Warum Ringer Roland Schwarz in Russland trainiert

16.11.2020, 07:05 Uhr
Heimat für ein paar Wochen: Der Nürnberger Ringer Roland Schwarz vor dem monumentalen Gebäude der Universität von Rostow am Don.

© anzeiger-roland-20201115-123555_app11_01.jpg, NN Heimat für ein paar Wochen: Der Nürnberger Ringer Roland Schwarz vor dem monumentalen Gebäude der Universität von Rostow am Don.

Roland Schwarz ist das Reisen gewohnt. Der 24-Jährige lebt mit seiner Freundin in der Nürnberger Südstadt, als Profisportler ist er allerdings viel unterwegs. Unter der Woche trainiert er oft am Olympiastützpunkt in Heidelberg, am Wochenende ringt er für den Deutschen Meister Wacker Burghausen, für Turniere reist er in normalen Zeiten durch ganz Europa. Doch die Reise, zu der sich Roland Schwarz vor ein paar Tagen aufgemacht hat, ist trotzdem eine besondere.

Von Frankfurt aus ist er nach Moskau geflogen und hat ein paar Tage in der russischen Hauptstadt verbracht. Auf Instagram hat er seine Fans und Freunde mitgenommen auf diesen Trip, ein paar Tage später sah man ihn wieder in einem Flugzeug sitzen. Als Roland Schwarz am Freitagnachmittag ans Telefon geht, steht er gerade in Rostow am Don, einer Stadt knapp 1000 Kilometer südlich von Moskau, an der Grenze zur Ukraine.

Coronafälle in Johannis

Der Ringer ist allerdings nicht zum Spaß hier, um ein bisschen im Internet prahlen zu können. Für ihn war es auch eine kleine Flucht, allerdings nur eine auf Zeit. Denn wie schnell es gehen kann, hat er vor ein paar Wochen erfahren. Als es am Stützpunkt in Johannis, wo Schwarz regemäßig trainiert, mehrere Coronafälle gab, musste er als Kontaktperson in Quarantäne – und verpasste deshalb ein internes Ausscheidungsturnier für die Weltmeisterschaft.

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Die WM wird nicht stattfinden, zumindest nicht als offizielle, dafür sind die Unwägbarkeiten während einer Pandemie auch zu groß. Doch Roland Schwarz wollte nichts mehr dem Zufall überlassen, dafür ist dieser eine Traum zu groß, zu mächtig. Wie jeder Sportler träumt Schwarz von den Olympischen Spielen, "es ist natürlich ein Traum, aber ein realistischer", sagt er, "besonders nach der EM, da habe ich gezeigt, dass ich alle besiegen kann."

Mit der Silbermedaille kehrte er damals aus Bukarest zurück, die Erlebnisse in Rumänien haben den Traum von Olympia noch einmal stärker werden lassen. Um diesen Traum nicht schon frühzeitig zerplatzen zu lassen, ist Roland Schwarz nach Russland gereist. Ins Land seiner Eltern, in das Land, für das sein Vater Islam Dugutschijew viermal Welt- und zweimal Europameister wurde. In das Land, aus dem er mit seiner Mutter aber auch im Alter von drei Jahren nach Nürnberg kam und dann weiter nach Bayreuth zog.

Dort wurde er groß, lernte das Ringen und wurde als Jugendlicher so gut, dass er nach Nürnberg auf die Bertolt-Brecht-Schule wechselte. Inzwischen ist Nürnberg seine Heimat, "ich liebe diese Stadt", sagt er, an der Friedrich-Alexander-Universität studiert er neben dem Sport noch International Business Studies.

Deutscher und russischer Pass

Normalerweise fliegt er aber auch ein paar Mal im Jahr nach Moskau, wo sein Vater lebt und als Jugend-Nationaltrainer arbeitet. Im März wollte er ihn besuchen, ein Tag vor Abreise wurde der Flug gestrichen – dann kam Corona und der Lockdown. "Da hatte ich Glück im Unglück", sagt Schwarz, "sonst wäre ich für längere Zeit in Russland festgehangen."

Als er jetzt anderen dabei zusehen musste, wie sie sich auf der Matte für eine WM qualifizieren, während er in Quarantäne sitzt, machte er sich auf. Nach Russland. Der 24-Jährige besitzt neben dem deutschen auch den russischen Pass, weshalb die Einreise klappte. Der obligatorische Corona-Test war negativ, weshalb er seit ein paar Tagen an einem regionalen Stützpunkt trainiert. Zweimal täglich geht es in die Halle, "hier habe ich optimale Bedingungen in meiner Gewichtsklasse", schwärmt Schwarz, unter anderem kann er mit den Weltmeistern von 2016 und 2018 trainieren, "hier gibt es viele internationale Top-Leute und verschiedene Typen."

Bis Weihnachten in Moskau

Diese Woche wird er noch in Rostow bleiben, dann geht es zurück nach Moskau. Bis Weihnachten, so zumindest der Plan, wird er dort mit der russischen Nationalmannschaft trainieren, um jeden Tag noch ein bisschen besser zu werden. Im März und April kommenden Jahres sind zwei Qualifikationsturniere für Olympia geplant – an nichts anderes denkt Roland Schwarz momentan.

Für den Traum, einmal dabei zu sein beim größten Sportfest der Welt, gibt er vieles auf, lebt monatelang im Hotelzimmer und fern seiner Heimat, getrennt von seiner Freundin, "aber die hat sich ja einen Sportler ausgesucht", sagt er und lacht.

Wie er sich fühlt? Sicher sagt Roland Schwarz, die Sportler werden in Russland jede Woche getestet, "auf den Straßen tragen hier wirklich alle Masken und viele sogar noch Handschuhe", erzählt er. "Ich bin so viel unterwegs auf der Welt, da gewöhnt man sich an alles."

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