Schwierig zu bewertender Fall

Kommentar: Rassismus am Staatstheater Nürnberg? Opernregisseur verteidigt sich

19.11.2021, 06:00 Uhr
Steht im Kreuzfeuer: Opernregisseur Peter Konwitschny.

© Günter Distler, NN Steht im Kreuzfeuer: Opernregisseur Peter Konwitschny.

Der Fall Peter Konwitschny zieht weiter Kreise. Der Opernregisseur hatte den „Troubadour“ am Nürnberger Staatstheater inszeniert, sein Vertrag wurde jedoch kurz vor der Premiere aufgehoben. Der Grund dafür sind Rassismus-Vorwürfe. Nun hat sich Konwitschny dazu geäußert, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR) und in der 3sat-Sendung „Kulturzeit“.

Dazu zunächst ein Hinweis in eigener Sache: Unsere Redaktion war nach einigen Diskussionen der Bitte des Staatstheaters nachgekommen, nicht auf Details zu dem Vorfall einzugehen – insbesondere darauf, dass die Betroffene schwarze Hautfarbe hat. Das macht die Frau identifizierbar.

Niemand, der einen so persönlichen Vorwurf äußert, sollte befürchten müssen, damit sozusagen ins Rampenlicht gezerrt zu werden. Wir wollen eine Kultur, in der von Diskriminierung Betroffene keine Angst haben müssen, über ihre Erfahrungen zu berichten. Deshalb dürfen wir diese auch nicht bloßstellen, wenn sie es tun. Jetzt ist es allerdings raus – denn bei 3sat und dem BR war man offenbar zu einer anderen Einschätzung gekommen.

Auch das ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Denn Peter Konwitschny ist mit einem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert. Er sollte sich dazu äußern dürfen. Das Verzwickte an dem Fall ist, dass der Regisseur den Vorfall nicht schildern konnte, ohne auf die Hautfarbe der Betroffenen einzugehen.

Konwitschnys Version ist folgende: Er habe bei einer Probe Überraschung auf den Gesichtern der Mitwirkenden sehen wollen, die Betroffene habe sich aber weggedreht. Das sei nicht die von ihm gewünschte Reaktion gewesen. Worauf die Worte fielen: „Stellen Sie sich vor, in Afrika würde ein Löwe auf Sie zukommen.“ In so einer Situation könne man den Blick nicht abwenden. Die Aussage sei während der Probe nicht weiter diskutiert worden, Konwitschny habe erst später von dem Vorwurf erfahren.

Das Staatstheater hatte, laut eigener Aussage, mit mehreren bei der Szene Anwesenden gesprochen. Damit konfrontiert lautete Konwitschnys schriftliche Antwort, so sagt er es bei 3sat: „Wenn es mehrere Leute gibt, die mir das so auslegen, dann möchte ich nicht weiter da arbeiten.“ Woraufhin ihm die Intendanz den Aufhebungsvertrag zugeschickt habe. Der BR zitiert Konwitschny so: „Wir sind dann nicht friedlich, sondern in Stille auseinander gegangen.“

Ist die Aussage mit dem Löwen in Afrika nun tatsächlich als rassistisch zu werten? Erstens: Die Afrika-Assoziation einer schwarzen Frau gegenüber ist sicher kein offener, böswilliger Rassismus – aber doch die Reproduktion eines Stereotyps. Es klingt eher harmlos, eine große Rolle spielt aber, wie der Satz bei der Betroffenen ankommt.

Zweitens handelt es sich um Konwitschnys Darstellung der Dinge. Ein leicht veränderter Zungenschlag könnte die Sache anders aussehen lassen. Etwa so, völlig hypothetisch: „Stellen Sie sich vor, in Afrika würde ein Löwe auf Sie zukommen. Das kennen Sie doch.“ Selbst wenn man alle bei dem Vorfall Beteiligten befragen würde, die eine Wahrheit wäre wohl schwer zu ermitteln.

Drittens: Es besteht ein Unterschied, ob jemand ein Rassist ist oder sich – möglicherweise unabsichtlich – rassistisch äußert. Konwitschnys Leben und Werk, das betont er zu Recht, geben nicht den geringsten Anhaltspunkt für Rassismus. Nach eigener Aussage hat er mit der Betroffenen über den Vorfall bereits gesprochen. Wenn seine Aussage verletzend war, entschuldige er sich dafür, habe er gesagt. Und die Entschuldigung sei angenommen worden.

Vor dem Hintergrund all dieser Details scheint das Ganze in jedem Fall ein Kommunikationsproblem zu sein. Seine erste Reaktion auf die Vorwürfe hat Konwitschny dem BR gegenüber als „Eigentor“ bezeichnet, sich selbst in dieser Hinsicht als „echten Kindskopf“. Aber auch Staatstheater-Intendant Jens-Daniel Herzog hätte das Gespräch mit dem Regisseur suchen können. Man sollte sich für Aussagen auch entschuldigen dürfen, ohne gleich den Job zu verlieren.

Der Vorbehalt bleibt trotzdem: Wir wissen nicht, was in besagter Probe genau passiert ist. Es wäre sicher interessant, die Version der Betroffenen zu hören. Es ist aber ihr gutes Recht, sich dazu nicht zu äußern.

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