Welche Folgen Ampel und Jamaika hätten

Ist Hartz IV bald Geschichte? Das sind die Pläne der Parteien

1.10.2021, 11:01 Uhr
Die frühere SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles wollte Hartz IV „überwinden“, nun sollen es eine Umbenennung und weniger Sanktionen tun – das jedenfalls steht im Wahlprogramm der Sozialdemokraten. Wie viel davon kann Kanzlerkandidat Olaf Scholz in eine mögliche Koalition retten?  

© Michael Kappeler, dpa Die frühere SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles wollte Hartz IV „überwinden“, nun sollen es eine Umbenennung und weniger Sanktionen tun – das jedenfalls steht im Wahlprogramm der Sozialdemokraten. Wie viel davon kann Kanzlerkandidat Olaf Scholz in eine mögliche Koalition retten?  

"Es muss Schluss damit sein, dass wir von Menschen 1,50 Euro nachfordern müssen." Was Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, beschreibt, klingt absurd, ist aber doch Alltag in den Jobcentern. Die Gesetze zwingen sie, von Hartz-IV-Beziehern selbst Kleinstbeträge einzutreiben. Die Bundesagentur pocht deshalb seit langem auf Vereinfachungen und Bagatellgrenzen in der Grundsicherung. Die Parteien, die die künftige Bundesregierung bilden könnten, haben teils noch viel ambitionierte Pläne für die Zukunft von Hartz IV und Arbeitslosenversicherung. Eine Analyse.

Was will die SPD?

"Wer länger eingezahlt hat, soll zukünftig auch länger Arbeitslosengeld I beziehen können", schreibt die SPD in ihrem Wahlprogramm. Das soll verhindern, dass Menschen, die über Jahrzehnte erwerbstätig waren, nach einem Jahr in Hartz IV fallen - wo sie genauso viel Geld erhalten wie jemand, der nie in seinem Leben gearbeitet hat.

Hartz IV soll künftig "Bürgergeld" heißen und unkomplizierter und verständlicher werden. In der Frage, wie hoch die Regelsätze sind, würden künftig Betroffene und Sozialverbände mit einbezogen. Zudem soll das sogenannte Schonvermögen erhöht werden: Gemeint ist das Ersparte, das erst aufgebraucht werden muss, bevor jemand überhaupt Hartz IV erhält. Sanktionen sollen abgeschafft werden, wenn sie "sinnwidrig" oder "unwürdig" seien.

Was planen die Grünen?

Die Grünen wollen Hartz IV "überwinden" und durch eine Garantiesicherung ersetzen, die in einem ersten Schritt 50 Euro mehr im Monat vorsieht. Sanktionen - etwa für Menschen, die nicht zu Terminen beim Jobcenter erscheinen oder zumutbare Arbeit ablehnen, sollen vollständig abgeschafft werden, da sie bürokratisch und entwürdigend seien. Das schaffe "Raum und Zeit in den Jobcentern für wirkliche Arbeitsvermittelung und Begleitung." Die Grünen wollen zudem den Kreis derer, die Arbeitslosengeld I beziehen, erhöhen. So sollen bereits Menschen, die vier Monate beschäftigt waren, Arbeitslosengeld erhalten und nicht sofort in Hartz IV fallen. Auch das Schonvermögen soll erhöht werden.

Und die FDP?

Die FDP will die Grundsicherung massiv vereinfachen: An die Stelle der verschiedenen Regelungssätze für Singles, Partner oder Alleinerziehende soll ein einheitlicher Satz treten. "Bei Rückforderungen durch die Jobcenter führen wir eine Bagatellgrenze für Kleinstbeträge ein." Die FDP stört sich zudem daran, dass Hartz-IV-Bezieher sich nur in geringem Umfang Geld hinzuverdienen dürfen.

"Die aktuellen Regeln sind demotivierend und sie belohnen kaum, die Grundsicherung durch eigene Arbeit Schritt für Schritt zu verlassen." Die Hinzuverdienstgrenzen sollen deshalb erhöht werden - als "trittfeste Leiter" hinaus aus Hartz IV. Die Liberalen fordern ebenfalls eine Erhöhung des Schonvermögens - insbesondere in Bezug auf Altersvorsorge, die selbst genutzte Immobilie und das Auto.

Falls es am Ende doch in Richtung Jamaika gehen sollte - was plant die Union?

Wie die FDP will sie die Hinzuverdienstgrenzen erhöhen und Bürokratie in den Jobcentern abbauen. Das Grundprinzip des "Förderns und Forderns" soll bewahrt werden. "Deshalb werden wir auch die Sanktionsmechanismen beibehalten." Ziel müsse es sein, Hartz IV nicht besser ​​​​​​​auszugestalten für die Betroffenen, sondern diese aus Hartz IV herauszubekommen in einen Job. "Hartz IV ist kein Beruf", hatte es Kanzlerkandidat Armin Laschet im dritten Triell formuliert.

Welche Zukunft hat Hartz IV also?

Die Grünen fordern als einzige Partei explizit einen Systemwechsel: Mit einer Abschaffung sämtlicher Sanktionen wäre das Prinzip des Förderns und Forderns Geschichte. Vor allem mit der FDP dürfte das nicht zu machen sein. Wahrscheinlicher ist: Hartz IV bekommt einen neuen Namen, sein Kern aber bleibt erhalten. Einigkeit besteht in der Erhöhung der Schonvermögen - all diejenigen, die sich etwas aufgebaut haben und dann in Not geraten, sollen mehr Anerkennung erfahren. ​​​​​​​​​​​​​​

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