Corona und die Wirtschaft: Frankens Arbeitnehmer haben Angst

31.3.2020, 15:30 Uhr
Corona und die Wirtschaft: Frankens Arbeitnehmer haben Angst

© Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Die Kurzarbeit, das Wundermittel in der Not, bewährt schon in der Finanzmarktkrise von 2008/09? Wer dieser Tage manchem Wirtschaftsforscher oder Politiker lauscht, könnte leicht den Eindruck gewinnen, dass es sich bei diesem Instrument um eine Art Superantibiotikum gegen jede Art von Corona-Ängsten im Berufsleben handelt.


So funktioniert Kurzarbeit: Die wichtigsten Fragen und Antworten


Die Realität aber, sie fühlt sich für viele Beschäftigte anders an. "Wir haben Angst. Angst um unsere Existenz", erreicht unsere Redaktion über nordbayern.de die Nachricht von Melanie N. (die echten Namen aller Betroffenen sind der Redaktion bekannt). "Angst, nicht mehr unsere Rechnungen zu bezahlen, nicht mehr die Miete oder den Kredit für ein Haus", ergänzt die Mitarbeiterin eines fränkischen Mittelständlers.

Wegen Kurzarbeit 800 Euro weniger

Aufgewühlt am Telefon klingt auch Kerstin F., die in einem Nürnberger Hotel in der Qualitätssicherung arbeitet. Normalerweise. "Zurzeit bin ich in Kurzarbeit 0, also ganz raus", erzählt die alleinerziehende Mutter. 800 Euro im Monat weniger heißt das für sie. "Ich habe auch niemanden in der Familie, der mich finanziell unterstützen könnte." Sie denke jetzt darüber nach, ihr Auto zu verkaufen und ihren Sohn vom Fußballverein abzumelden.

Den Arbeitspsychologen Michael Kastner, der schon Audi, die Commerzbank und E.on beraten hat, überraschen solche Reaktionen nicht: "Allein der Gedanke an Kurzarbeit macht den Menschen Angst. Zukunftsangst." Wie Rechnungen und Miete bezahlen? Und was kommt nach der Kurzarbeit? Ist der Job ganz gefährdet? "Die Arbeitgeber sind oft erstaunlich hilflos im Umgang mit solchen Themen", urteilt Kastner. Denn viele der Sorgen seien ja nicht unberechtigt. "Natürlich wird die Wirtschaft durch die Coronakrise einbrechen. Natürlich wird die Arbeitslosigkeit steigen."

Kurzarbeit für Unternehmen ist umstritten

Unbestritten in der Fachwelt ist, dass Kurzarbeit für Unternehmen eine sinnvolle Maßnahme sein kann. Sie hilft, eine akute, aber zeitlich halbwegs absehbare Krisensituation besser durchzustehen. Betriebe sparen Lohnkosten, ohne ihren Beschäftigten gleich kündigen zu müssen. Stattdessen erhalten Betroffene in dieser Phase von der Arbeitsagentur Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns. 67 Prozent sind es, wenn Kinder im Haushalt wohnen.

Der Gesetzgeber hat in der Coronakrise die Voraussetzungen extra gelockert, die erfüllt sein müssen, damit ein Unternehmen Kurzarbeit anmelden kann. Neu ist auch, dass betroffene Arbeitnehmer sich nun mit einer anderen Tätigkeit wieder etwas hinzuverdienen können, und zwar bis zu 100 Prozent des vorherigen Lohns. "Da ist eine Wäscherei, die jetzt keine Aufträge hat, aber wir brauchen Leute in der Wäscherei im Krankenhaus", nennt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein Beispiel.

Besser als Arbeitslosigkeit

Auch aus Arbeitnehmersicht ist das Instrument also besser als Arbeitslosigkeit, trotzdem aber schmerzhaft. "Wir sind alle schockiert und heulen nur noch rum seit gestern", schreibt uns Arzthelferin Maria W., deren Chef seine Angestellten ebenfalls in Kurzarbeit schicken will. Ihr Mann sei das von seinem Unternehmen sogar schon. "Wir haben zwei Kinder..."

"Ich bin der Meinung, dass die Arbeitsagentur in dieser Ausnahmesituation die Höhe des Kurzarbeitergelds auf 80 Prozent anheben sollte", sucht auch Einzelhandelsangestellte Steffi A. nach Antworten auf die vielen Fragen, die sie jetzt hat. Sie bekomme in ihrer Kurzarbeit 600 Euro im Monat weniger, habe aber zwei Kredite abzubezahlen. "Rücklagen habe ich keine, da mein Gehalt das nicht zulässt."

Arbeitspsychologe Kastner rät allen Arbeitgebern zu absoluter Transparenz und klarer Kommunikation gegenüber den Beschäftigten. "Und so weit es zulässig ist, sollte dabei auch ein wenig Zuversicht verbreitet werden." Angestellten und Arbeitern in Kurzarbeit wiederum rät der Experte, die gewohnte Tagesstruktur beizubehalten und zu versuchen, mit der Zeit etwas Sinnvolles anzustellen. "Gehen Sie Ihre laufenden Kosten durch und prüfen, was sich streichen lässt. Oder lernen Sie eine Sprache", nennt der Arbeitspsychologe Beispiele. Wichtig sei, trotz der schwierigen Umstände nicht zu stark ins Grübeln zu geraten, sondern die Situation aktiv anzugehen.

 


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