Bald Schlangen vor den Ladentüren?

"Das ist geradezu absurd": Einzelhandel läuft Sturm gegen 2G-Regel

3.12.2021, 15:55 Uhr
Die neue Regel trifft den Einzelhandel ausgerechnet in den wichtigsten Tagen des Jahres. 

© Marcus Brandt, dpa Die neue Regel trifft den Einzelhandel ausgerechnet in den wichtigsten Tagen des Jahres. 

In Läden – mit Ausnahme solcher für den täglichen Bedarf wie Lebensmittel – sollen nur noch Geimpfte oder Genesene (2G-Regel) kommen. Dies gilt unabhängig von den Inzidenzen. Und: Die Unternehmen müssen das Einhalten der Regel kontrollieren.

Das ist ein Ergebnis der Bund-Länder-Runde mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz (SPD) sowie den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten.
Damit wurde vereinbart, was die Branche befürchtet hat und wogegen ihre Funktionäre Sturm gelaufen sind.

Kritik an Versäumnissen der staatlichen Impfkampagne

Entsprechend scharf kritisiert Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), nun die Entscheidung der Regierenden: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Politik trotz funktionierender Hygienekonzepte und der Maskenpflicht nun im Einzelhandel 2G einführt. Damit werden viele Handelsunternehmen aus rein symbolischen Gründen in ihrer umsatzstärksten Zeit massiv eingeschränkt. Und das in der wichtigsten Phase des Jahres, dem Weihnachtsgeschäft."

Der Handel werde hier offenbar genutzt, um Ungeimpften das Leben schwerer zu machen. "Auf dem Rücken des Handels die Versäumnisse in der staatlichen Impfkampagne zu kaschieren – das ist geradezu absurd", wettert Genth. Mit 2G müssten viele Unternehmen mit erheblichen Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent rechnen, so der Verbands-Hauptgeschäftsführer weiter. Denn, so seine Befürchtung, die Schlangen vor den Kontrollen an den Ladentüren schreckten viele Kundinnen und Kunden ab, die Kundenfrequenz werde deutlich sinken.

Werbekampagne für Online

Auch Uwe Werner, Geschäftsführer Mittelfranken des Handelsverbands Bayern, ist von der 2G-Regel, die weite Teile des Einzelhandels betrifft, alles andere als begeistert: "Rund ein Drittel der Bevölkerung ist ungeimpft, diese Menschen sperrt man jetzt aus den Läden aus, die nicht Waren des täglichen Bedarfs verkaufen. Damit ist zu erwarten, dass den betroffenen Händlern erheblicher Umsatz verloren geht – und sich weitere Umsatzanteile zu Lasten der stationären Händler in den Online-Bereich verschieben."

In diese Kerbe schlägt auch Bernd Ohlmann, der Sprecher des Handelsverbandes Bayern: "Die 2G-Regel ist eine gute Werbekampagne für den Online-Handel. Die Ungeimpften werden online einkaufen, aber auch diejenigen, denen das alles zu viel Stress ist." Die Corona-Krise habe schon viele Menschen zum Online-Einkauf gebracht, die das früher strikt abgelehnt hätten.

Schwacher Trost: Kein kompletter Lockdown

Werner wittert noch eine weitere Gefahr für die von 2G betroffenen Händler: nämlich die, dass Anbieter von Waren des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel Supermärkte und Discounter, jetzt ihr Sortiment erweitern, um so zusätzlichen Umsatz abzuschöpfen. Ein schwacher Trost ist für ihn, dass mit der nun getroffenen 2G-Regel ein kompletter Lockdown erst einmal vom Tisch ist: "Den hätten etliche Händler nicht überlebt.“

Genth und Werner sind sich einig: Die Bundesregierung müsse die drohenden Verluste vieler stationärer Händler konsequent auffangen. Die bisherigen Fixkostenzuschüsse reichten dafür bei weitem nicht aus. „Wenn da jetzt nicht rasch geliefert wird, werden wir eine weitere Verödung in vielen Innenstädten erleben“, prognostiziert Genth düster.