Wildes 3:3 - Darum vergab der Club in Darmstadt den Sieg

16.9.2019, 12:56 Uhr
Nach Spielschluss lässt die Körpersprache der Club-Profis klar erkennen: Da wäre mehr drin gewesen in Darmstadt.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr Nach Spielschluss lässt die Körpersprache der Club-Profis klar erkennen: Da wäre mehr drin gewesen in Darmstadt.

Das Böllenfalltor ist aktuell eine Baustelle - weil der SV Darmstadt 98 dabei ist, seiner Spielstätte einen neuen Anstrich zu verpassen, ist hier und da nicht alles so, wie man es noch aus Bundesliga-Zeiten gewohnt ist. Die Situation ist irgendwie auch symbolisch für die Gefühlslage bei Nürnbergs Herz- und Schmerzverein: Auf der "Baustelle" am Valznerweiher müssen auch noch ein paar Schrauben von Bauleiter Canadi nachgezogen werden - das hat der Auftritt bei den Lilien einmal mehr deutlich gezeigt.

Nach dem eher enttäuschenden 2:2 beim 1. FC Heidenheim wollte Nürnberg nach der Länderspielpause unbedingt mit einem Erfolgserlebnis weitermachen. Ein Blick vorab auf die Aufstellung bestätigt: Die Truppe aus Franken bekam bereits vor Anpfiff die erste Aufgabe gestellt: Zwei von drei Akteuren in der Dreierkette wurden neu ins Team geworfen. Weil Asger Sörensen und Lukas Jäger verletzt passen mussten, rückten Lukas Mühl und Georg Margreitter auf die Plätze vor Club-Keeper Christian Mathenia auf.

Auf der rechten Außenbahn musste dann noch kurzfrisitg Oliver Sorg für Enrico Valentini das Trikot überstreifen, weil sich der Nürnberger Publikumsliebling beim Aufwärmen an den Adduktoren verletzt hatte. Prognose noch vor Anpfiff: Eingespielt sieht definitiv anders aus!

Nicht immer haben diese Prognosen auch Gehalt, in diesem Spiel bekamen sie jedoch in der sechsten Minute Futter: Darmstadt nutzte die personellen Umstellungen direkt aus und schob in Person von Ex-Kleeblatt-Profi Serdar Dursun gegen noch unsortierte Nürnberger aus kurzer Distanz ein - früher Rückstand für den Club. Der überraschte dann aber mit ordentlich Moral:

Nach einem feinen Pass von Nikola Dovedan lief Robin Hack mit weitem Anlauf und Tempo auf das Gehäuse der Gäste zu und blieb vor der Kiste eiskalt: 1:1 - der schnelle Ausgleich für den Club, Nürnbergs U21-Shootingstar legte direkt für seinen fränkischen Arbeitgeber nach. Grob lässt sich das Spiel ab hier wie folgt zusammenfassen: Der Club geht kurz vor der Pause durch Neu-Angreifer Frey in Führung, schafft es dann aber  nicht, den Sack zuzumachen. Chancen über Chancen - trotzdem lässt die Canadi-Truppe die Hausherren aus sportlicher Sicht "am Leben".

Ein weiterer Blick auf die Statisitk untermauert, dass der Club nach der Führung nicht drückend und entschlossen genug das Spiel an sich riss: So zeigte sich Darmstadt trotz Rückstand deutlich aggressiver, 20 Fouls der Hausherren stehen nur deren elf auf Seiten des Bundesliga-Absteigers gegenüber.

Der Vergleich der abgegebenen Torschüsse zeigt: Zwölf Mal nahm Darmstadt das Gehäuse von Christian Mathenia genauer ins Visier - der Club haut mehr als doppelt so viele Schüsse raus: Ganze 26 Torchancen stehen zu Buche - am Ende sind hier drei Treffer nicht nur rein am Ergebnis gemessen zu wenig. Bei 98 fand immerhin rein statistisch jeder vierte Schuss den Weg ins Tor - keine so schlechte Ausbeute.

Ein weiterer Beleg dafür, dass der Club nicht konsequent genug in der Fremde aufgetreten ist? Bittesehr! Was die gewonnenen Zweikämpfe angeht, kann Nürnberg 54 Prozent für sich verbuchen - Darmstadt hat hier mit 45 Prozent das Nachsehen - und trotzdem wandeln die Hausherren diesen Wert am Ende eben in ein Remis um. Vor allem was das Kreieren der Torchancen über Außen angeht, musste man sich aus fränksicher Sicht ebenfalls den Gastgebern geschlagen geben: Zwölf Flanken brachte 98 im Laufe der 90 Minuten hinein, der Club muss sich mit sieben zufrieden geben, eher ein unbefriedigender Wert auf das komplette Spiel gesehen.

Der größte Schnitzer ging in Koproduktion auf die Kappe von Christian Mathenia und Patrick Erras: Einen weiten Ball will Mathenia beim Stand von 2:2 frühzeitig vor dem Tor ablaufen. Problem: Erras hat sich offenbar das gleiche Ziel gesetzt. Ein Paradebeispiel für "nimm du ihn, ich hab ihn sicher". Das Ergebnis - Sie ahnen es - alles andere als optimal: Erras wird vom heranrauschenden FCN-Torhüter umgeräumt, köpft aber davor den Ball unglücklich genau über seinen Torhüter hinweg in Richung eigenes Tor. Lachender Dritter: Erneut Serdar Dursun, der einschieben darf.

Coach Canadi umschreibt die Szene auf der Pressekonferenz nach dem Spiel nüchtern und knapp: "Eine Aktion, bei der die Abstimmung nicht gepasst hat". Was allerdings nicht verschwiegen werden sollte: Auch hier gelingt dem Club quasi innerhalb weniger Sekunden die Antwort: Nur drei Minuten später ist es wieder Hack, der dafür sorgt, dass Damir Canadi und sein Team immerhin einen Punkt mit in den Bus zurück nach Franken nehmen dürfen - aber eben nur einen.


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Fazit:

Der Club muss gezwungenermaßen vor dem Spiel quasi die komplette Defensive austauschen. Positiv: Nach frühem Rückstand kommt der Club zweimal zurück und dreht das Spiel zwischenzeitlich. Am Ende muss sich Nürnberg aber den Vorwurf gefallen lassen, nach dem 2:1 zu viele Chancen liegengelassen und den Gegner dadurch wieder aufgebaut zu haben.

Doppelt so viele Torschüsse, mehr gewonnene Zweikämpfe - am Ende sollte nicht nur aufgrund dieser Faktoren ein fränkischer Dreier auf dem Spielberichtsbogen stehen. Das sieht Kapitän Hanno Behrens auch so: "Die erste Hälfte waren wir nicht so gut drin, gehen trotzdem mit einer Führung in die Pause. Danach haben wir es besser gemacht und hätten das 3:1 machen müssen."

Was passiert, wenn der Club so viele Chancen gegen die Teams im oberen Drittel der Tabelle liegen lässt, kann man sich leicht ausmalen.

Völlig klar: Der Club hat im Sommer viel Personal durchgetauscht und die Rückkehr in die Bundesliga auf einen Plan von zwei Jahren angesetzt. Platz Zehn im Niemandsland der Tabelle in der zweiten Liga dürfte aber trotzdem nicht der Anspruch am Valznerweiher sein.

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