Gehaltseinschnitte bei Semikron: Nürnberger Mitarbeiter in Sorge

12.2.2021, 05:45 Uhr
Semikron ist bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen.

© Foto: Semikron Semikron ist bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen.

Es ist eine dicke Kröte, die die über 1500 Mitarbeiter von Semikron am Standort Nürnberg schlucken sollen: Weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld will der weltweit führende Hersteller von Leistungselektronik im Bereich Windkraftanlagen seinen Beschäftigten dieses Jahr zahlen. Nächstes Jahr soll die Belegschaft dann auf die Hälfte des Urlaubs- und Weihnachtsgelds verzichten, 2023 auf 30 Prozent.

"Wir arbeiten sehr viel an der Zukunft und das kostet extrem viel Geld“, begründet Karl-Heinz Gaubatz, Sprecher der vierköpfigen Geschäftsführung, diesen Schritt. Egal, ob anstehende Energiewende oder Elektrifizierung des Automobilmarktes: Produkte von Semikron würden vielerorts gebraucht. "Die Zukunftsaussichten sind nicht schlecht, aber der Wettbewerb auch sehr groß“, unterstreicht Gaubatz. Unter Preisgesichtspunkten könne man nur bestehen, wenn man auch die Personalkosten drücke.

In der Vergangenheit sei das Unternehmen oft sehr großzügig gewesen, etwa wenn es um Sonntagszuschläge in der Produktion oder die Anrechnung von Wegezeiten ging. Jetzt sei aber jeder aufgefordert, seinen Beitrag zu leisten: Die Geschäftsführung werde ebenso auf Gehaltsbestandsteile verzichten wie außertariflich bezahlte Mitarbeiter, kündigt Gaubatz an.

Ambitionierte Ziele

Schließlich habe man Großes vor: Auf 800 Millionen Euro soll der Umsatz binnen nur sechs Jahren von zuletzt 453 Millionen Euro (vorläufiger Erlös 2020) klettern. Als Druck empfinde er solche Vorgaben nicht, vielmehr als motivierend, sagt Gaubatz, der früher in der Elektrik- und Elektronikentwicklung bei BMW tätig war.

Bei der Belegschaft herrsche indes Verwunderung und Verunsicherung ob der recht plötzlich aufgetauchten Sparpläne, heißt es von Seiten der IG Metall. "Viele können es nicht so recht nachvollziehen, woher jetzt der Druck kommt“, berichtet ein Sprecher und konstatiert: "Das sind schon sehr erhebliche Einschnitte.“ Gehe es doch darum, auf fast ein Zehntel des Jahresentgelts zu verzichten.


Stellenabbau: Produktion bei Semikron in Nürnberg steht still


Und das obwohl Semikron gerade attraktive Aufträge im Haus habe und vergleichsweise gut durchs Pandemiejahr 2020 gekommen sei, was die Geschäftsführung so auch bestätigt. Dennoch steht dort fest: "Wir müssen eine Durststrecke von zwei, drei Jahren überbrücken.“ In dieser Zeit gelte es, sich in einem starken Preiswettbewerb zu behaupten.

Denn allein mit Qualität zu punkten, funktioniere nur in bestimmten Teilsegmenten, sagt Elektroingenieur Gaubatz. "Das wäre eine Nischenstrategie, in der wir derzeit 150 Millionen Euro umsetzen.“

Fallen Hunderte Arbeitsplätze weg?

Die Gewerkschaftsmitglieder bei Semikron sind nun aufgerufen, bis Mitte nächster Woche zu entscheiden, ob mit der Geschäftsführung über das "Solidarpaket“ verhandelt werden soll. Am meisten besorgt die IG Metall, dass sich Semikron im Gegenzug nur auf den Erhalt von 1200 Stellen in der Noris festlegen will; unterm Strich könnten also mehrere Hundert Arbeitsplätze wegfallen.

Gerüchte eines möglichen Verkaufs von Semikron oder von Anteilen daran weist Gaubatz zurück: "Semikron ist nicht zu verkaufen.“ Auch wolle man keinen Investor ins Haus holen. Der skizzierte Weg lasse sich nur mit langem Atem in einem Familienunternehmen beschreiten. Personalchef Thomas Liebel ergänzt: "Es geht bei dem Solidarpaket nicht um Gewinnmaximierung, sondern darum, keinen Verlust zu erleiden.“

Gleichwohl gebe es attraktive Kooperationsmöglichkeiten, um die Wachstumsstrategie umzusetzen, betont Geschäftsführer Gaubatz und nennt als Beispiele den Bau gemeinsamer Produktionsstätten für Windkraftanlagen oder E-Fahrzeuge. "Auf diesem Wege kann die Zusammenarbeit über Kunden-Lieferanten-Beziehungen hinaus vertieft werden." Um die Zukunft des 1951 gegründeten Unternehmens ist Gaubatz nicht bange, ebenso wenig um den Standort Nürnberg. Denn: "Wenn man die Potenziale von Leistungselektronik verstanden hat, hat man keine Angst um seinen Arbeitsplatz bei Semikron.“

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