Vom Kapitän zum Coach: Haaß sieht seine Chance beim HCE

30.7.2020, 13:31 Uhr
Vom Anführer auf dem Feld zum Anführer an der Seitenlinie: Michael Haaß sieht viel Potential in der Mannschaft des HCE.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / OGo Vom Anführer auf dem Feld zum Anführer an der Seitenlinie: Michael Haaß sieht viel Potential in der Mannschaft des HCE.

Herr Haaß, was hat Sie denn als Spieler am meisten an Ihren Trainern genervt?

Michael Haaß: Ich war nie der Fan von großen Besprechungen. Ich habe mir immer gedacht: Bevor wir jetzt viel reden, lasst uns doch einfach verbessern, was schlecht lief. Das versuche ich für meine Philosophie zu übernehmen, wenn man das nach wenigen Tagen schon so nennen kann.

Wie kommt das bei der Mannschaft an?

Haaß: Ach naja, es ist ja nicht so, dass gar nicht geredet wird, aber ich habe oft daran gedacht, was ich als Spieler an Zeit in Besprechungsräumen verbracht habe. Und das versuche ich den Jungs zu ersparen, dass sie dauernd nur mein Gesicht sehen.


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Das heißt, Sie machen jetzt vor allem alles anders als Ihre früheren Trainer?

Haaß: Nein, man stellt am ersten Tag fest, wie viele Entscheidungen da zu treffen sind und dass das gar nicht so leicht ist. Und wenn es nur darum geht, was es nach einem Spiel zu essen gibt. Vieles davon hat man als Spieler gar nicht wahrgenommen, weshalb ich mich rückblickend wohl bei vielen Trainern entschuldigen muss. (lacht)

Pizza, Identität und Stil

Was wird es denn unter dem Trainer Michael Haaß zu essen geben nach den Spielen? Pizza oder eher Quinoa-Salat?

Haaß: Es sind alles Profis, die wissen, wie sie sich ernähren sollen. Ich glaube aber, dass eine Pizza trotzdem auch mal gut für den Kopf ist.

Gibt es die dann nach Niederlagen oder gerade dann nicht?

Haaß: Ich sage mal so: Wenn man einem Spieler nach einer Niederlage einen Couscous-Burger hinstellt, kriegt er vermutlich noch schlechtere Laune.

Sich eine eigene Trainer-Identität aufbauen: Wie sind Sie das angegangen?

Haaß: Während der Corona-Pause war es vor allem viel Kopfarbeit. Was will ich? Wie trete ich auf? Was ist mein Stil? Ich habe dann viel nach links und rechts geschaut und irgendwann festgestellt: Ich muss meinen eigenen Weg finden und nicht irgendetwas kopieren. Ich bin zum Beispiel beeindruckt, wie manche Trainer reden können, aber das kann ich in der Form nicht, das wäre unglaubwürdig.

 "Es geht darum, sich mit den Besten zu messen"

Was bildet den Rahmen für diesen Weg? Lesen Sie Lehrbücher oder Biografien?

Haaß: Von dem Gedanken, Lehrbücher zu lesen, habe ich mich schnell verabschiedet. Ein Spieler merkt, ob da einer vor ihm sitzt, der irgendetwas erzählt, was er nur in einem Buch gelesen hat. Als Trainer ist das die erste Niederlage. Biografien sind interessant, auch aus anderen Ländern oder anderen Sportarten wie American Football, einfach um Ideen zu sammeln. Und natürlich blickt man auf die eigene Karriere zurück.


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In einem Interview haben Sie einmal gesagt, dass Sie als Spieler viel mit "Adrenalin und Willen" wettgemacht haben. Als Trainer helfen einem diese Elemente nicht weiter, oder?

Haaß: Ich finde schon, dass man auch als Trainer Emotionen rüberbringen muss. Wenn eine Mannschaft funktioniert, muss man nicht viel machen, aber es gibt immer Phasen, in denen Spieler Hilfe brauchen, in Stimmung zu kommen. Gerade in den mittleren Karrierejahren können einem die vielen Trainingseinheiten und Spiele schon mal zäh vorkommen. Dann muss man sagen: Hey, das ist ein Spiel. Es geht darum, sich mit den Besten zu messen. Manchmal vergisst man das. Am Ende der Karriere ist das anders, da genießt man jeden Moment.

Wie schwer war es zu akzeptieren, dass die Spielerkarriere vorbei ist?

Haaß: Es war ja ein Abschied auf Raten. Als die Entscheidung getroffen wurde, habe ich kurz geschluckt. Seit dem Saisonabbruch hatte ich Zeit mich zu distanzieren, zumal der Körper gesagt hat, dass es reicht.

"Vielleicht kann ich es besser machen"

Sie waren fast 20 Jahre lang Profi. Können Sie auf Anhieb sagen, wie viele Trainer Sie in dieser Zeit erlebt haben?

Haaß: Zehn waren es bestimmt. An den Standorten, an denen ich gespielt habe, hat Konstanz aber meistens eine große Rolle gespielt.


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Beim HC Erlangen war das in der vergangenen Saison nicht der Fall. Warum haben Sie sich ausgerechnet für den unsichersten Job im Handball entschieden?

Man sieht so viele Trainer und denkt sich: Vielleicht kann ich es besser machen. Das ist jetzt eine Herausforderung, das ist meine Chance, ich liebe diesen Sport.

Haben Sie diesen Plan lange verfolgt oder hätte es Alternativen gegeben?

Haaß: Ich habe studiert, auch aus dem Grund, nicht Trainer werden zu müssen. Vor fünf Jahren hätte ich noch nicht daran gedacht, aber jetzt bin zu Hundert Prozent überzeugt.

Spielversteher und Moderator zwischen Mannschaft und Vereinsführung

Sie waren auf dem Feld Spielmacher. Sehen Sie sich im Vorteil gegenüber Kollegen, die im Tor standen oder am Kreis?

Haaß: Das Spiel an sich habe ich, glaube ich, verstanden. Torhüter sind mir dagegen nach wie vor ein Rätsel. (lacht) Wobei es natürlich auch erfolgreiche Trainer gibt, die vorher Torhüter waren.


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Zum Abschluss bitte noch eine kurze Selbsteinschätzung mit Hilfe einer Skala von eins bis zehn: Spielerversteher?

Haaß: Sieben.

Choleriker?

Haaß: Zwei.

Taktikfuchs?

Haaß: Fünf.

Scout? Also die Fähigkeit, neue Talente zu entdecken.

Haaß: Sechs.

Aufsichtsrats-Darling?

Haaß: Puh, was ist das denn für eine Frage?

Als Spieler muss man mit dem Trainer zurechtkommen. Als Trainer dagegen vor allem in schwierigen Phasen auch zwischen Mannschaft, Betreuern und Vereinsführung moderieren können.

Haaß: Das sehen wir dann, wenn es soweit ist. (lacht) Natürlich versuche ich mich auch darauf vorzubereiten, aber im besten Fall sind wir so gut, dass dieser Moment nicht kommt.

Auch wenn der Saisonstart noch weit weg ist: Wie lautet Ihre Erwartungshaltung an die Spielzeit 2020/21?

Haaß: Es ist schwer zu sagen, nachdem wir noch kein Testspiel hatten. Es gilt, die unbefriedigende letzte Saison hinter sich zu lassen und einen Schritt nach vorne zu kommen. Was das genau heißt, kann ich jetzt noch nicht sagen. Dass wir nicht 13. werden wollen, ist klar. Im Training sehe ich auf jeden Fall schon die Qualität, es besser zu machen.

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