Boom bei Elektro-Autos: "Jetzt geht es erst richtig los"

2.2.2021, 17:13 Uhr
Raus aus der Nische: Elektro-Autos und Lademöglichkeiten sind so begehrt wie nie zuvor.

© Sigrid Gombert via www.imago-images.de, NNZ Raus aus der Nische: Elektro-Autos und Lademöglichkeiten sind so begehrt wie nie zuvor.

Dank staatlicher Zuschüsse für Fahrzeuge und Ladestationen nimmt die E-Mobilität an Fahrt auf. Mit über 3700 Ladesäulen liegt Bayern bundesweit an der Spitze, die Zahl der Elektroautos hat sich in Nürnberg im vergangenen Jahr auf 1520 verdreifacht. Ein Boom auf niedrigem Niveau – doch das Interesse der Verbraucher steigt rasant. Die wachsende Nachfrage spürt auch Eduard Schlutius, der mit seinem Unternehmen reev Lademöglichkeiten schafft.

Wie geht es voran mit der Elektro-Mobilität? Gibt es in der Region genug Möglichkeiten, ein E-Auto zu laden?
Die Lage hat sich im letzten Jahr sehr stark verbessert, in Bayern ist die Zahl der öffentlichen Ladesäulen enorm gewachsen. Die Nürnberger N-ERGIE zählt zu den Vorreitern in Deutschland mit Ladestationen für die Allgemeinheit. Im nächsten Schritt ist es wichtig, dass auch im halböffentlichen Raum geladen werden kann, am Arbeitsplatz. Aus diesem Bereich kommen wir, wir organisieren das Laden zuhause und beim Arbeitgeber. Und wir merken bei den Firmen, dass in den letzten Monaten das Bewusstsein für das Thema stark steigt. Wir wollen das nicht vorantreiben, weil es unser Kerngeschäft ist. Sondern wir haben das zu unserem Kerngeschäft gemacht, weil diese Bereiche darüber entscheiden, ob die E-Mobilität funktionieren kann oder nicht.

Warum sind Lademöglichkeiten am Arbeitsplatz so bedeutend?
Ich fahre selbst seit gut fünf Jahren elektrisch und brauche öffentliche Säulen nur alle paar Wochen. Zu 95 Prozent lade ich bei mir zuhause oder am Arbeitsplatz. Aber da gab es früher kaum Angebote. Deshalb bieten wir Unternehmen an, dass wir für sie Ladestationen installieren und vor allem auch den Betrieb sicherstellen. Wir haben seit 2019 die Fuhrparks von rund 500 Firmen an unser Ladesystem angebunden. Nürnberg zählt da bei uns zu den Top-5-Städten in Deutschland - weil sich hier sehr viel tut und weil wir aus der Region kommen. Unternehmen wie die N-ERGIE stellen ihren Mitarbeitern bewusst Infrastruktur zur Verfügung, damit sowohl Dienstwagen wie private Pkw dort laden können. Und das Laden zuhause soll nicht nur im Eigenheim möglich sein, sondern auch als Mieter im Mehrfamilienhaus. Darum kümmern wir uns, wir installieren die Ladeanschlüsse im Keller und bauen sie zukunftsfähig aus, damit auch andere Mieter laden können.

War 2020 das Jahr mit dem entscheidenden Schub für die E-Mobilität, sowohl beim Autokauf als auch bei der Infrastruktur?
Das kann ich nur unterschreiben, man kann von einem Durchbruch sprechen. Die Zahl der Ladestationen, die wir bei unseren Kunden installiert haben, ist 2020 um das Zwanzigfache gestiegen, das geht exponentiell nach oben. Die staatliche Förderung für den privaten Bereich ist ein wichtiger Schritt, die Internetseite der KfW-Förderbank war teilweise überlastet angesichts des hohen Interesses. Da sieht man, wie viele Bürger sich inzwischen schon mit dem Thema befassen, das wäre vor zwei Jahren noch anders gewesen.

Der Wirtschaftsingenieur Eduard Schlutius organisiert und verwaltet mit seinem Unternehmen reev Lademöglichkeiten für Firmen und Wohnungswirtschaft. Aktuell schafft er die Lade-Infrastruktur für mehrere Nürnberger Wohnbaugesellschaften sowie 180 Ladepunkte an verschiedenen Standorten für den Fuhrpark der N-Ergie – die Ladestelle in Sandreuth zählt zu den größten in Bayern. Der Nürnberger Energieversorger und das Laufer Unternehmen ABL sind die beiden Hauptinvestoren von reev.

Der Wirtschaftsingenieur Eduard Schlutius organisiert und verwaltet mit seinem Unternehmen reev Lademöglichkeiten für Firmen und Wohnungswirtschaft. Aktuell schafft er die Lade-Infrastruktur für mehrere Nürnberger Wohnbaugesellschaften sowie 180 Ladepunkte an verschiedenen Standorten für den Fuhrpark der N-Ergie – die Ladestelle in Sandreuth zählt zu den größten in Bayern. Der Nürnberger Energieversorger und das Laufer Unternehmen ABL sind die beiden Hauptinvestoren von reev. © Foto: reev

Geht der Boom auch weiter, wenn die staatliche Förderung ausgelaufen ist?
Es wird jetzt erst richtig losgehen, das war nur der Startschuss. Man sieht es bei den großen deutschen Automobilherstellern, die jetzt loslegen, um Elektroautos in den Markt zu bringen. Nicht alle haben das Thema E-Mobilität sofort verstanden, aber jetzt sind sie aufgewacht. Manche mussten technologisch sehr viele Hausaufgaben machen, bei den anderen sieht man, dass sie stark daran glauben und jetzt kräftig Fahrzeuge in den Markt schieben. Die Förderung der Infrastruktur deckt sich stark mit dem Kauf und der Bereitschaft der Produktionen. Nach dem Tesla-Phänomen ist es jetzt spannend zu beobachten, dass immer mehr Durchschnittsfahrzeuge auf den Markt kommen. Sowohl kleinere Pkw als auch familienfreundliche Fahrzeuge, und da geht Volkswagen gerade mit großem Tempo voran. VW baut eine Modellpalette auf, die vom Polo bis zum Touran reicht, und alles zu bezahlbaren Preisen.

Wo geht es bei der E-Mobilität noch zu langsam voran?
Zuletzt wurde der private Bereich sehr stark gefördert, da geht es gut voran. Es gibt auch eine starke Vergünstigung bei der Dienstwagensteuer, das ist eigentlich eine gute Voraussetzung, um die Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, eine Infrastruktur für die E-Mobilität aufzubauen. Da hakt es meiner Meinung nach noch. Auf der Autobahn kann man schon superschnell laden, man sieht inzwischen wöchentlich neue Schnelladeparks entstehen. Aber beim Laden in Unternehmen muss es mehr vorangehen. Man muss sich vor Augen halten, dass 60 bis 70 Prozent aller Neuwagen in Unternehmen gehen. Die Firmen tragen damit die Hauptverantwortung für die CO2-Bilanz der Neuzulassungen und zwei bis drei Jahre später auch für die Lage auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Und die Lade-Infrastruktur für Dienstwagen kommt eben auch den Mitarbeitern zugute, die mit einem privaten E-Auto zum Arbeitsplatz kommen. Wir merken auch immer wieder, dass Mitarbeiter anfangen, über den Kauf eines E-Autos nachzudenken, wenn es in ihrem Unternehmen ein praktisches Ladeangebot gibt.

Es ist ein Umdenken: Der Benziner hält extra an, um zu tanken – das E-Auto lädt man, wenn es ohnehin parkt.
So kann man auch zum Beispiel die Photovoltaik effektiver nutzen. Ein PV-Anlage liefert Strom nur bei Sonnenschein, also tagsüber, und da steht das Auto während der Arbeitszeit ohnehin und kann geladen werden. Die Verkehrswende und die Energiewende gelingen nur, wenn man sie logisch aufeinander abstimmt. Das gehört zu unseren langfristigen Zielen. Bei unserem zweiten großen Gesellschafter, der ABL aus Lauf, beobachtet man derzeit, dass die Anfragen von Privatpersonen nach Ladestationen durch die Decke gehen - und das nicht nur wegen der Förderungen: Wer eine eigene PV-Anlage auf dem Dach hat und damit sein E-Auto lädt, der kann eigentlich kostenlos Autofahren. Dazu genügt eine ganz normale PV-Anlage von 5 bis 7 kW. Es kommt natürlich auf die Intensität der Sonnenstrahlung an. Aber auch in der Region Nürnberg hat ein E-Auto nach ein bis drei Stunden Sonnenschein genügend Strom für die täglichen Fahrten geladen, und dann kann man den weiteren PV-Strom des Tages noch für die Wäsche, den Kühlschrank und vieles mehr nutzen.

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