Sechs Tore in sieben Spielen

Sheehy schießt, Sheehy trifft: Die Ice Tigers feiern ihren neuen Torjäger

30.9.2021, 05:59 Uhr
Spieler des Spiels: Am Sonntag wurde Sheehy nach seinem Hattrick gegen Straubing von Magentasport vor die Kamera zum Interview gebeten. 

© Sportfoto Zink / Thomas Hahn, Sportfoto Zink / ThHa Spieler des Spiels: Am Sonntag wurde Sheehy nach seinem Hattrick gegen Straubing von Magentasport vor die Kamera zum Interview gebeten. 

Einer fängt an, aufs Eis zu klopfen. Noch einer. Und irgendwann klopfen alle - bis auf Tim Fleischer. Der hat Geburtstag an diesem Mittwoch und muss deshalb nach dem Training durch ein Spalier von Ice Tigers, die ihm mit ihren Schlägern auf die Ausrüstung klopfen, manche liebevoll, andere so, dass es wehtut. Und als Tyler Sheehy danach erklären soll, warum er derzeit mit jedem Schuss ein Tor erzielt, steht Ryan Stoa hinter ihm und stochert so lange zwischen seinen Beinen herum, bis es ihm selbst langweilig wird.

Fünf Tage nachdem Frank Fischöder beurlaubt wurde, ist der Alltag in die Arena Nürnberger Versicherung zurückkehrt. Es herrscht offensichtlich gute Laune, an der es den Ice Tigers allerdings schon seit Jahren nicht mehr mangelt. Natürlich hätte das anders ausgesehen, wenn die Mannschaft am Sonntag beim 1:3-Zwischenstand nicht auch noch ihr zweites Gesicht gezeigt hätte. Und es liegt nahe, sich dabei das freundliche Gesicht Tyler Sheehys vorzustellen. Bis zu jenem Spiel gegen Straubing, das Sportdirektor Stefan Ustorf zum Charaktertest erhoben hatte, hatte der US-Amerikaner bereits dreimal getroffen. Das war erstaunlich in einer Mannschaft, die sich einen guten Saisonstart durch eine verheerende Chancenverwertung selbst sabotiert hatte. Gegen Straubing (6:3) aber legte er noch einmal drei Tore drauf, weshalb er am Mittwoch auch die Störversuche Stoas lächelnd ertrug.

Noch einer, der übersehen wurde

Dabei erklärte Sheehy gerade, warum er sich im Frühjahr dazu entschlossen hatte, nach Nürnberg zu ziehen, in eine Stadt, von der er gerade wusste, dass sie in Deutschland liegt. „Wobei ich auch über Deutschland nur wenig wusste.“ Sheehy ist in Minnesota aufgewachsen, einem Bundesstaat, der für seine Seen bekannt ist und dafür, dass auf diesen Seen im Winter Eishockey gespielt wird. Bereits die High-School-Meisterschaften sind ein Großereignis, für die University of Minnesota zu spielen, ist ein Privileg. Sheehy war sogar Kapitän der Golden Gophers und trotzdem kein Kandidat für die National Hockey League. Es war kompliziert, wie immer, wenn Spieler bei der jährlichen Talentauswahl der besten Liga der Welt übersehen werden.

Er schießt. Er trifft. In der Mannschaft der Ice Tigers fällt der US-Amerikaner durch seine Unbekümmertheit vor dem Tor auf. 

Er schießt. Er trifft. In der Mannschaft der Ice Tigers fällt der US-Amerikaner durch seine Unbekümmertheit vor dem Tor auf.  © Sportfoto Zink / Thomas Hahn, Sportfoto Zink / ThHa

Sheehy musste sich durch das Ligensystem kämpfen, wurde in der East Coast Hockey League nach 70 Punkten in 46 Spielen für die Allen Americans aber zum Neuling des Jahres gewählt. Es hätte folgen sollen: sein Durchbruch in der American Hockey League, sein erstes Spiel in der NHL. Es folgte: „Ein sehr hartes Jahr.“ Sheehy schaffte es tatsächlich ins Aufgebot der Iowa Wild, der zweiten Mannschaft des NHL-Klubs Minnesota Wild, nur eben nicht mehr, weiter auf sich aufmerksam zu machen. „Da sind schon sehr talentierte Spieler dabei, viele davon sind meine Freunde. Aber schon während der Saison habe ich mit meinem Berater darüber gesprochen, ob meine Zukunft nicht in Europa liegen könnte.“

"Like a breath of fresh air"

Wie jeder Eishockeyprofi kannte er Spieler, die nach Europa weitergezogen sind, weil sie keine Lust mehr hatten, zwischen ECHL und AHL hin- und hergeschoben zu werden, in der Hoffnung irgendwann in der NHL zu landen. Für Sheehy war das bereits nach einer Saison eine Option. Und „dann hat Stefan angerufen“. Stefan ist seit Samstag Sheehys Coach in Nürnberg, allerdings nur, bis er einen neuen Cheftrainer für die Ice Tigers gefunden hat. Als Sportdirektor hatte Ustorf Sheehy in der AHL spielen sehen und schnell gehandelt. Jetzt werden andere Sportdirektoren und Manager schnell handeln – und erkennen, dass die Ice Tigers den Mittelstürmer für ein Jahr gebunden haben, aber die Option auf ein weiteres Jahr besitzen. Man kann davon ausgehen, dass Ustorf dem 25-Jährigen bereits gesagt hat, dass er sich auf eine weitere Saison in Nürnberg einstellen kann.

Genau das war sein Ziel. Sheehy wollte seine Karriere in Deutschland starten, wobei der erste Eindruck kein guter war. In einem seiner ersten Wechsel verlor er den Puck im eigenen Drittel, offensichtlich beeindruckt von der feindseligen Stimmung in Iserlohn („Ich hatte einiges über die Fans in Deutschland gehört, aber darauf war ich nicht vorbereitet“). Sein erster Fehler führte sofort zu einem Gegentor. „Schlechter konnte es danach nicht werden.“ Es wurde sehr viel besser. Ab seinem zweiten Spiel fiel Sheehy durch sein Tempo auf, durch seinen schnellen Abschluss und durch seine Unbekümmertheit. „Was hier passiert“, sagt er noch, „fühlt sich nach dem letzten Jahr so an, als könnte ich endlich wieder durchatmen.“ Er lächelt, im November aber hat auch er Geburtstag.

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