifen Vertrag aus dem Ausland vorliegen – aber ob ich den antreten kann? Vereine sind Wirtschaftsunternehmen, die Krise ist noch nicht vorbei. Kurzum: Ich weiß es schlichtweg nicht.

Dann könnte es passieren, dass Ole Rahmel seinen anderen Traum wahr macht und Inselbier auf Norderney braut?

Rahmel: Nein, ich wollte in den Staatsdienst gehen. Aber warten wir erst mal ab.


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