Glücksschweine und Kampfhennen

11.7.2007, 00:00 Uhr
Glücksschweine und Kampfhennen

Auch in diesem Jahr besteht der NN-Kunstpreis aus drei Hauptauszeichnungen. Den mit 8500 Euro dotierten 1. Preis erhält der ungarische Künstler Botond. Der 2. Preis (5500 Euro) geht an die Malerin Silke Mathé. Der 3. Preis (3000 Euro) wurde der Bildhauerin Meide Büdel zugesprochen. Weitere NN-Kunstpreise im Wert von jeweils 2000 Euro bekommen Peter Coler, Yvonne Germann, Lisa Lang, Herbert Mehler und Rainer Thomas. Der mit 8500 Euro dotierte Sonderpreis des Verlegers der Nürnberger Nachrichten, Bruno Schnell, geht erstmals an ein Künstlerpaar: Changmin und Eunhui Lee, zwei koreanische Studenten an der Nürnberger Kunstakademie, teilen sich die Auszeichnung.

Alte Hasen und junge Talente: Eine attraktive Auswahl des aktuellen regionalen Kunstschaffens präsentiert die Sonderausstellung zum 15. Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten, die am morgigen Donnerstag um 20 Uhr im Kunsthaus Nürnberg mit der Preisverleihung eröffnet wird. Mit der Zahl der Bewerber, die mittlerweile die Marke von 600 überschritten hat, stieg auch die Anzahl der ausgestellten Werke kontinuierlich. Diesmal hat die Jury 95 Arbeiten von 74 Künstlern ausgewählt - so viele wie noch nie.

Wie viele Kilometer ist man auf der Autobahn schon hinter solch einem lahmen Koloss hergefahren, hat auf dessen riesige Planen gestarrt, um schließlich zu überholen - ohne dabei im Geringsten zu erahnen, welches Kunst-Potenzial in solchen Brummis steckt. Der in Nürnberg lebende ungarische Künstler Botond arbeitet bereits seit längerem mit Lkw-Planen – und es ist erstaunlich und beeindruckend, was er aus diesem Material herausholt. Er dehnt und staucht, klebt und näht, bemalt und wäscht es wieder ab – so lange, bis die Planen jede Sperrigkeit und Eindeutigkeit aufgegeben haben und ein unverwechselbares Eigenleben bekommen. In sich versunkene Gesichter schälen sich aus den von beige über rot bis orange changierenden Kunststoffflächen heraus - die Augen geschlossen, der Ausdruck leidend.

Mit seinem ungewöhnlichen Arbeitsmaterial ist Botond, dem die Jury die Hauptauszeichnung beim diesjährigen Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten zusprach, die Ausnahme in der Ausstellung. Mit seiner künstlerischen Haltung aber, geprägt von Ernsthaftigkeit, Beständigkeit und Disziplin in der Entwicklung der individuellen Formensprache, ist er in guter Gesellschaft. Und das Genre der Porträtdarstellung, sei es auf Leinwand gemalt oder gezeichnet, aus Bronze gegossen, in Keramik gebrannt oder eben aus Plastikplanen collagiert, ist ein Schwerpunkt der Schau.

Forscher im Eis

Es menschelt im Kunsthaus. Keck reckt zum Beispiel «Ernestine» die Nase, eine bronzene Frauenbüste von Martin Mayer. Ernst und selbstbewusst blickt Yvonne Germann auf ihrem schmalen Selbstporträt dem Betrachter entgegen, «Ulli Z.» hat auf dem großformatigen Gemälde von Barbara Fuchs einen Schmollmund aufgelegt. Auf Gerhard Rießbecks riesigen Porträts von Polarforschern dagegen ist jegliche Mimik hinter dicken Schneebrillen und eng geschnürten Kapuzen versteckt.

Leicht übersehen kann man daneben das zauberhafte Selbstporträt der erst 29-jährigen Katrin Meier. Die junge Künstlerin zeigt sich darauf in einem roséfarbenen Abendkleid auf einem ungemachten Bett sitzend – melancholisch, nachdenklich, ernst. Eine wunderbare Miniatur, nur neun mal dreizehn Zentimeter groß.

Ein raffiniertes Versteckspiel mit dem Betrachter betreibt auch Eunhui Lee. Bei der letzten Kunstpreis-Schau überzeugte die junge südkoreanische Malerin bereits mit raffinierten Spiegelungen in einem Weinglas. Diesmal dient ihr eine Tasse Kaffee als Projektionsfläche für viele kleine Miniporträts. Erstmals beim NN-Kunstpreis dabei ist ihr Ehemann Changmin Lee, ebenfalls ein exzellenter Maler mit viel Witz. Sein großformatiges Gemälde zeigt Schweine, die hingebungsvoll im Schlamm wühlen.

Für den Promi-Faktor sorgt diesmal Wilhelm Uhlig: Er hat Zubin Mehta, den Stardirigenten und ehemaligen Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, ins Kunsthaus geholt. Die Bronzebüste des Maestros schuf der Nürnberger Künstler als Auftragswerk für München und hat damit wieder einmal unter Beweis gestellt, dass er zu den führenden figürlichen Bildhauern in Deutschland gehört.

Aber weg von den Promis, hin zu den Abenteuern des Alltags, zur Liebe und all ihren Verwicklungen. Viel braucht es bei einem guten Bild nicht, um beim Betrachter Assoziationsketten auszulösen. Das gelingt Peter Coler mühelos mit seinem Gemälde «Du versprachst, zurückzukommen»: Es ist Nacht, man sieht die Beine einer schick gekleideten Frau, die sich in einem Lichtstreifen vom Betrachter wegbewegt - es gibt kein Happyend dieser wie auch immer gescheiterten Beziehung, so viel steht fest.

Während dieses Bild von tiefer Melancholie geprägt ist, geht es im Liebeskampf bei Clemens Heinl unverholen feindseliger zu: Zum Zickenkrieg hat der Holz-Bildhauer unter dem Titel «Der einen Leid ist der anderen Freud» zwei beinahe lebensgroße Kontrahentinnen aufgestellt. Während die Damen zumindest körperlich annähernd gleiche Voraussetzungen aufbieten, sieht es bei Béla Faragós «Kampf» anders aus: Zwei männliche Gestalten ringen miteinander, aber es ist ein ungleicher Wettbewerb, wie bei David gegen Goliath.

Ein zweiter Schwerpunkt neben der Menschendarstellung ist die Landschaftsmalerei im weitesten Sinne. Da führt uns Brigitta Heyduck in ihre ganz malfrische, sonnenbeschienene «Allee», Harry Meyer entwirft mit expressiver Gestik und pastosem Farbauftrag eine weite Gewitter-Landschaft und Rainer Funk bleibt seiner vor rund zweieinhalb Jahren eingeschlagenen Farbferne nach wie vor treu und versetzt uns in ein grau-tristes «Schneetreiben».

Es geht in unberührte Landschaften und urbane Räume wie in den «Kingston»-Siebdrucken von Axel Voss. Es geht in taghelle Landschaften und an geheimnisvolle Nachtorte wie das «Babyland» von Mathias Otto – eine menschenleere Straße, rosa beleuchtet im Nirgendwo. Es geht in die Tiefe der Wälder und luftige Höhen wie in den Wolkenformationen von Jutta Cuntze.

601 Bewerbungen lagen der Jury beim diesjährigen NN-Kunstpreis vor. «Man kann nicht behaupten, dass ständig dieselben Künstler ausgewählt werden», betont Jury-Vorsitzender Curt Heigl und verweist auf den hohen Anteil an jungen Malern und Bildhauern in der aktuellen Ausstellung: Mehr als ein Viertel der Teilnehmer ist unter 40 Jahre alt und präsentiert sich erstmals beim NN-Kunstpreis. Eine schöne Mischung aus bekannten Größen und spannenden Neuentdeckungen! BIRGIT RUF

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