Bettdecke zurück und los geht's

Von wegen altmodisch: Physiotherapeut zeigt fünf Übungen für Frühsport

7.9.2021, 07:04 Uhr
Jan Dieckmann zeigt in seiner Physiotherapie-Praxis in Fürth eine von fünf Übungen zum Frühsport. Diese hier nennt er "Kontrolliert aufstehen". Grundsätzlich gilt: trotz Anstrengung gleichmäßig weiteratmen. Sonst wird der Druck im Brustraum zu hoch, das ist nicht nur schlecht für Herzpatienten.

© Foto: Wolfgang Zink Jan Dieckmann zeigt in seiner Physiotherapie-Praxis in Fürth eine von fünf Übungen zum Frühsport. Diese hier nennt er "Kontrolliert aufstehen". Grundsätzlich gilt: trotz Anstrengung gleichmäßig weiteratmen. Sonst wird der Druck im Brustraum zu hoch, das ist nicht nur schlecht für Herzpatienten.

Herr Dieckmann, viele verbinden mit "Frühsport" die Sendung "Tele-Gym" des Bayerischen Fernsehens. Wie definieren Sie Frühsport?


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Bei "Tele-Gym" muss ich immer an die Folgen aus den 80ern denken und an Männer in Strumpfhosen. Für mich ist Frühsport, dass ich den inneren Schweinehund bekämpfe und dann Sport mache, wenn ich eigentlich noch im Bett liegen könnte. Wichtig ist, dass ich vorher nicht frühstücke, sondern dass das Frühstück die Belohnung ist.

Puh, Sport auf nüchternen Magen ist nicht jedermanns Sache, vor allem nicht, wenn ich zum Unterzuckern neige . . .

Dann muss man Rücksprache mit dem Arzt halten. Eine Banane zum Beispiel wäre schon vorher erlaubt, aber man sollte sich halt nicht satt essen. Irgendetwas Leichtes, was aber Energie liefert.

1. Gelenkkapseln in der Wirbelsäule dehnen: Direkt nach dem Aufwachen die Bettdecke zur Seite schlagen, Beine anwinkeln und drei bis vier Atemzüge lang nach links und rechts wegkippen, den Kopf dabei in die Gegenrichtung wenden. Beide Ellbogen und Schultern auf dem Boden lassen, die Arme im rechten Winkel neben dem Kopf nach oben strecken, knapp über der Matratze.

1. Gelenkkapseln in der Wirbelsäule dehnen: Direkt nach dem Aufwachen die Bettdecke zur Seite schlagen, Beine anwinkeln und drei bis vier Atemzüge lang nach links und rechts wegkippen, den Kopf dabei in die Gegenrichtung wenden. Beide Ellbogen und Schultern auf dem Boden lassen, die Arme im rechten Winkel neben dem Kopf nach oben strecken, knapp über der Matratze. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Kann man beim Frühsport etwas falsch machen?

Man kann sich übernehmen. Wenn ich jahrelang nichts gemacht habe, sollte ich nicht gleich fünf Kilometer joggen. Man kann mit Gymnastik oder auf der Stelle Gehen beginnen, damit der Kreislauf in Schwung kommt und die Muskulatur sich langsam auf eine Steigerung vorbereiten kann. Das können auch einfach nur Kniebeugen sein: drei Serien à 15 Stück. Oder bei Arthrose ist Fahrradfahren in Rückenlage gut, damit die Gelenke bewegt werden. Bei Arthrose gibt es den berühmten Anlaufschmerz. Doch mit der morgendlichen Bewegung mit wenig Belastung bildet sich Gelenkflüssigkeit, und dieser Anlaufschmerz tritt nicht oder weniger auf.

2. Kreislauf in Schwung bringen und Gelenkschmiere produzieren beim Fahrradfahren im Bett: Für zehn Sekunden den Kopf anheben (gut für die Bauchmuskeln), Arme seitlich am Körper knapp über der Matratze halten und mit den Beinen strampeln wie beim Radeln.

2. Kreislauf in Schwung bringen und Gelenkschmiere produzieren beim Fahrradfahren im Bett: Für zehn Sekunden den Kopf anheben (gut für die Bauchmuskeln), Arme seitlich am Körper knapp über der Matratze halten und mit den Beinen strampeln wie beim Radeln. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Und warum wäre es auch für gesunde Menschen wichtig, sich in der Früh zu bewegen?

Es beugt Schmerzen und Arthrose vor, hilft präventiv gegen Bluthochdruck und bei Schlafstörungen: Du kannst am Abend besser schlafen, wenn du schon am Morgen dein Pensum erledigst, der Schlaf-Wach-Rhythmus wird positiv beeinflusst. Ich selbst spiele Badminton abends, kann deshalb aber oft nicht gut einschlafen, weil ich mich so hochgepusht habe. Und für Fortgeschrittene ist die Joggingrunde auch aus psychologischen Gründen wichtig, wenn etwa das "Runner’s High" für Endorphin-Ausschüttung sorgt. 15 bis 30 Minuten reichen da schon für einen Kickstart in den Tag.

Das Problem mit der Zeit

Für Berufstätige sind 30 Minuten am Morgen viel Zeit, und dann muss man noch duschen und frühstücken.

Dieses Zeitproblem könnte man mit dem Weg zur Arbeit per Rad lösen. Oder man geht schnell zur U-Bahn. Frühsport muss nicht gleich wahnsinnig sportlich sein.

In vielen Sportarten bedeutet Aufwärmen: Anschwitzen. Sollte man ins Schwitzen kommen?

Nein, das muss man gar nicht. Die wichtigere Regel ist: Man darf keine Schmerzen, Schwindelgefühl, Schwäche oder Übelkeit haben. Denn dann sollte man sofort abbrechen. Das richtige Signal des Körpers ist ein Glücksgefühl und dass man wacher ist nach dem Frühsport, sich fitter fühlt.

3. Jan Dieckmann nennt diese Übung an der Bettkante „Kontrolliert aufstehen“. Ohne die Arme zu Hilfe zu nehmen, mit dem Oberkörper ein Stück nach vorne beugen, Schwerpunkt verlagern, Rücken gerade, aus den Beinen nach oben gehen. Serie: dreimal zehn. Für Fortgeschrittene, gut für die Waden: im Stand auf die Zehenspitzen stellen.

3. Jan Dieckmann nennt diese Übung an der Bettkante „Kontrolliert aufstehen“. Ohne die Arme zu Hilfe zu nehmen, mit dem Oberkörper ein Stück nach vorne beugen, Schwerpunkt verlagern, Rücken gerade, aus den Beinen nach oben gehen. Serie: dreimal zehn. Für Fortgeschrittene, gut für die Waden: im Stand auf die Zehenspitzen stellen. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Kann man sich dann den Kaffee sparen?

Das ist in der Tat wie ein starker Kaffee, der einen wach macht. Kaffee wirkt eh erst nach ein paar Stunden und ist ein psychologischer Effekt. Am besten also gleich nach dem Wachwerden die Bettdecke zur Seite schlagen und anfangen. Das macht vor allem bei Menschen Sinn, die Probleme mit den Gelenken haben.

Was passiert da genau im Körper?

Der Stoffwechsel und die Durchblutung der Muskeln werden angeregt. Die Heilung wird angeregt, wenn man etwa eine alte Muskelverletzung hat. Die ganzen Gefäße werden stimuliert, die Muskulatur wird gekräftigt.

4. Für den Kreislauf und als Ausdauertraining auf der Stelle laufen: Jeder geht sein eigenes Tempo, am Besten barfuß auf einem weichen Teppich. Dabei die Arme mitnehmen. Mit einer halben Minute starten, ausbaufähig bis zur Joggingrunde für Fittere. „Dabei Privatradio hören, ist erlaubt“, scherzt Dieckmann.

4. Für den Kreislauf und als Ausdauertraining auf der Stelle laufen: Jeder geht sein eigenes Tempo, am Besten barfuß auf einem weichen Teppich. Dabei die Arme mitnehmen. Mit einer halben Minute starten, ausbaufähig bis zur Joggingrunde für Fittere. „Dabei Privatradio hören, ist erlaubt“, scherzt Dieckmann. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Wie kann ich mich auf einen Acht-Stunden-Tag auf dem Bürostuhl bestmöglich vorbereiten?

Mit Übungen im Stehen und Streckübungen, in der Bauchlage, ins Hohlkreuz gehen, auf der Stelle laufen, auf den Zehenspitzen gehen. Also alles, was einen Ausgleich schafft zu der Position, die ich in der Arbeit einnehme. Wenn ich viel sitze, habe ich das Becken und die untere Lendenwirbelsäule gebeugt. Auch tagsüber kann ich das einbauen.

5. Zur Versorgung der Bandscheiben, weil wir im Alltag oft gebeugt sind: Hüftstreckung, Kräftigungsübung. Mit den Händen ans Fensterbrett greifen, schräge Stellung einnehmen, wie Liegestütze im Stand. Abwechselnd ein Bein nach hinten anheben, Knie durchgedrückt lassen. Das Becken zeigt stabil nach vorne, den Körper dabei nicht drehen. Rücken und Standbein bilden eine gerade Linie von der Schulter bis zur Ferse.

5. Zur Versorgung der Bandscheiben, weil wir im Alltag oft gebeugt sind: Hüftstreckung, Kräftigungsübung. Mit den Händen ans Fensterbrett greifen, schräge Stellung einnehmen, wie Liegestütze im Stand. Abwechselnd ein Bein nach hinten anheben, Knie durchgedrückt lassen. Das Becken zeigt stabil nach vorne, den Körper dabei nicht drehen. Rücken und Standbein bilden eine gerade Linie von der Schulter bis zur Ferse. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Klar, dass der Physio sagt: Du musst den ganzen Tag was machen . . .

Nein, sag’ ich nicht. Wenn die Übungen eine hohe Intensität haben, reicht das einmal am Tag. Wenn es ums Dehnen geht oder Übungen für den Nacken, kann ich sie öfter machen, zum Beispiel, indem man tagsüber einen Wecker stellt, der einen an seine Übungen erinnert. Alle 20 bis 30 Minuten für zwei Minuten dehnen und strecken ist gut für den Körper und den Geist, man kann sich besser konzentrieren. Faustregel für den Bürostuhl ist: Unser Körper braucht immer verschiedene Reize. Ob Hohlkreuz oder Rundrücken - länger als fünf Minuten sollte man nicht in der gleichen Position verharren.


Jan Dieckmann setzt sich für den Berufsstand der Physiotherapeuten ein


Obwohl ich alles selbst machen kann: Lohnt es sich trotzdem, um 7.20 Uhr "Tele-Gym" im BR einzuschalten?

Viele meiner Patienten nutzen das, man kann das auch später am Tag in der Mediathek anschauen. Ich finde es gut, weil da auf die verschiedenen körperlichen Zustände der Zuschauer Rücksicht genommen wird. Jemand mit 80 kann nicht mehr die Skigymnastik mitmachen, für diejenigen gibt es Übungen im Sitzen auf einem Hocker. Zu zweit macht Frühsport übrigens noch mehr Spaß und fördert die Libido.

Jan Dieckmann, 44, lebt mit Frau und fünf Kindern in Nürnberg und betreibt seit 2018 eine Physiotherapie-Praxis in Fürth. Der gelernte Masseur und Physiotherapeut setzt sich als Moderator der Facebook-Gruppe "Therapeuten Nürnberg und Umgebung" (TNU) und als Organisator von Diskussionsstammtischen für seinen Berufsstand ein. Sein Credo: "Therapeuten haben nicht den Stellenwert, den sie innehaben sollten. Nach europäischen Standards sind wir in Deutschland hintendran. In der Ausbildung wird oft noch veraltete Theorie gelehrt."

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