Der richtige Ort für den Meister

1.7.2011, 00:00 Uhr
Der richtige Ort für den Meister

© Uwe Mitsching

Die CDs mit dem Orchester „Philharmonie Festiva“ wurden in der Abteikirche Ebrach aufgenommen. Auch das Bruckner-Fest findet dort mit Schaller als Dirigenten, zudem mit einem wissenschaftlichen Symposium („Bruckner auf Reisen“) des Anton Bruckner Instituts Linz statt. Aber beim BrucknerFest vom 29. bis 31. Juli ist nicht das Ende, sondern der Beginn von Bruckners symphonischem Schaffen zu hören: nämlich die Symphonien 1—3 in ihren ursprünglichen Fassungen, die teils sogar erstmals in einem Konzert gespielt werden.

„Für mich ist jede Fassung wie die Fotografie eines Augenblicks im Komponistenleben“, sagt Gerd Schaller bei einem Treffen im Münchner Hofgarten. Und er ist sich sicher, dass diese Erstfassungen genau das enthalten, was Bruckner eigentlich wollte: Die Kritiker, die Dirigenten und Orchester haben ihn mit ihren teils vernichtenden Urteilen veranlasst, Kompromisse einzugehen, damit seine Symphonien überhaupt gespielt wurden. „Er wollte sich damit dem Zeitgeschmack anpassen.“

Anpassung ist etwas, was Schaller nach seiner Kapellmeisterzeit in Braunschweig und nach dem GMD-Posten in Magdeburg nun als freischaffender Dirigent mit Engagements in Warschau oder Bukarest gar nicht will. Lieber führt er selten gespielte Opern auf wie Carl Goldmarcks „Merlin“ oder Johann Simon Mayrs „Fedra“. Mit der „Philharmonie Festiva“ hat er ein Orchester in Bruckner-Maßen zusammengestellt. Aus den Münchner Bachsolisten rekrutiert er seine Kernmannschaft, mit der er schon viele seiner inzwischen zwanzig „Ebracher Musiksommer“ gespielt hat. Dazu gesellen sich Musiker vom BR-Symphonieorchester und den Münchner Philharmonikern. Die Trompeter kommen en bloque aus Frankfurt, einer der Oboisten vom Opernhaus Zürich.

Architektur und Wohlklang

Keine Kompromisse gibt es auch beim Spielort dieses neuen Festivals: dem Marktflecken Ebrach mit einer „Trias von Musik, Architektur, Natur“. Neben dem barocken Kaisersaal gibt es die Zisterzienser-Abteikirche (gotisch, klassizistisch überarbeitet) mit einem warmen, weichen Klang. Er hat nicht die übliche Überakustik und bündelt den Klang durch den muschelartigen Chorraum.

Das alles zwingt Schaller nicht zu feierlich-breiten Tempi, er kann die typischen Bruckner-Schnittstellen und Abbrüche hart realisieren: „Eine Spur zu langsam wirkt da schnell träge.“

Mit drei Bruckner-Symphonien an drei Tagen vermeidet Schaller das heute übliche „eingekaufte Festival“ und erfüllt sich einen Lebenstraum: „Mein Schlüsselerlebnis hatte ich mit 14, mit Bruckners ‚Romantischer‘ unter Eugen Jochum. Seither hat mich Anton Bruckner intensiv beschäftigt, auch wenn seine Beliebtheit nach Deutschlands Norden hin eher abnimmt.“

Aber immerhin hat er im Magdeburger Dom die 8. und 9. Symphonie aufgeführt und jetzt in Ebrach den Bruckner-Ort mit „besonderen Schwingungen“ gefunden. Und von der Marktgemeinde über die Oberfrankenstiftung und E.on bis hin zum Bayerischen Rundfunk auch die nötigen Mitstreiter. Auf die hofft er auch in den nächsten Jahren. Denn mit drei Symphonien pro Saison braucht das Festival nicht in drei Jahren zu Ende zu sein: „Ich muss ja nicht chronologisch vorgehen, wir können die Symphonien in verschiedenen Fassungen spielen, es gibt Bruckners Messen, Kammermusik, die Ouvertüren, die ,nullte‘ Symphonie. Ich möchte das Festival für länger etablieren.“

Schaller kann dabei auf Publikum aus dem Städtedreieck Nürnberg/Würzburg/Bamberg hoffen, aus dem ganzen süddeutschen Raum und dem benachbarten Ausland. Und für Bruckner in Ebrach, für „den Stein, der vom Mond gefallen ist“ (Nicolaus Harnoncourt über Bruckner), gibt es auch noch Karten (Tel. 09552/297).

Gerd Schaller: Anton Bruckner, Symphonies 4,7,9; vier CDs, Edition Hänssler, Best.-Nr. PH 11028.