Interview mit Florian Scholz

Nagelsmann, Bayern und Leipziger Visionen: Der RB-Sportchef spricht

23.10.2021, 06:00 Uhr
Am Dienstag noch gegen Lionel Messi und Paris Saint-Germain, am Samstag gegen die Spielvereinigung aus Fürth: RB Leipzig um Tyler Adamas und Amadou Haidara.

© ANNE-CHRISTINE POUJOULAT, AFP Am Dienstag noch gegen Lionel Messi und Paris Saint-Germain, am Samstag gegen die Spielvereinigung aus Fürth: RB Leipzig um Tyler Adamas und Amadou Haidara.

Am Dienstag noch in Paris gegen Messi, am Samstag gegen Fürth. Sie bewegen sich in dieser Woche zwischen den Extremen des Weltfußballs.

Scholz: (lacht) Das ist der normale Alltag im Profifußball, darauf müssen sich die Spieler bei uns einstellen. Die Mannschaft hat am Donnerstag noch einmal frei bekommen, der Fokus lag aber schon ab Mittwoch voll auf Fürth. Auch da gilt es, 100 Prozent abzurufen und fokussiert zu sein.

Die Verantwortlichen von RB betonen immer wieder, dass es der Anspruch des Klubs sei, jedes Jahr in der Champions League zu spielen. Da sind drei Spiele mit drei Niederlagen dann doch ernüchternd - trotz der hochklassigen Gegner.

Scholz: Uns war vorher klar, dass eine Gruppe mit Paris und Manchester City, den Mannschaften mit den zwei wertvollsten Kadern der Welt, eine sehr schwierige Aufgabe sein würde. Das hat sich bestätigt. Trotzdem haben wir ein ziemlich gutes Spiel in Paris hingelegt und gezeigt, dass wir mit so einer Weltauswahl mithalten konnten. Richtig ist: Das Überwintern in der Champions League wird nun schwierig. Wir wollen aber zumindest in die Europa League, dazu müssen wir Brügge hinter uns lassen.

Lassen Sie uns auf die Bundesliga schauen. Sie haben mit Julian Nagelsmann ihren Trainer und mit Upamecano und Sabitzer zwei Spieler an den FC Bayern verloren und damit einen direkten Konkurrenten gestärkt. Was ist, angesichts dieser Abgänge, denn die Vision von RB?

Scholz: Das sind alles unterschiedliche Personalien. Dayot Upamecano hatte einen Ausstiegsklausel, die er genutzt hat. Als Julian Nagelsmann mit dem Wunsch auf uns zukam, zum FC Bayern zu wechseln, haben wir dem nach ein paar Tagen aus unterschiedlichen Gründen entsprochen. Marcel Sabitzer haben wir ebenfalls ein Jahr vor Vertragsende selbstbestimmt gehen lassen. Auch da hat uns keiner unter Druck gesetzt. Im Gegenteil: Wir haben Ilaix Moriba (aus Barcelona) verpflichtet und somit einen hochgradig talentierten Spieler geholt. Das war schon immer die Vereinsphilosophie von RB Leipzig.


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Dennoch haben Sie den Rekordmeister damit gestärkt. Da können Sie kaum glaubhaft sagen, dass Sie unbedingt Meister werden wollen.

Scholz: Das sagen wir auch nicht. Wir wollen uns jedes Jahr für die Champions League qualifizieren. Damit können wir den Verein über Jahre nachhaltig aufstellen, uns in Europa präsentieren und unseren Spielern und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, sich auf höchstem Niveau zu entwickeln. Es ist schön und gut, dass erwartet wird, dass wir zusammen mit Dortmund den Meisterkampf spannend machen, aber grundsätzlich wollen wir in erster Linie nachhaltig und konstant arbeiten, um den bestmöglichen Erfolg zu haben.

Wozu auch Verkäufe an die direkte Konkurrenz gehören?

Scholz: Wir hatten im Sommer einen großen Umbruch. Neben Spielertransfers gab es auch zahlreiche Änderungen im Trainerstab, der medizinischen Abteilung und im gesamten Staff. Uns war klar, dass es etwas Zeit benötigen würde, bis alle Rädchen ineinandergreifen. Wir sind dennoch überzeugt von unserem Handeln und haben unsere Entscheidungen bewusst getroffen.

Florian Scholz (42) wechselte 2015 aus der Chefredaktion der Sport Bild zu RB Leipzig, um dort die Leitung der Kommunikations-Abteilung zu übernehmen. Später verantwortete er auch das Marketing. Inzwischen bildet er als kaufmännischer Leiter Sport und „Chief Media Officer“ mit Christopher Vivell die sportliche Führung des Vereins. 

Florian Scholz (42) wechselte 2015 aus der Chefredaktion der Sport Bild zu RB Leipzig, um dort die Leitung der Kommunikations-Abteilung zu übernehmen. Später verantwortete er auch das Marketing. Inzwischen bildet er als kaufmännischer Leiter Sport und „Chief Media Officer“ mit Christopher Vivell die sportliche Führung des Vereins.  © imago images/Christian Schroedter, NN

Ein bisschen stolz dürften Sie als Sportchef ja auch sein, dass Sie Spieler für die besten Teams der Welt ausbilden.

Scholz: Wir arbeiten hier im Team, Christopher Vivell als Technischer Direktor und ich arbeiten mit unseren Expertisen zusammen in der sportlichen Leitung. Wir gehören als Verein aufgrund unserer Leistungen in der jüngeren Vergangenheit laut Rangliste mittlerweile zu den Top 20 in Europa, aber eben nicht zu den Top 5. Wir wollen uns dauerhaft in Europa etablieren. Es gibt natürlich noch Klubs, die ein anderes Gehaltsgefüge bieten, bei dem wir nicht mithalten können und auch nicht wollen.

Sie haben in Brasilien, den USA und Österreich weitere Ableger. Können Sie die Kritik daran nachvollziehen?

Scholz: Warum Österreich? Das setzt ja voraus, dass wir mit Salzburg zusammenarbeiten. Das tun wir mit Brasilien und New York, auf vielen Ebenen. Salzburg ist ein komplett anderer, ein autarker Verein.

Es war ja eher eine erzwungene Trennung wegen der sportlichen Konkurrenz.

Scholz: In der Spielzeit 2016/2017 erfolgte eine vollständige Trennung. Wir haben aber auch davor nicht angerufen und gesagt: Wir hätten gern mal den Spieler xy. Im vergangenen Sommer hatten wir beispielsweise mit vielen Vereinen intensiven Kontakt bezüglich Spielertransfers, Salzburg war nicht dabei.

Sie können aber nicht bestreiten, dass Wechsel zwischen Salzburg und Leipzig einfacher sind als zwischen anderen Klubs.

Scholz: Es sind zwei unabhängige Vereine. Wir zahlen an Salzburg im Falle eines Transfers genau die gleichen Ablösen wie auch an andere Vereine. Und am Ende entscheidet der Spieler ja immer selbst, was für ihn der nächste Karriereschritt ist. Das zeigt die Personalie Erling Haaland.

Derzeit haben acht Bundesliga-Trainer eine Vergangenheit im Red-Bull-Konzern. Die sogenannte „RB-Schule“ mit einer von Pressing geprägten, sehr intensiven Philosophie hatte und hat großen Einfluss auf den deutschen Fußball. Glauben Sie, dass deshalb auch die Kritik an RB merklich abgenommen hat?

Scholz: Ich bin seit 2015 im Verein und habe mehrere Jahre auch das Marketing von RB verantwortet. Da habe ich in jedem Gespräch die Frage nach diesem Thema, in jedem Stadion die Anfeindungen erlebt. Seit 2018 hat das merklich abgenommen. Viele Umfragen der letzten Jahre haben gezeigt, dass wir zu den beliebtesten Vereinen in der Bundesliga gehören. Andererseits sind wir auch ein Verein, der enorm polarisiert.

Das ist ja für Sie aus Marketing-Sicht auch gar nicht schlecht.

Scholz: Das ist richtig analysiert, ja. Die Kritik an uns ist jedenfalls wenn dann nur noch unterschwellig oder in den jeweiligen Ultra-Szenen ein Thema. Die RB-Vergangenheit vieler Trainer ist dabei einer von vielen Punkten. Der wichtigste Faktor ist die Nachhaltigkeit. Sechs Spieler aus dem aktuellen Kader waren schon in der zweiten Bundesliga bei RB Leipzig, Yussuf Poulsen sogar in der dritten. Die Menschen sehen, dass wir – anders als andere Klubs – unsere Mittel nicht verschleudern, sondern eine klare Vereinsphilosophie haben.

Und die sieht wie aus?

Scholz: Wie wir spielen, welche Trainer wir haben, aber auch wie wir Transfers tätigen und auftreten. Wir verpflichten keine fertigen Spieler für Unsummen, sondern fast ausschließlich junge Spieler unter 23, die wir entwickeln wollen. Wir möchten die Spieler ganzheitlich und nachhaltig betreuen. Da geht es um Ernährung, um Psychologie, bei den ganz Jungen auch um die Schule. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das wahrgenommen und in der Bundesliga bei den meisten Fußballfans honoriert wird.

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