Frankfurt schockt Fürth in der 94. Minute

Bitte kein Selbstmitleid: Wie das Kleeblatt das dramatische 1:2 verarbeitet

8.11.2021, 13:02 Uhr
Nicht zu fassen: Der gegen Frankfurt so starke Mittelfeldspieler Max Christiansen nach dem späten Knockout.  

© Sportfoto Zink / Melanie Zink, Sportfoto Zink / Melanie Zink Nicht zu fassen: Der gegen Frankfurt so starke Mittelfeldspieler Max Christiansen nach dem späten Knockout.  

Die beängstigende Stille hielt nur für ein paar Sekunden. Als die knapp 10.000 Menschen im Ronhof den Schock überwunden hatten, da bewiesen sie ein feines Gespür. Mit dem Schlusspfiff um kurz vor 21.30 Uhr waren die elf Männer in Weiß und Grün zu Boden gesunken, fast so, als hätte ihn jemand jegliche Energie aus dem Körper gezogen. Doch als sie sich nach einem kurzen Moment der Fassungslosigkeit wieder aufrichteten, da brandete ein immer lauter werdender Applaus auf.

Das Klatschen von den Rängen begleitete die Fußballer der Spielvereinigung Greuther Fürth nach dem dramatischen 1:2 gegen Eintracht Frankfurt in die Kabine. Dort war es danach sehr still, verriet Stefan Leitl später, mit jeder Minute realisierten sie ein bisschen mehr, was ihnen da gerade widerfahren war an diesem späten Sonntagabend. "Es ist natürlich schwierig", sagte der Fürther Trainer. "Wir haben ein sehr gutes Spiel gemacht und hätten sicherlich mehr verdient. Vielleicht sogar mehr als einen Punkt."

Der Blick auf die Anzeigetafel aber zeigte die bittere Wahrheit auf. Kleeblatt 1, Frankfurt 2. Schon wieder verloren. Zum neunten Mal in Folge. Ein Punkt nach elf Spielen. Negativrekord. Schlechtester Bundesligist aller Zeiten. Acht Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Es ist tatsächlich zum Verzweifeln. Eigentlich schon seit Wochen. Doch die Fürther zweifeln nicht, sie schaffen es, allen Widrigkeiten zu trotzen und immer weiterzumachen.

Das war am Sonntagabend mal wieder eindrücklich zu sehen. Das Kleeblatt spielte die Frankfurter Eintracht, die in der Europa League von Sieg zu Sieg eilt, in der vielleicht besten Halbzeit dieser Bundesliga phasenweise an die Wand. Die vermeintliche Not-Innenverteidigung aus den beiden Mittelfeldspielern Sarpei und Griesbeck stand sicher, weiter vorne auf dem Platz war die Spielfreude und der Glaube an die eigene Stärke zu spüren. So, als wäre all das Negative in den vergangenen Wochen und Monaten nicht passiert.

"Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Mannschaft nach diesen Rückschlägen so auftritt", sagte Stefan Leitl später. "Uns haben auch noch elf Spieler gefehlt, das ist nicht so einfach zu kompensieren." Die Fürther aber kompensierten es, spielten ansehnlichen Fußball - bis zum Strafraum, wo immer wieder kleine Details einen Torerfolg verhinderten. Mal war es ein ungenauer letzter Pass, mal die falsche Entscheidung eines Spielers, mal ein Frankfurter Bein, das irgendwo noch im Weg stand. Ein bisschen ratlos war Stefan Leitl nach dem Spiel schon, "ich weiß nicht", sagte er, "wieviele Torchancen wir uns noch herausspielen müssen, um zu treffen."

In der ersten Hälfte hatten die Fürther 66 Prozent Ballbesitz, am Ende waren es immer noch 56 Prozent. 20 Torschüsse hatten die Statistiker gezählt, nach expected Goals, also den zu erwartenden Toren nach all diesen Chancen, stand es nach 90 Minuten 2,8 zu 1,29. Das Kleeblatt war der Eintracht über weite Strecken überlegen, "jeder sieht, dass wir unbedingt wollen", sagte Kapitän Branimir Hrgota. Nur will der Fußballgott offenbar nicht, dass diese Mannschaft ein Spiel gewinnt.

Denn nach 75 Minuten schoss Sebastian Rode die Eintracht in Führung. Die Fürther hätten wieder zweifeln können, an sich, am Fußball, am Leben überhaupt. Stattdessen glichen sie in der 92. Minute nach einer Ecke aus - um in der 94. Minuten noch das 1:2 durch Rafael Borré zu fangen. "Es bringt nichts, Selbstmitleid zu haben", sagte Julian Green eine halbe Stunde später sehr gefasst. "Es hört sich nach einer Floskel an, aber es muss weitergehen und es wird weitergehen."

Es waren erstaunliche Worte direkt nach einem solchen Spiel. Sie zeigten aber auf, dass die Fürther einfach nicht kaputtzukriegen sind. Schon seit Wochen nicht. Wie er das als Trainer schafft? "Die Jungs wissen, dass wir ihnen vertrauen. Sie wissen, wie wir mit ihnen arbeiten, wie wir versuchen, aufzutreten", sagte Stefan Leitl. "Man spürt, dass die Mannschaft funktioniert, dass sie noch enger zusammengewachsen ist und Fortschritte macht." Es ist noch keine Zeit für beängstigende Stille. Das Kleeblatt lebt. Auch wenn die Tabelle etwas anderes aussagt.

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