Am Mittwoch kommt Mannheim

Müssen sich die Ice Tigers von einem Feindbild verabschieden?

Sebastian Böhm

Sportredaktion

E-Mail zur Autorenseite

15.3.2022, 16:30 Uhr
Zu Beginn der Pandemie schaute die Kanzlerin noch genau hin, was Pavel Gross hinter der Mannheimer Bande aufführte. 

© Sportfoto Zink / Thomas Hahn, NN Zu Beginn der Pandemie schaute die Kanzlerin noch genau hin, was Pavel Gross hinter der Mannheimer Bande aufführte. 

Der Plan war gut, doch Pavel Gross noch nicht soweit. Gross, vor 53 Jahren in Usti nad Labem geboren, einst als Spieler Deutscher Meister, später auch als Trainer, sollte zum ruhmreichen tschechischen Eishockeyverband wechseln, als Co-Trainer der ersten Mannschaft. Das sei eine „riesengroße Ehre für ihn“, stellte Jan-Axel Alavaara fest. „Ich freue mich für Pavel, dass er sich in solchen Gesprächen befindet.“ Gross ist noch bis 2024 vertraglich gebunden. Es klang allerdings nicht so, als würde Mannheims Sportdirektor den Cheftrainer mit aller Macht halten wollen.

Gross aber lehnte ab. Mit einem solchen Anruf habe er überhaupt nicht gerechnet. Aber, sagte er der tschechischen Tageszeitung Sport, „ich brauche die tagtägliche Arbeit. Ich will eine Mannschaft entwickeln und Teil dieser Progression sein“.

Sabo wütet, Gross grinst

Das hätte eine gute Nachricht sein können, für Alavaara, für die Adler, für Mannheim, für die Deutsche Eishockey Liga. Gross gilt als einer der besten Trainer, die die DEL seit ihrer Gründung 1994 hervorgebracht hat. Den EHC Wolfsburg, von Volkswagen finanziert, wirtschaftlich aber klar hinter Mannheim, München und Berlin platziert, führte er regelmäßig in die Finalserie. Gross verlor stets, dabei kam es zu einer eindrücklichen Szene, die ihn perfekt beschreibt. Während draußen auf dem Eis die Konfettikanone abgeschossen wurde, um den EHC München als Meister zu feiern, beobachtete der Journalist Günter Klein den Vizemeistertrainer in den Katakomben. Alleine vor dem Laptop analysierte Gross das verlorene letzte Finalspiel - ein halbes Jahr vor dem nächsten Pflichtspiel.

Gross ist ein Getriebener. Genau so einen hatten sie Mannheim gebraucht, wo Etat und sportliche Leistung nicht immer miteinander korrespondiert hatten. Gross aber schien ein Trainer zu sein, der DEL-Stars aus ihrer Komfortzone holt. Dass er als Profi mit den Adlern einst drei Mal in Folge Meister geworden war – 1999 im Nürnberger Lindestadion -, das passte perfekt in die Geschichte. Endlich kam in Mannheim wieder zusammen, was niemals hätte getrennt werden dürfen. In Nürnberg sah man das genauso. Unter den Fans der Ice Tigers hatte Gross mitgeholfen, mehrere Traumata auszulösen, erst als Mittelstürmer in den Playoff-Serien 1997 und 1999, dann als Wolfsburger Trainer. Auch da kam es zu einer unvergessenen Szene. Nach einer Strafe gegen die Ice Tigers stürmte Thomas Sabo aus seiner Loge die Tribüne hinunter, um Schiedsrichter, den gefoulten Gerrit Fauser und Pavel Gross zu beschimpfen. Gross grinste.

"Kleine Esel"?

Die Souveränität aber scheint ihm abhandengekommen zu sein. Nach seiner ersten Saison in Mannheim wurden zwar erneut die Konfettikanonen aktiviert, diesmal für die Adler und ihn. Die erste Corona-Saison aber endete vor einem Jahr bereits im Halbfinale gegen Wolfsburg und einer bemerkenswerten Pressekonferenz. „Durch die Unfähigkeit der DEL - als einziger Liga auf der ganzen Welt über alle Sportarten - wurde die Saison immer wieder verschoben und verschoben“, stellte Gross wütend fest. Alavaara distanzierte sich danach von den Anschuldigungen seines Trainers. Es war nur ein Vorgeschmack.

In Mannheim soll Gross danach immer wieder durch zweifelhafte Aussagen über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie aufgefallen sein. Bestätigt ist, dass er die schweigende Mehrheit als „kleine Esel“ bezeichnet hatte – also unter anderem jene Fans, die unter 2G-plus-Regeln Heimspiele der Adler besucht hatten. Zwischendurch infizierte sich Manuel Kofler, Co-Trainer der Ice Tigers, mit dem Coronavirus – mit großer Wahrscheinlichkeit in Mannheim. Bei der Pressekonferenz saß er ohne Maske neben Gross, dessen PCR-Test kurz darauf ebenfalls positiv ausfiel. Auf Nachfrage dieser Zeitung, ob Gross geimpft sei, antworteten die Adler, dass sie keine Angaben zum Impfstatus einzelner machten.

Nachfolger Söderholm

Erst im Dezember aber eskalierte die Situation. Dem Mannheimer Morgen sagte Daniel Hopp, der Hauptgesellschafter der Adler: „Als Trainer der Adler Mannheim Pressekonferenzen des Arbeitgebers zu missbrauchen, um persönliche Meinungen kundzutun, die Interpretationsspielraum zulassen, ist respektlos und gefährlich.“ Es folgten eine Aussprache, Gerüchte um Toni Söderholm, dessen Vertrag als Bundestrainer, ausläuft, und ein Abrutschen der Adler auf Platz vier. Auf dem Papier verfügt Gross weiterhin über eine herausragende Mannschaft, auf dem Eis sieht man das selten. Zuletzt verloren die Adler zu Hause gegen Spitzenreiter und Meister Berlin (0:4) und in München (2:5) – und hinterließen nicht den Eindruck einer Mannschaft, die getrieben ist.

Gross wechselt nicht nach Tschechien. Wenn sich die Adler am Mittwoch (19.30 Uhr) aber in Nürnberg vorstellen, könnte es dennoch vorerst das letzte Mal sein, dass die Ice Tigers ihrer Nemesis begegnen. Dieser Abschied sollte nicht allzu sehr schmerzen, auf beiden Seiten.

Keine Kommentare