Rekordergebnis und "Ausgliederitis"

Siemens überrascht mit starken Zahlen - Kritik kommt aus Nürnberg

9.2.2023, 15:15 Uhr
In Feierlaune: Siemens-Chef Roland Busch macht vor Beginn der Hauptversammlung ein Foto der Führungsmannschaft.

© Sven Hoppe, dpa In Feierlaune: Siemens-Chef Roland Busch macht vor Beginn der Hauptversammlung ein Foto der Führungsmannschaft.

Der Technologiekonzern Siemens hat seine Investoren zur Hauptversammlung am Donnerstag mit starken Zahlen zum Start des neuen Geschäftsjahres erfreut. Das Unternehmen erhöhte nach überraschend guten Quartalszahlen seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr, das bis Ende September läuft. Die Siemens-Aktie erreichte daraufhin den höchsten Kurs seit 13 Monaten.

Im ersten Geschäftsquartal bis Ende Dezember glichen die Digitalisierungsgeschäfte des Konzerns die Schwächen in der Zugsparte mehr als aus. Da fiel es auch nicht ins Gewicht, dass die Medizintechniktochter Siemens Healthineers nicht mehr so viele Corona-Tests verkaufen kann. "Mit 2,7 Milliarden Euro Ergebnis im Industriellen Geschäft ist uns der bislang stärkste Start in ein neues Geschäftsjahr geglückt", kommentierte Konzernchef Roland Busch die Zahlen. Die Erhöhung der Prognose erfolgte dem Manager zufolge auch mit Blick auf den Rekordauftragsbestand von 102 Milliarden Euro.

Die Siemens-Aktie gewann als stärkster Wert im Dax rund 8 Prozent hinzu auf gut 151 Euro. Damit befindet sie sich wieder auf dem Niveau, das sie im Januar 2022 hatte. Unisono lobten Analysten die Zahlen.

Im ersten Geschäftsquartal steigerte Siemens den Konzernumsatz um zehn Prozent auf knapp 18,1 Milliarden Euro. Das vergleichbare Wachstum lag bei acht Prozent. Das Ergebnis der Industriegeschäfte nahm um neun Prozent auf knapp 2,7 Milliarden Euro zu. Kleiner Wermutstropfen war der um sieben Prozent auf 22,6 Milliarden Euro gesunkene Auftragseingang.

Zwar läuft es geschäftlich derzeit rund, doch Investoren bemängeln weiterhin die Aktienkursentwicklung und den Bewertungsabschlag, den die weiter bestehende Struktur als Konglomerat hervorbringe.

Fonds wie Union Investment und DWS forderten daher auf der Hauptversammlung, Siemens solle sich auf seine digitalen Geschäfte konzentrieren und sich etwa von der Beteiligung an Siemens Energy sowie von Siemens Healthineers trennen. "Siemens muss weg von der Konglomeratsstruktur, weniger ist mehr! Portfoliomanager kaufen sich die Healthineers schon selbst, wenn sie sie brauchen", sagte etwa Vera Diehl, Portfoliomanagerin bei Union Investment laut Redetext.

Bei Energy hat der Konzern seit längerem angekündigt, sich schrittweise zurückzuziehen. Dies werde jedoch mit "Augenmaß" geschehen, bekräftigte Finanzvorstand Ralf Thomas in einer Telefonkonferenz. Bisher hält Siemens noch rund 35 Prozent der Anteile.

"Ausgliederitis" trifft Nürnberg

Vom Aktionärsverein "Wir sind Siemens" kommt auf der Hauptversammlung Lob und Kritik. "Wir sind zufrieden, wie Siemens durch die Krisen gekommen ist, die von der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine ausgelöst wurden", sagt der Vorstandsvorsitzende Olaf Bolduan auch im Gespräch mit unserer Redaktion. "Aber wir kritisieren es, immer wieder Teile auszugliedern, bei Siemens herrscht eine Ausgliederitis." Aktuell betroffen ist die hauptsächlich in Nürnberg ansässige Großmotorensparte LDA (Large Drives Applications).

Sie soll in der zweiten Jahreshälfte 2023 zusammen mit weiteren Sparten in ein neues Unternehmen überführt werden. Hinzu kommen Teile des Siemens-Bereiches Motion Control aus Nürnberg (rund 200 Mitarbeiter) und Tübingen, die unterfränkische Weiss Spindeltechnologie sowie die eigenständige Erlanger Siemens-Fertigungstochter Sykatec mit 320 Beschäftigten.

Während viele Beschäftigte bei Weiss und Sykatec die Zusammenlegung mit der LDA begrüßen, gibt es aus Nürnberg auch Kritik am neuen Zuschnitt und der Ausgliederung. "Es gibt hier bald keinen reinen Siemens-Betrieb mehr, für Siemens geht das Licht aus in Nürnberg", sagt Gesamtbetriebsrätin Kerstin Donn. Ihr Verdacht: Der Konzern will die Sparte aus Imagegründen loswerden, weil die Großmotoren unter anderem im Bergbau sowie der Öl- und Gasindustrie eingesetzt werden. "Die LDA ist technologische Spitze und braucht eine stabile industrielle Zukunft", sagt Bolduan: "Am besten bei Siemens."

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