Geisterrennen am Norisring? Nächste Runde im Teufelskreis

25.4.2020, 10:56 Uhr
Sicherheitsabstand am Dutzendteich: Aufgeben will man den Norisring in diesem Jahr noch nicht.

© Sportfoto Zink / Heiko Becker Sicherheitsabstand am Dutzendteich: Aufgeben will man den Norisring in diesem Jahr noch nicht.

Wer in diesen Tagen regelmäßig mit Wolfgang Schlosser telefoniert, der kann bereits aus dem Timbre seiner Stimme heraushören, wie ihm die Krise immer mehr zusetzt. Und das hat zunächst einmal überhaupt nichts mit schnellen Autos zu tun. Schlosser ist auch Vorstand des Motorsport-Clubs Nürnberg, er ist aber vor allem Inhaber einer Getränkefachhandlung; ein Familienunternehmen, vierte Generation. Umsatzrückgang derzeit: 97 Prozent. Wolfgang Schlosser weiß also, was viele Menschen derzeit umtreibt. Ein Autorennen ist es eher nicht.

+++ Norisring trotz Corona? Einen Rennen, das kaum zu gewinnen ist +++

Als Vorstand des MCN muss ihn natürlich aber ein Autorennen umtreiben, mit dem Norisring bietet der Verein Jahr für Jahr der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft eine imposante Bühne, imposanter geht es nördlich von Monaco gar nicht. Über 100.000 Besucher füllen dann die Tribünen rund um den Dutzendteich, bei der vergangenen Ausgabe schaute sogar Fürst Albert der Zweite vorbei, um sich ein Bild von diesem "fränkischen Monaco" zu machen.

Ein Wochenende lang blickt die Welt dann immer auf Nürnberg, was nur ein bisschen übertrieben ist. In 140 Ländern werden Bilder des Rennens ausgestrahlt, was der entscheidende Grund sein dürfte, weshalb in diesen Tagen über ein sogenanntes Geisterrennen vom 10. bis zum 12. Juli am Norisring diskutiert wird.

Großveranstaltungen sind bis Ende August verboten, aber wenn man das Publikum vor Ort aussperrt, die Fahrer nur Lack und keine Schweißtropfen austauschen, dann könnte es dafür doch eine Genehmigung geben. So lautet der Gedankengang der ITR, die hinter der DTM steht, offiziell nicht von Geisterrennen sprechen möchte, aber das Ziel verfolgt, "auf die Rennstrecke zurückzukehren, sobald dies unter sicherheitstechnischen und gesundheitlichen Gesichtspunkten möglich und vertretbar ist".

Schlosser: "Man würde den Menschen eine Freude machen"

Wenn sonst kaum Sport stattfindet, würde die Welt – oder würden zumindest die Sat.1-Zuschauer – vielleicht noch ein bisschen mehr nach Nürnberg blicken; relativ hohe Einschaltquoten wären wohl garantiert, es könnte Werbung für die Stadt sein und "man würde den Menschen eine Freude machen", glaubt Schlosser.

Eine "charmante Idee" nennt er das, was er vor wenigen Wochen eigentlich noch ausgeschlossen hatte. Und was die Verantwortlichen der Rennserie nun aber offenbar den lokalen Veranstaltern ans Herz legen, um doch noch irgendetwas von der Saison zu retten.

Tausend Menschen am Norisring, trotz allem

Der Motorsport-Club steckt dabei in einem Teufelskreis. Wer Argumente sucht, die gegen ein Geisterrennen sprechen, der muss gar nicht bei den Kritikern anrufen, die kann Schlosser auch selbst aufzählen. Nur hat der Verein jährlich rund 140.000 Euro Betriebskosten, unter anderem zahlt er der Stadt Miete für Lagerflächen. Würde das Rennen gestrichen, wäre "kein Geld da zum Überleben", sagt Schlosser: "Wir müssten zum Bittsteller werden."

Das Norisring-Rennen lebt von seiner Fan-Nähe, in diesem Jahr würde der Fürther BMW-Pilot Marco Wittmann aber auf leere Ränge blicken. Wenn überhaupt.

Das Norisring-Rennen lebt von seiner Fan-Nähe, in diesem Jahr würde der Fürther BMW-Pilot Marco Wittmann aber auf leere Ränge blicken. Wenn überhaupt. © Foto: Heiko Becker/Zink

Die Perspektive, das Rennen ohne Zuschauereinnahmen zu finanzieren, ist allerdings nicht minder düster. DTM-Boss Gerhard Berger hat bereits deutlich gemacht, dass man mit Veranstaltungen dieser Art im Gegensatz zur Formel 1 keinen Gewinn macht. Der MCN wäre also wohl auf sich alleine gestellt und müsste sich Sponsoren suchen, um den Aufbau zu finanzieren. Ein "paar Hundertausend Euro" würde dieser laut Schlosser kosten, weil man zwar Videoleinwände weglassen könnte und weniger Ordner bräuchte, ohne Fangzäune, Reifenstapel, Sanitäter und Streckenposten geht es aber natürlich trotzdem nicht. Rund Tausend Menschen, hat Schlosser ausgerechnet, wären wohl trotz allem auf und neben der Strecke unterwegs. Also doch: eine Großveranstaltung?

Und was sagt die Stadt Nürnberg? 

Bei der Stadt ist noch kein entsprechender Antrag eingegangen, heißt es, bis dahin will man sich zu der "charmanten Idee" noch keine Meinung bilden. Sollte die Rückkehr auf die Strecke trotz der großen Herausforderungen möglich sein, bliebe ja immer noch die Frage: Ist sie auch vertretbar?

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